Der Regional-Preis des diesjährigen BigBrotherAwards geht an den Innensenator von Berlin Herrn Dr. Ehrhart Körting für seine mehr als fragwürdige Rechtfertigung des Einsatzes der so genannten "stillen SMS" durch die Berliner Polizei. Er hatte eingeräumt, dass die Bedenken der Datenschützer gegen eine solche Praxis erheblich seien. Man müsse sich aber entscheiden, "ob man die Täter oder die Opfer schützen" wolle (vgl. Drucksache 15/1834). Er setzt sich damit absichtsvoll über die geltende Rechtslage hinweg, die das Versenden solcher "stiller SMS" zur Ortung von Tatverdächtigen eben nicht vorsieht.
Der Regional-Preis des diesjährigen BBA geht an den Innensenator von Berlin, Herrn Dr. Ehrhart Körting. Er wird ausgezeichnet für seine Rechtfertigung des Einsatzes der so genannten "stillen SMS" durch die Berliner Polizei. Er hatte eingeräumt, dass die Bedenken der Datenschützer gegen eine solche Praxis erheblich seien. Man müsse sich aber - so ist es einer Drucksache des Abgeordnetenhauses von Berlin zu entnehmen - entscheiden, "ob man die Täter oder die Opfer schützen" wolle (vgl. Drucksache 15/1834). Er setzt sich damit absichtsvoll über die geltende Rechtslage hinweg, die das Versenden solcher "stiller SMS" zur Ortung von Tatverdächtigen eben nicht vorsieht.
Bei der Ortung von Verdächtigen macht die Polizei sich den Umstand zunutze, dass ein Mobilfunkgerät - technisch bedingt - bei jedem Kommunikationsvorgang jeweils (bis auf 50 Meter genau) den Standort des Handy-Nutzers verrät. Die Polizei sendet deshalb eine SMS ohne Textbotschaft an den Betroffenen. Gegenüber dem Funknetz verhält sich das Handy wie bei einer normalen SMS auch, jedoch zeigt es den Erhalt der Botschaft nicht an. Auch ertönt der sonst übliche Signalton nicht. Dennoch entstehen auf diese Weise aktuelle Verbindungsdaten, die die Polizei zur Ortung von Verdächtigen nutzen kann. Möglich ist dieses Verfahren - das sog. "Pingen" - durch eine bisher vom BGS genutzte Software. In Baden-Württemberg ist dieses Verfahren selbst bei Unfallflucht schon angewendet worden.
Zweifelhafterweise wurde das Verfahren in Berlin jeweils mit richterlicher Anordnung durchgeführt. Die Frage nach der Rechtsgrundlage ist damit freilich noch nicht beantwortet.
Der Ausspruch des Berliner Innensenators berührt einen rechtsstaatlich existenziell wichtigen Punkt, nämlich das Verhältnis von vollziehender und gesetzgebender Gewalt bei der Schaffung neuer Eingriffsbefugnisse. Dies ist der hier herauszustellende Punkt. Dass die "stillen SMS" im Übrigen weiter an dem ohnehin arg malträtierten Telekommunikationsgeheimnis (TK-Geheimnis) nagen, soll hier nicht vertieft werden. Immerhin so viel: Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Kühling bezeichnet das entsprechende Grundrecht aus Artikel 10 des Grundgesetzes im Grundrechte-Report 2003 bereits als "Totalverlust".
Was rechtfertigt aber nun die Verleihung an Dr. Körting? Es ist dies vor allem die Missachtung des Rechts und seiner ihm innewohnenden Restriktionen staatlicher Eingriffe in die Rechte der Bürger.
Das Versenden dieser "Stillen SMS" stellt einen Eingriff in das TK-Geheimnis aus Art. 10 I GG dar. Dieses schützt nicht nur die unmittelbare Kommunikation, sondern auch die Kommunikationsbereitschaft. Die Privatheit des Gedankenaustausches ist auch dann schon gefährdet, wenn die Menschen davon ausgehen müssen, dass ihr angeschaltetes aber nicht benutztes Handy zum Anknüpfungspunkt von unbemerkten Überwachungsmaßnahmen werden kann. Für Eingriffe in das TK-Geheimnis bedarf es demnach einer bereichsspezifischen, klaren Rechtsgrundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Ermächtigung für die Bürger erkennbar ergibt.
Ein solches Gesetz existiert offensichtlich nicht, was offenbar auch vom Preisträger anerkannt wird. Die Brücke vom nicht bestehenden Gesetz zur dennoch praktizierten Maßnahme der Berliner Polizei schlägt der Innensenator durch die hinlänglich berüchtigte Formel vom Datenschutz, der nicht zum Tatenschutz werden dürfe. Jedoch: Nur ein Datenschutz, der den Zugriff auf die Daten der Bürger eben nicht schrankenlos freigibt, verdient im Rechtsstaat seinen Namen. So gesehen handelt es sich zum Beispiel bei der Strafprozessordnung insgesamt um ein Regelungswerk, das die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden dadurch behindert, dass es eben nicht jegliche Ermittlungsmaßnahme, die Erfolg versprechend erscheint, gestattet. Die Maxime, wonach der Zweck die Mittel heiligt, ist dem Rechtsstaat fremd.
Nun könnte der Gesetzgeber sein möglicherweise gewecktes, schlechtes Gewissen zwar dadurch besänftigen, dass er die entsprechende Maßnahme nachträglich legalisiert. Aber würde dadurch nicht ein demokratischer Meinungsbildungsprozess durch die (polizeiliche) Macht des Faktischen ersetzt?
Dass diese und ähnliche Fragen im Raume stehen, dafür gebührt dem jetzigen Innensenator von Berlin der Regional-Preis des diesjährigen Big-Brother-Award.
Herzlichen Glückwunsch, Herr Dr. Körting.