Rückblick

The times they are a changing

Wir schauen einmal, was aus unseren alten Preisträgern geworden ist.

Der erste Hauptpreisträger des BigBrotherAward war im Jahr 2000 die Firma Loyalty Partner mit ihrem Kundenbindungssystem Payback. In den folgenden Jahren kam es zur tadelnden Erwähnung des ebenso bundesweit agierenden Konkurrenzproduktes Happy Digits. Der BigBrotherAward hat diese beiden Kundendatensammler nicht vom Markt gedrängt. Doch hatten die Preise für den Verbraucher-Datenschutz eine segensreiche Wirkung: Payback entdeckte den Datenschutz und trat in den Dialog mit der BBA-Jury ein. Happy Digits zeigte sich zwar weniger kooperationsbereit, doch wurde auch dieses System von einer großen kritischen Medienberichterstattung betroffen, die im letzten Jahr in einem für die beiden Anbieter wenig schmeichelhaften Gutachten der Verbraucherzentrale Bundesverband einen weiteren Höhepunkt fand. Die schlechte Presse zwang die Unternehmen zum Handeln: Payback informiert die Kunden inzwischen erheblich besser; eine klarere Einwilligung in die Datenverabreitung wird eingeholt. Zwar überrumpelt Happy Digits seine Kundinnen und Kunden weiterhin mit einer vorformulierten Einwilligung, die gelten soll, wenn sie nicht aktiv gestrichen wurde. Doch auch bei diesem System gab es Verbesserungen in Sachen Transparenz und Wahlfreiheit. Die Jury verfolgt diesen Markt weiterhin mit großer Aufmerksamkeit.

Im Jahr 2003 hatten wir eine Vielzahl von äußerst prominenten Preisträgern, so die METRO-Gruppe für den RFID-Einsatz in ihrem Future-Store und der damit verbundenen Erstellung von Kundenprofilen, die Gebühreneinzugszentrale GEZ für die Ausforschung und das Drangsalieren von Menschen, um diesen den Besitz von Rundfunkgeräten nachzuweisen, und die Regierung der USA für ihr datenschutzwidriges Abfordern von Passagierdaten von in das Land einreisenden Fluggästen.

Die Preisverleihung an METRO war der Startschuss für eine bundesweite in der Datenschutzgeschichte wohl beispielslosen Medienkampagne: Es wurde erreicht, dass eine für den Datenschutz gefährliche Technologie breit diskutiert wird, noch bevor sie eingeführt wurde. Die BBA-Preisverleihung war der Startschuss für eine vom FoeBuD getragenen Kampagne mit Demonstration, Presse- und Fernsehberichten und vielen Diskussionen. Datenschutzinstitutionen griffen die Kritik in Entschließungen auf. Die Politik zeigte plötzlich Sensibilität. Die METRO zog ihre RFID-Pläne vorläufig zurück. Die Stiftung Bridge fördert Technik zum Aufspüren von RFIDs. Und selbst die RFID-Technikanbieter zeigen Sensibilität und versuchen den Datenschutz bei ihren weiteren Entwicklungen zu berücksichtigen, da sie nicht wollen, dass die von ihnen verkauft Technologie in Verruf gerät.

Viel Applaus von vielen Seiten gab es für die Preisverleihung an die GEZ für ihre jahrzehntelange Schnüffelei. Die Hoffnung, diese allein durch eine Preisverleihung stoppen zu können, hatte die Jury nicht. Wohl aber hat sie es geschafft, dass der bürokratische Unsinnsapparat der GEZ wieder in die Schlagzeilen geriet und öffentlich hinterfragt wurde. Die Rundfunkanstalten sind gewarnt und treten nicht mehr ganz so dreist beim Ermitteln von angeblichen Schwarzhörern und -sehern auf. Doch die Politik, die mit einer anderen Rundfunkgebührenerhebung dem ganzen Spuk ein Ende machen könnte, zeigt sich in seiner großen Mehrheit noch lange nicht einsichtig. Hier ist ein langer Atem gefordert. Die GEZ bleibt mit guten Gründen weiterhin Lifetime-Preisträger. Jetzt geht es darum, das erreichte Problembewusstsein auf konkrete Planungen zu lenken, z.B. auf den Einsatz von RFID in den personalisierten Tickets für die Fußfall-Weltmeisterschaft.

Die Terrorismushysterie in den USA ist auch im 4. Jahr nach dem 11. September in den USA nicht abgeklungen. Der Hetzer George Bush ist - noch nicht - abgewählt. Aber die Methoden, mit denen angeblich Terroristen ertappt werden sollen, tatsächlich aber unschuldige Menschen betroffen werden, werden zunehmend in Frage gestellt. Die gilt auch für den bundesdeutschen Oberhetzer Otto Schily, der noch im Jahr 2001den Haupt-Award erhielt und der ihn weiterhin verdient. Nicht nur sein kleiner Oppositionspartner geht zunehmend zum Innenminister auf Distanz, sondern auch seine eigene Partei. Die durchgeführte Rasterfahdnung, für die 2002 der hessische Inneminister den BBA erhielt, wird inzwischen außer von den Unbelehrbaren als gefährlicher Schlag ins Wasser angesehen. Kritisch gesehen wird v.a. die US-Regierung, die 2003 für das unkontrollierte Sammeln von Flugdaten den Award erhielt. Inzwischen hat die deutsche BBA-Jury viele prominente Mitstreiter gegen die Flugdatenweitergabe in die USA und zu deren Heimatschutzministerium gefunden: nicht nur die europäischen Datenschutzbeauftragten, sondern auch das europäische Parlament. Dies hinderte aber die Kommission nicht, mit den USA einen Datendeal abzuschließen, der nur wenig hinter dem zurückblieb, was die USA von Anfang an an Daten forderten. Nach einer Anrufung des Europäischen Gerichtshofes besteht die Aussicht, dass sich auch die europäische Justiz der BBA-Jury bei ihrer Kritik an diesem dauernden Verstoß gegen die Datenschutzgrundrechte anschließt.


Autoren: padeluun, Thilo Weichert

Über die BigBrotherAwards

Spannend, unterhaltsam und gut verständlich wird dieser Datenschutz-Negativpreis an Firmen, Organisationen und Politiker.innen verliehen. Die BigBrotherAwards prämieren Datensünder in Wirtschaft und Politik und wurden deshalb von Le Monde „Oscars für Datenkraken“ genannt.

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BigBrotherAwards International

Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden fragwürdige Praktiken mit diesen Preisen ausgezeichnet.