Sport (2009)

Leichtathletik-WM

Der BigBrotherAward 2009 in der Kategorie „Sport“ geht an das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM. Es wird ausgezeichnet für sein Verlangen gegenüber Journalist.innen, dass diese Zustimmung geben zu einer umfassenden Überprüfung ihrer persönlichen Daten durch die Sicherheitsbehörden. Damit hat es unter einem nur schlecht getarnten Deckmäntelchen namens Sicherheit ein erhebliches Vergehen an einem Grundwert eines freiheitlichen Staatswesens, nämlich der Pressefreiheit, begangen.
Laudator.in:
Portraitaufnahme von Fredrik Roggan.
Dr. Fredrik Roggan, Humanistische Union (HU)

Der BigBrotherAward 2009 in der Kategorie „Sport“ geht an das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM.

Bei diesem Preisträger geht um nicht weniger als den Schutz der in einer freiheitlichen Demokratie so wichtigen Pressefreiheit.

Erinnern wir uns, Grundgesetz Art. 5 Abs. 1: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Es wäre somit unverträglich mit diesem Prinzip der Pressefreiheit, wenn sich Journalisten einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen müssten, bevor sie über bestimmte Ereignisse oder Veranstaltungen berichten dürften. Genau das aber hat unser Preisträger von Pressevertretern verlangt.

Die Journalisten mussten es sich im Sommer gefallen lassen, dass sich das Organisationskomitee ein ganz genaues Bild von den Berichterstattern seines Events machte: Um eine Akkreditierung zu bekommen, sollten die Journalisten schriftlich zustimmen, dass der Polizeipräsident von Berlin Auskünfte über sie aus Datenbanken der Landeskriminalämter erteilen und die Personalien auch dem Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst weiterleiten dürfe. Falls es dort Vermerke gegeben hätte, wäre das Berliner Organisationskomitee der WM informiert worden – nur über den Fakt freilich, nicht über Inhalte.

Damit wurde schlicht so getan, als habe man es bei Sportjournalisten sämtlich mit potentiell Kriminellen, zumindest aber mit Verfassungsfeinden zu tun, die innere oder äußere Belange der Bundesrepublik gefährden könnten. Das erscheint absurd und erinnert an Staaten, in denen eher von einer gelenkten – also bequemen – denn einer freien Presse gesprochen werden kann.

Beileibe sind solche Zuverlässigkeitsüberprüfungen nicht neu: Schon bei der Fußball-WM im Jahr 2006 hatten Sicherheitsbehörden den Organisatoren Informationen über Pressevertreter zur Verfügung gestellt – bevor diese eine Entscheidung über die Zulassung von Pressevertretern trafen. Und auch beim NATO-Gipfel in Straßburg in diesem Jahr mussten sich die Journalisten einem Personen-Check unterziehen. Wer in einer Datei – etwa des Bundeskriminalamtes – gespeichert war, musste damit rechnen, nicht aus dem Pressezentrum berichten zu dürfen. So erging es beispielsweise einem Fotoreporter der Tageszeitung „Neues Deutschland“, dem das BKA die Zuschreibung „Straftäter linksorientiert“ verliehen hatte – ohne dass der Betroffene jemals rechtskräftig verurteilt worden wäre.

Wir erkennen: Unser diesjähriger Preisträger ist mit seinem Bedürfnis, unbotmäßige Berichterstattung bereits im Ansatz zu unterbinden, mitnichten allein. Allerdings erscheint ein solches Kontrollbedürfnis angesichts des Umstandes, dass es im Sommer dieses Jahres in Berlin um ein Sportereignis ging, besonders irrational. Weder sind von entsprechenden Veranstaltungen in der Vergangenheit revolutionäre Entwicklungen ausgegangen, noch sind Pressevertreter bislang durch Übergriffe auf Sportler, Sportfunktionäre oder andere Beteiligte aufgefallen.

Das Signal dagegen, das in Richtung der Pressevertreter gesendet wird, ist klar und deutlich: Wir Veranstalter wissen, wer hier berichten will. Und im Zweifel wollen wir entscheiden, wer seiner Arbeit nachgehen darf und wer nicht. Und genau das ist eben nicht mit Pressefreiheit vereinbar, denn geschützt sind eben nicht nur die Produktion und Verbreitung von Nachrichten und Meinungen, sondern auch ihre Beschaffung und zwar „ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen“, wie das Grundgesetz es explizit vorsieht.

Eine solche Haltung, wie sie hier an den Tag gelegt wird, und die dadurch bewirkte Stimmung widersprechen eklatant den Grundlagen einer freien Presse. Es ist ein nur schlecht getarntes Deckmäntelchen namens Sicherheit, das die Rechte von Journalisten immer weiter einschränkt. Für Journalisten muss es ausreichen, dass sie ihren Presseausweis vorlegen, um von öffentlichen Veranstaltungen berichten zu können. Es ist höchste Zeit, dies noch einmal laut in Erinnerung zu bringen und mit Nachdruck zu fordern.

Herzlichen Glückwunsch zu einem erheblichen Vergehen an einem Grundwert eines freiheitlichen demokratischen Staatswesens: Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM.

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Portraitaufnahme von Fredrik Roggan.
Dr. Fredrik Roggan, Humanistische Union (HU)

Über die BigBrotherAwards

Spannend, unterhaltsam und gut verständlich wird dieser Datenschutz-Negativpreis an Firmen, Organisationen und Politiker.innen verliehen. Die BigBrotherAwards prämieren Datensünder in Wirtschaft und Politik und wurden deshalb von Le Monde „Oscars für Datenkraken“ genannt.

Ausgerichtet von (unter anderem):

BigBrother Awards International (Logo)

BigBrotherAwards International

Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden fragwürdige Praktiken mit diesen Preisen ausgezeichnet.