Wirtschaft (2013)

Deutsche Post Adress

Der BigBrotherAward 2013 in der Kategorie Wirtschaft geht an die Deutsche Post Adress GmbH und Co KG. In tausenden Postfilialen und im Internet geben jährlich Millionen Menschen in Deutschland Ihre Adress- und Umzugsdaten an. Diese bilden den Grundstock für die ständige Aktualität des Adressdatenbestands der Deutschen Post Adress GmbH und Co KG. Und die verkauft ihre landesweite Ortskenntnis an zahlende Kund.innen weiter. Wer keinen Nachsendeantrag stellt, dem ist die Adressenrecherche der Preisträgerin trotzdem auf den Fersen, wenn es der werbenden Wirtschaft oder dem Forderungseinzug dient, notfalls sogar bis ans eigene Telefon.
Laudator.in:
Sönke Hilbrans am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2012.
Sönke Hilbrans, Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD)

Der BigBrotherAward 2013 in der Kategorie Wirtschaft geht an die Deutsche Post Adress GmbH & Co. KG, vertreten durch ihre Geschäftsführer Herrn Josef Gatzek und Dr. Frank Schlein, für den Aufbau der wohl mächtigsten Adressdatenbankfamilie in Deutschland.

Unsere Preisträgerin ist die Tochter einer berühmten Mutter, der guten alten gelben Post – heute bekannt als Deutsche Post AG. Sie hält sich unbescheiden selbst für eine ganz starke Marke im so genannten Adressmanagement. Und das nicht ohne Grund. Denn sie ist Gebieterin über eine Datenbasis, die es in sich hat: Mehr als acht Millionen Menschen wechseln jährlich in Deutschland die Postadresse, und etwa vier Millionen davon erteilen der Deutschen Post einen Nachsendeauftrag. Dabei erklären sich die meisten damit einverstanden, dass ihre neue Adresse an Dritte, welche die alte Adresse bereits hatten, weitergegeben wird – wenn sie sich nicht ausdrücklich gegen diese Einwilligung aussprechen.

Mit diesen Angaben füttert die Deutsche Post Adress GmbH & Co KG die Datenbank „Postadress Move“, welche die Preisträgerin … entschuldigen Sie das hässliche Wort: vermarktet. „Selbst schuld“, werden Sie jetzt vielleicht denken, weil Sie immer gut auf Ihre Daten aufpassen, niemals einen Nachsendeauftrag erteilen würden und immer alles Kleingedruckte lesen, damit sie der Weitergabe Ihrer Adresse ausdrücklich widersprechen können. Und Sie fühlen sich sicher dabei. Aber: Auch wer keinen Nachsendeauftrag erteilt hat, ist damit unserer Preisträgerin nicht entkommen: Ca. 1,2 Millionen weitere Umzugsadressen landen trotzdem in der Postadress Datenbank, etwa weil sie bei anderer Gelegenheit einem Mitglied der Familie der Deutschen Post mitgeteilt wurden oder in öffentlichen Verzeichnissen oder Melderegistern erscheinen. Solche wertet unsere Preisträgerin nämlich auch aus.

So kommt ganz schön was zusammen: Ca. neun Millionen Umzugsdaten aus den letzten 24 Monaten stehen mit dem Angebot „Postadress Move“ zur Verfügung, um die Adressdatenbestände der Wirtschaft auf dem Laufenden zu halten. Gegen Entgelt, versteht sich. Für einen Aufpreis können Sie Ihre Adressdaten bei einer Tochter unserer Preisträgerin noch mit über fünf Millionen zusätzlichen Umzugsadressen aus früheren Jahren abgleichen (Angebot „moversPLUS“). Unsere Preisträgerin bietet Ihnen zusätzlich an, von Bestattungsunternehmern angelieferte oder sogar selbst von Hand ausgegrabene Adressen Verstorbener und andere unzustellbare Adressen aus Ihrem Adressbuch zu tilgen (Angebot „Postadress Clean“). Kurz: Für jedes Anliegen hat unsere Preisträgerin das passende Angebot, von der Einwohnermelderegisterabfrage bis zur komplexen Adressenrecherche im früheren Wohnumfeld (Produktpalette „Adress Research“). Müssen wir da noch erwähnen, dass den Problemfällen gegen Bezahlung notfalls sogar hinterher telefoniert wird, mit Erfolgsgarantie?

