Der BigBrotherAward in der Kategorie Technik geht an die Firma Canon Deutschland GmbH für das Einbetten einer unsichtbaren weltweit einmaligen Geräte-Kennung in sämtliche Farbkopien, um bei jeder Kopie nachvollziehen zu können, welches Gerät benutzt wurde.
Canon verwendet dieses Verfahren seit einigen Jahren, Gerüchte über die Funktionsweise kursieren im Internet seit längerer Zeit. Nun hat die Big Brother Award Jury konkrete Beweise für die Existenz dieser Technologie vorliegen: Mit einem unsichtbaren Code, der auf jede Farbkopie gedruckt wird, ist es möglich, diese Kopie zu dem Gerät zurück zu verfolgen, mit dem sie hergestellt wurde.
Auf jedes durch einen Kopierer gelaufene Blatt wird in einem von Canon geheimgehaltenen Verfahren, ohne technische Hilfmittel nicht sichtbar die individuelle Seriennummer des Gerätes aufgedruckt. Canon kann z.B. im Auftrag von staatlichen Stellen die Spur einer Fotokopie zu dem einzelnen Gerät zurückverfolgen, denn durch Serviceverträge oder Registrierung der Geräte sind die Standorte dem Hersteller bekannt.
Tauchen z.B. kopierte Ausweispapiere oder Geldscheine auf, können z.B. Behörden so gezielt einen Copy-Shop unter die Lupe nehmen. Aus "ermittlungstaktischen Gründen" wird eine solche Maßnahme sicherlich nicht als erstes mit dem betroffenen Kopierer-Besitzer abgesprochen werden. Der Copy-Shop wird also vielleicht überwacht oder durchsucht, der Besitzer des Ladens wahrscheinlich verpflichtet werden, seine Kunden "besser ins Visier" zu nehmen.
Leider hat Canon vergessen, einen entsprechenden Hinweis auf den Geräten anzubringen. Der Kunde wird über diese Datenspur auf der Kopie nicht informiert - nicht einmal der Käufer des Gerätes. Auch in der Anleitung für den Benutzer befindet sich kein Hinweis darauf. Deshalb will die BigBrotherAward-Jury mit diesem Technik-Award darauf öffentlich aufmerksam machen.
Was für die Strafverfolgung noch gerechtfertigt erscheinen mag, ist eine Gefahr für die Informationsfreiheit: Wer wird sich noch trauen, Bestechungsskandale aufzudecken und entsprechende Beweise z.B. an die Presse weiter zu reichen, wenn er weiß, dass die Anonymität einer Kopie nicht mehr gewährleistet ist, sondern dass z.B. sein Arbeitgeber als Besitzer des Gerätes ein Dokument bis in eine bestimmte Abteilung, ein bestimmtes Büro zurück verfolgen kann? Mitarbeiter von Copy-Shops haben bestätigt, dass es in der Vergangenheit konkrete Anfragen von Ermittlungsbehörden gab.
Dieser Technik-Award 2004 wird auch für einen Trend vergeben: Das Regiment der Technik über menschliche Entscheidungen. Der aufkopierte Code ist nämlich nicht die einzige technische Raffinesse, die heutige Kopierer, Bildbearbeitungsprogramme und Farbdrucker aufweisen. Mustererkennung soll die Vervielfältigung geschützter Dokumente unterbinden - der Drucker entscheidet eigenständig, Dokumente nicht mehr auszudrucken und liefert stattdessen eine Fehlermeldung. Bisher sind davon Wert-Dokumente wie Geld oder Aktien betroffen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in Zukunft auch Systeme zur Verfolgung von Urheberrechtsverstößen weiter entwickelt werden.
Das heißt, Nutzer dieser Geräte können keine Kopien mehr erstellen, ohne durch die Technik bespitzelt und gegängelt zu werden. Der Kopierer, Drucker oder Scanner passen auf, dass nichts "Unerlaubtes" vervielfältigt wird. Und die Kopien werden registriert.
Was heißt das zum Beispiel für Demo-Aufrufe? Oder Dokumente, die der Urheber lieber nicht vervielfältigt haben möchte, weil sie z.B. Bestechung aufdecken könnten?
Die Wege eines Kunden sind rückverfolgbar - darin sieht die BigBrotherAward-Jury eine Verletzung der Privatsphäre und ein Risiko für die Besitzer der Kopiergeräte, unschuldig ins Visier von Fahndern zu geraten.
Herzlichen Glückwunsch, Firma Canon Deutschland.
- Druckerzeugnisse immer noch zurückverfolgbar23.12.2020Update zu BBAs