Bundesverwaltungsamt
Der BigBrotherAward der Kategorie "Lebenswerk" geht an das Bundesverwaltungsamt in Köln für sein Ausländerzentralregister. Die Datenbank mit den Angaben zu mehr als 10 Mio Personen dient vor allem der Überwachung von Ausländerinnen und Ausländern, um diese im Zweifel außer Landes schaffen zu können.
Gründe
Mit dem seit 1953 beim Bundesverwaltungsamt in Köln geführten Ausländerzentralregister (AZR) erfolgt bis heute eine institutionalisierte behördliche Diskriminierung von nichtdeutschen BürgerInnen in der Bundesrepublik. Die Datenbank mit den Angaben zu mehr als 10 Mio. Personen dient vor allem anderen der Überwachung von AusländerInnen, um diese im Zweifel außer Landes schaffen zu können. Der Betrieb des AZR sowie das hierzu erlassene AZR-Gesetz sind wegen des Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig. Die Erfassung von nichtdeutschen EU-Staatsangehörigen verstößt gegen Europarecht.
Die zentrale Ausländererfassung hat in Deutschland seit der mit der Ausländerpolizeiverordnung eingeführten Ausländerzentralkartei von 1938 Tradition. Zum Zweck der “verstärkten Überwachung der Ausländer im Bundesgebiet” wurde das AZR nur kurz nach dem Sturz des Nationalsozialismus in Deutschland im Jahr 1953 eingeführt. Als bis dahin größte bundesweite Datei wurde sie schon im Jahr 1967 automatisiert. Obwohl das Bundesverfassungsgericht 1983 klargestellt hatte, dass eine solche Datenbank ohne gesetzliche Grundlage verfassungswidrig ist, wurde eine gesetzliche Grundlage erst mehr als 10 Jahre später, im Jahr 1994 geschaffen.
Im AZR wird jeweils ein umfangreicher Datensatz von über 10 Millionen AusländerInnen gespeichert. Gespeichert werden nicht nur Daten zum Zweck der Identifzierung und Aktenerfassung, sondern Angaben zum gesamten Lebenslauf oder zu polizeilichen Erkenntnissen. Gespeichert werden zudem Begründungstexte von für die Person negativen, nicht aber von positiven ausländerrechtlichen Entscheidungen. Diese Daten werden allen Behörden in Deutschland zur Verfügung gestellt, allen voran neben den Ausländer- und Asylbehörden der Polizei und den deutschen Geheimdiensten. Die Betroffenen werden über die Erfassung nicht informiert. Selbst das verfassungsmäßige Recht auf Auskunft über die eigenen Daten auf Antrag wird durch hohe bürokratische Hürden hintertrieben.
Die Nutzungsmöglichkeiten - und Befugnisse zu Kontroll- und Überwachungszwecken sind dagegen fast ohne Begrenzung: Jede deutsche Behörde kann im AZR nach einer Ausländerin oder einem Ausländer per Suchvermerk-Ausschreibung fahnden lassen. Unter dem harmlosen Begriff “Gruppenauskunft” werden der Polizei und den Geheimdiensten Rasterfahndungen ermöglicht. Insbesondere die sog. Sicherheitsbehörden können den teilweise hochsensiblen Datenbestand des AZR online und ohne effektive Kontrolle abrufen und nutzen.
Mit dem AZR als zentralem Instrument, um das die Erfassungen in den Ausländerbehörden, bei der Polizei (INPOL), bei der Generalbundesanwaltschaft (Bundeszentralregister), des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl., ASYLON) und der Geheimdienste (NADIS) gruppiert sind, ist die Gruppe der Nichtdeutschen in Deutschland die am intensivsten und besterfasste und überwachte Bevölkerungsgruppe. Die im AZR gespeicherten Daten mögen im Einzelfall behördliche Entscheidungen beschleunigen; in jedem Fall ist das AZR von der Grundstruktur dazu angelegt, für die Betroffenen nachteilige Behördenentscheidungen zu treffen. Diese werden als gesellschaftliches Risiko und potenzielle Rechtsbrecher behandelt.
Wegen dieser verfassungswidrigen Diskriminierung haben neun Betroffene 1995 Verfasungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Obwohl die gesetzlich vorgesehene Diskriminierung von Millionen von Menschen weiter fortgesetzt wurde, sind diese Verfassungsbeschwerden bis heute nicht verhandelt, geschweige denn entschieden worden. Auch nach dem Regierungswechsel auf Bundesebene 1998 wurden nicht einmal im Ansatz Bestrebungen unternommen, das Maß der Kontrolle durch das AZR zurückzunehmen.
Vielmehr wird im Bundesinnenministerium weiterhin das Ziel verfolgt, den Umfang der Daten im AZR sowie die Befugnisse des Registers auszuweiten. Auch wenn sich angesichts der offenen Ausländerfeindlichkeit von Rechtsextremisten alle demokratische Parteien verbal gegen die Diskriminierung von AusländerInnen aussprechen, wird die behördlich institutionalisierte Diskriminierung dieser Menschen nicht nur akzeptiert, sondern ausgeweitet.
Der Preis wird persönlich übereicht an den Präsidenten des Bundesverwaltungsamtes (BVA) Dr. Jürgen Hensen, od. an den Abteilungsleiter III 5 des BVA - Ausländerzentralregister (AZR).
Literaturhinweis: Thilo Weichert, AZRG - Kommentar zum Ausländerzentralregistergesetz, 1998
- Änderung des Ausländerzentralregistergesetzes verfassungswidrig?08 Feb 2021Update zu BBAs