Wirtschaft & Verbraucherschutz (2004)

Tchibo

Die Tchibo direct GmbH erhält den BigBrotherAward in der Kategorie "Verbraucherschutz". Sie beteuert in ihren Prospekten und im Internet "Alle persönlichen Daten werden vertraulich behandelt". Tatsächlich aber werden angereicherte Adressen der Tchibo-direct-Kundinnen und -Kunden über die Arvarto / AZ direct auf dem Adressenmarkt angeboten.
Laudator.in:
Frank Rosengart am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
Frank Rosengart, Chaos Computer Club (CCC)

Der BigBrotherAward in der Kategorie "Wirtschaft und Verbraucherschutz" geht an die Tchibo direct GmbH für die Weitergabe ihrer Kundendaten an die Vermarktungs-Firma Arvato / AZ Direct.

Dass Tchibo nicht nur Kaffee verkauft, ist nichts Neues. Man bekommt dort auch Unterwäsche, Gartenwerkzeug, Aromakerzen und Nachthemden. Was der normale Kunde aber nicht weiß: Adressen verkauft Tchibo auch. Nur finden man dies weder in den Prospekten noch im Online-Shop: Denn es sind, wie nicht anders zu erwarten, die Adressen der Kundinnen und Kunden, die Tchibo weiterverkauft.

Im Tchibo-Prospekt steht:

"Alle persönlichen Daten werden vertraulich behandelt."

Im Internet steht zusätzlich:

"Die Weitergabe Ihrer im Internet eingegebenen persönlichen Daten an unberechtigte Dritte außerhalb des Unternehmens Tchibo ist grundsätzlich ausgeschlossen."

Tchibo geht also verantwortungsvoll mit den persönlichen Daten der Kunden um, könnte man auf den ersten Blick glauben.

Was tatsächlich mit den Adressen der Kunden geschieht, das verraten die Prospekte der Firma AZ Direct, einem Unternehmen des Bertelsmann Konzerns. AZ Direct verkauft die Tchibo-Kunden-Adressen.

"Sie suchen Postkäufer, die bei ihrer Bestellung auf starke Marken ebenso viel Wert legen wie auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis? Sie benötigen Anschriften von Familien, die beim Einkauf auf die Vielfalt und Qualität eines Angebotes achten? Sie brauchen Adressen von Personen, die häufig und spontan Produkte für sich und ihre Familie per Katalog bestellen? Dann ist der Kundenstamm von Tchibo genau richtig für Sie."

AZ Direct GmbH hat genaue Selektionskriterien für die Tchibo-Kunden. Diese umfassen demografische und geografische Angaben genau so, wie Hinweise darauf, ob diese Kunden in einem Einfamilienhaus wohnen oder in einer Wohnung im Mehrparteien-Mietshaus, wie sehr sie dazu neigen, im Versandhandel einzukaufen und wie hoch ihre Kaufkraft ist. Zusätzlich zu den reinen Adressdaten werden also auch eine Reihe weiterer Informationen erfasst, ausgewertet und weitergegeben.

Da fragen wir uns doch, wer dann eigentlich noch die "unberechtigten Dritten" sein sollen? Firmen, die nicht für die Adressen bezahlen?!?

Achja, im Tchibo Prospekt (aber nicht im Internet) steht ganz unten auf der Seite mit der Telefonnummer in kaum noch lesbarer 1 mm großer weißer Schrift: "Gelegentlich geben wir die Anschriften unserer Kunden an Unternehmen weiter, deren Produkte für sie von Interesse sein könnten. Bitte teilen Sie uns mit, falls Sie das nicht möchten."

Abgesehen davon, dass das niemand liest, wird hier nicht einmal die Möglichkeit gegeben, das abzustellen. Es liegt an den Kunden, sich extra bei Tchibo zu melden, um die Adressweitergabe zu untersagen.

Tchibo verletzt mit dieser besonders dreisten Weitergabe der Kundendaten auf grobe Weise die Privatsphäre seiner Kunden. Von "Alle persönlichen Daten werden vertraulich behandelt" kann keine Rede sein, die Verbraucherinnen und Verbraucher werden nicht darüber informiert, was mit ihren Daten geschieht.

Der gläserne Kunde, dessen Lebens- und Konsumgewohnheiten detailliert in hunderten von Datenbanken gespeichert und ausgewertet werden, ist nicht vereinbar mit unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, solchen Auswüchsen Einhalt zu gebieten. Der Entwurf für ein neues Bundesdatenschutzgesetz vermodert längst in den Schubladen des Innenministeriums. Hier muss die rot-grüne Koalition endlich tätig werden!

Herzlichen Glückwunsch, Tchibo direct GmbH!

Jahr
Kategorie

Laudator.in

Frank Rosengart am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
Frank Rosengart, Chaos Computer Club (CCC)

Über die BigBrotherAwards

Spannend, unterhaltsam und gut verständlich wird dieser Datenschutz-Negativpreis an Firmen, Organisationen und Politiker.innen verliehen. Die BigBrotherAwards prämieren Datensünder in Wirtschaft und Politik und wurden deshalb von Le Monde „Oscars für Datenkraken“ genannt.

Ausgerichtet von (unter anderem):

BigBrother Awards International (Logo)

BigBrotherAwards International

Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden fragwürdige Praktiken mit diesen Preisen ausgezeichnet.