Eine andere Tochter unserer Post bietet dann das Finish an und liefert Adressdatenentrümpelung, mit Telefon- Fax- und Mobilfunknummern aufpolierte Datenbanken, eine sozio-ökonomische Bewertung des Wohnumfeldes und dazu noch ein Produkt zur Bestimmung von adressbezogenen Zahlungsausfallrisiken.

Haben wir nicht bereits im Jahre 2001 einen BigBrotherAward für die Bildung von Scoring-Werten aus Daten über Wohnumfeld und Nachbarschaft vergeben? Wir malen hier nicht mehr als nötig schwarz: Es ist die Direktmarketing-Abteilung der gelben Post, die sich rühmt 19 Millionen Gebäude, 34 Millionen Haushalte und ca. 1 Milliarde sonstiger Zusatzdaten erfasst zu haben, sich der Ortskenntnisse von 80 000 Zustellerinnen und Zustellern bedienen zu können und so eine Datenbank zu füttern, welche über Altersstruktur, Familienformen, Kaufkraft, Gebäudedaten, Konsumvorlieben und das Verhalten im Versandhandel exzellent Bescheid weiß.

Ihr Postbote als Auge und Ohr eines Scoring-Dienstleisters? Das haben Sie sich Sie sicherlich auch nicht gefragt, als sie korrekte Angaben in ihrem Nachsendeauftrag gemacht haben, oder?

Beschleicht Sie auch langsam das Gefühl, dass hier eine Jagd stattfindet, nach den aktuellsten Adressen, ja nach dem Konsumenten an sich? Am Anfang unserer Betrachtungen haben wir noch von einem freundlichen Nachsendeservice gesprochen, von starken Müttern und großen Marken geschwärmt und von der Einwilligung in die Nutzung von Adressen für die Aktualisierung von Daten bei den Absendern erzählt. Fächert man aber die Angebote unter dem Dach der Deutschen Post AG beim Thema Adressenservice weiter auf, so eröffnet sich ein Universum, das auch Sie wohl nicht mehr freiwillig betreten würden: Langzeit-Beobachtungen, Wohnumfeld-Recherche, Telefonrecherche, „proaktive“ Adressaktualisierung und Telefonnummern-Anreicherung, alles aus einer Hand. Eine schrecklich nette Familie, diese Posttöchter. Hände hoch, Widerstand ist zwecklos!

Liebe Verbraucherin, lieber Verbraucher, Sie wollen umziehen, mal aussteigen, einfach verschwinden? Oder einfach bloß nichts weiter, als nur ihre Post nachgesandt bekommen? Machen sie sich nichts vor: Sie werden gefunden.

Herzlichen Glückwunsch zum BigBrotherAward 2013 in der Kategorie Wirtschaft, liebe Deutsche Post Adress GmbH und Co. KG, Kopfgeldjägerin der Kundenadressen.

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Laudator.in

Sönke Hilbrans am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2012.
Sönke Hilbrans, Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD)

Über die BigBrotherAwards

Spannend, unterhaltsam und gut verständlich wird dieser Datenschutz-Negativpreis an Firmen, Organisationen und Politiker.innen verliehen. Die BigBrotherAwards prämieren Datensünder in Wirtschaft und Politik und wurden deshalb von Le Monde „Oscars für Datenkraken“ genannt.

Ausgerichtet von (unter anderem):

BigBrother Awards International (Logo)

BigBrotherAwards International

Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden fragwürdige Praktiken mit diesen Preisen ausgezeichnet.