Mobilität (2020)

Tesla

Tesla, vertreten durch die Tesla Germany GmbH, München, erhält den BigBrotherAward 2020 in der Kategorie „Mobilität“ dafür, dass sie Autos verkaufen, die ihre Insassen und die Umgebung des Autos umfassend und langfristig überwachen. Die erhobenen Daten werden permanent ausgewertet und können für beliebige Zwecke weiter genutzt werden.
Laudator.in:
Dr. Thilo Weichert am Redner.innepult der BigBrotherAwards 2021.
Dr. Thilo Weichert, DVD, Netzwerk Datenschutzexpertise

Den BigBrotherAward 2020 in der Kategorie „Mobilität“ erhält die Firma Tesla Inc., vertreten durch die Tesla Germany GmbH in München.

Nein, nicht für das Abholzen eines Forstes in Brandenburg, um eine neue Fabrik zu bauen, und auch nicht für die Unfälle wegen unaufmerksamer Fahrerinnen und Fahrer, die zu sehr auf die Tesla-Assistenzsysteme vertrauten.

Die Firma Tesla erhält den BigBrotherAward dafür, dass sie Autos verkauft, die ihre Insassen und die Umgebung des Autos umfassend und langfristig überwachen. Die erhobenen Daten werden permanent ausgewertet und können für beliebige Zwecke weiter genutzt werden.

Der Autohersteller Tesla findet für seine Elektroautos viel Anerkennung. Für viele Reiche und Ökos haben die Autos Kultstatus. Dass es sich dabei um Überwachungsanlagen auf vier Rädern handelt, spielt dabei offenbar keine Rolle. Die hippen Autos aus Kalifornien haben Sensoren für praktisch alles, was mit dem, in dem und um das Auto herum passiert.

Die Datenschutzerklärung

Um diese Überwachungsorgie zu legitimieren, beruft sich Tesla in den allgemeinen Geschäftsbedingungen – den AGB – auf eine Einwilligung, auf den Kaufvertrag, auf berechtigte Interessen, ohne sich im Detail näher festzulegen.1

In den AGB wird dem Kunden mitgeteilt, was das Unternehmen alles – ich zitiere – „möglicherweise auf unterschiedlichen Wegen“ erfasst, u.a. bei „digitalen Dienstleistungen“, „aus anderen Quellen“, dem „Tesla-Konto“, „Offline“, „über Ihren Browser oder Ihr Gerät“.

Bzgl. der Erfassung „über Ihr Tesla-Fahrzeug“ erhebt die Firma den Anspruch, „Telematikprotokolldaten“, „Fernanalysedaten“, „weitere Fahrzeugdaten“, die „Wartungshistorie“ sowie „Informationen über Ladestationen“, als „erweiterte Funktionen“ „Navigationsdaten“ sowie „kurze Videoaufnahmen von den Außenkameras des Fahrzeugs“2 zu erfassen.

Welche Sensordaten an Tesla übermittelt und gespeichert werden und welche im Auto bleiben und überschrieben werden, bleibt unklar. Die Rechte, die sich die Firma von Elon Musk in den AGB einräumen lässt, sind quasi unbegrenzt. Im Sinne des Verbraucherschutzes muss angenommen werden, dass sie alles, was sie in den AGB erklärt, auch zu tun gedenkt. Zitat:

„Mit der Nutzung unserer Produkte oder Dienstleistungen … erklären Sie sich mit der Übermittlung von Informationen von Ihnen, über Sie oder über Ihre Nutzung … in Länder außerhalb Ihres Wohnsitzlandes, einschließlich der USA, einverstanden.“

Wer so viel Datenverarbeitung nicht will, kann widersprechen, online, per E-Mail oder Post an eine Adresse – in den USA. Doch davon rät Tesla im nächsten Atemzug auch gleich wieder ab. Die Firma schreibt:

„Dies kann dazu führen, dass bei Ihrem Fahrzeug eine lediglich eingeschränkte Funktionalität, ernsthafte Schäden oder Funktionsunfähigkeit eintreten.“3

Ein Hoch auf die Freiwilligkeit!

Rundum-Überwachung

Eine zentrale Funktion der Tesla-Autos ist die Video- und Ultraschallüberwachung sowohl im Fahr- als auch im Parkmodus:

„Acht Kameras gewähren eine 360-Grad-Rundumüberwachung der Fahrzeugumgebung in bis zu 250 Meter Entfernung. Ergänzt werden sie durch zwölf aktualisierte Ultraschallsensoren.“4

Diese Sensoren dienen der Fahrerassistenz und der „Autopilot“-Funktion, also dem halbautonomen Fahren. Sie dienen auch als Ergänzung der Dashcams, um bei Unfällen im Nachhinein Informationen auszulesen. Unabhängig von einem Unfall lassen sich per Knopfdruck jeweils die letzten 10 Minuten abspeichern. Und über die USB-Schnittstelle können die einlaufenden Daten dauernd ausgelesen und ausgewertet werden.

Schaltet man die Kameras in den seit 2019 verfügbaren „Wächtermodus“, den „Sentry-Mode“, erfassen sie zudem dauernd die Umgebung. Bemerkt eine Kamera eine auffällige Bewegung, leuchtet auf dem Bildschirm ein roter Punkt auf und es erfolgt eine Aufzeichnung. Dafür genügt es, dass eine Person nahe am Auto vorbeigeht oder ein anderes Auto nahe vorbeifährt. Auf Youtube können Hunderte solcher Clips besichtigt werden. Bei einer Erschütterung oder einem Eindringen ins Fahrzeug wird auf einem Smartphone Alarm geschlagen und auf Wunsch dreht vor Ort die Stereoanlage automatisch voll auf.5

Nummernschild-Erfassung und Gesichtserkennung – alles ist möglich

Was mit der Technik möglich ist, zeigte der Sicherheitsforscher Truman Kain, der mit wenig Aufwand einen „Surveillance Detection Scout“ bastelte, einen Minicomputer, den er mit der USB-Schnittstelle von Tesla-Fahrzeugen verbunden hat. Damit konnte er sämtliche Kameras im laufenden Betrieb auswerten, Kfz-Kennzeichen erfassen und sogar Gesichtserkennung durchführen. Registriert der Scout z.B. wiederholt das gleiche Kennzeichen, so sendet er automatisch eine Benachrichtigung an das Handy des Halters sowie auf den Autobildschirm: „Ein Auto verfolgt dich“.6

Musks Überwachungsphantasien

Eine weitere Kamera befindet sich beim Tesla Model 3 und Y im Innenraum, oberhalb des zentralen Rückspiegels. Sie ist auf die Fahrzeuginsassen gerichtet. Der Tesla-Chef Elon Musk rechtfertigte in einem Video diese Kamera damit, dass seine Autos für Fahrtenvermittlungen oder als selbstfahrende Taxis genutzt werden sollen. Über die Innenkamera könnten Dritte bei Beschädigungen und Verschmutzungen zur Verantwortung gezogen werden.7

Musk ist damit längst nicht am Ende seiner Überwachungsphantasien. Per Twitter teilte er mit, untermalt von Musik, dass seine Firma an einem Feature arbeitet, das Tesla-Modelle mit Passanten sprechen lässt. In einem Video spricht dann ein „Model 3“ einen Fußgänger an: „Steh nicht nur herum und starr mich an – steig ein.“ Musk erklärt dazu: „Teslas werden bald mit Menschen sprechen, wenn ihr das wollt. Das ist real.“8 Nicht mehr lange, und diese geparkten Autos mischen sich ungebeten in Gespräche ein, wenn wir uns bei einem Spaziergang in Ruhe unterhalten wollen.

Tesla und die DSGVO

Tesla erwähnt die seit Mai 2018 in Europa geltende Datenschutzgrundverordnung – DSGVO – mit keinem Wort. Die AGB sind teilweise nur über mehrere Klicks abrufbar, enthalten keine Datumsangabe, können jederzeit einseitig geändert werden, was auch passiert, und sie berufen sich für die Übermittlung in die USA auf das Privacy Shield9, das kürzlich vom Europäischen Gerichtshof für ungültig erklärt wurde.10

Also verstößt schon der Normalbetrieb von Teslas gegen die DSGVO. Von einer Datenschutz-Information in „präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache“ über die Verarbeitung, so wie die DSGVO es fordert11, kann keine Rede sein.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Pseudo-Zustimmung wird vom Eigentümer des Autos, also zumeist dem Halter oder der Halterin, eingeholt. Erfasst werden aber vorrangig die Daten der Fahrerinnen und Fahrer oder der Mitfahrenden, die mit dem Halter nicht identisch sein müssen.

Ein absolutes No-Go nach europäischem Datenschutzrecht ist auch die Dauererfassung der Autoumgebung, also des öffentlichen Raums. Wenn Menschen gefilmt und aufgezeichnet werden, die nur an einem Auto vorbei gehen, ohne dass sie sich konkret verdächtig machen, ist dies klassische illegale Vorratsdatenspeicherung. Im öffentlichen Raum rund um einen Tesla werden wir erfasst, verfolgt, gefilmt, und möglicherweise identifiziert, je nachdem, welche Technik im Auto gerade aktiv ist. Wir wissen nicht, was davon das Auto gerade tut. Ebenso ist die für die Betroffenen nicht erkennbare Video-Erfassung des Innenraums, die in bestimmten Modellen möglich ist, unzulässig.12

Fazit

Für uns ist offensichtlich: Die Tesla-Autos sind schlicht und einfach unzulässig. Wer einen Tesla kauft – es gab 2019 alleine 10.000 Neuzulassungen in Deutschland – müsste zunächst viele Dienste deaktivieren, um die DSGVO einzuhalten.13 Ohne Datenschutzbelehrung dürfte er niemanden ans Steuer lassen und niemanden mitfahren lassen. Tesla ist damit ein Fall für die – zweifellos total überforderten – Datenschutzbehörden.

Wir haben nichts gegen Kfz-Assistenzsysteme, auch nichts gegen halbautomatisiertes Fahren. Dafür sind Sensoren und sog. künstliche Intelligenz nötig. Aber diese Daten können und müssen aus Datenschutzsicht weitgehend im Auto bleiben. Eine Datenweitergabe und eine externe Speicherung muss auf definierte Situationen, z.B. auf das Auslösen des Airbags, beschränkt werden. Teslas dagegen sind eine dauernd aktive Datenschleuder mit Langzeitgedächtnis.

Wenn wir Tesla heute mit einem BigBrotherAward auszeichnen, sollten deutsche oder europäische Hersteller das nicht als Freibrief für ihre Kfz-Automatisierung ansehen. Im Gegenteil: Auch deren Angebot stinkt datenschutzrechtlich in vieler Hinsicht zum Himmel. Dazu vielleicht bei nächster Gelegenheit mehr.

Besonders stinkt es aber bei Tesla. Deshalb:

Herzlichen Glückwunsch zum BigBrotherAward 2020 in der Kategorie „Mobilität“, Tesla Germany GmbH.

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Updates zu diesem Preisträger

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Dr. Thilo Weichert am Redner.innepult der BigBrotherAwards 2021.
Dr. Thilo Weichert, DVD, Netzwerk Datenschutzexpertise

Über die BigBrotherAwards

Spannend, unterhaltsam und gut verständlich wird dieser Datenschutz-Negativpreis an Firmen, Organisationen und Politiker.innen verliehen. Die BigBrotherAwards prämieren Datensünder in Wirtschaft und Politik und wurden deshalb von Le Monde „Oscars für Datenkraken“ genannt.

Ausgerichtet von (unter anderem):

BigBrother Awards International (Logo)

BigBrotherAwards International

Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden fragwürdige Praktiken mit diesen Preisen ausgezeichnet.