Bürokratieabbau

Bürokratieabbau ist ein vergifteter Begriff. Er suggeriert, dass etwas für Bürger.innen einfacher wird. Tatsächlich aber geht es oft um Deregulierung und den Abbau von Gesetzen, die Verbraucher.innen schützen. Große US-Tech-Konzerne wollen die europäische Digitalgesetzgebung am liebsten komplett kippen. Die EU-Kommission und die deutsche Bundesregierung machen sich mitschuldig, wenn sie die Digitalgesetzgebung zur Verhandlungsmasse bei einem Deal um Strafzölle machen.
Laudator.in:
Rena Tangens am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
Rena Tangens, Digitalcourage
Eine Europakarte, darüber das Wort „Bürokratieabbau“ in ungewöhnlicher Silbentrennung: Bür, ok, rat, iea, bba, u.

Diese Laudatio ist in der Kategorie „Was mich wirklich wütend macht“.

Bürokratie. Bürokratie nervt!
Bürokratie – was für eine Zumutung für uns intelligente, freiheitsliebende, unternehmungsfreudige und bis dahin sanftmütige Menschen!
Kaum wollen wir etwas unternehmen, stellt sich uns die Bürokratie in den Weg. Und packt ihr ganzes Arsenal an Hindernissen aus: Formulare, nie zuvor gehörte Paragraphen, unverständliche Formulierungen, Kleingedrucktes, Fristen.

Alle sind gegen Bürokratie. Jede und jeder kann dazu Geschichten erzählen. Mit kaum etwas ist es einfacher, Beifall zu bekommen, als mit dem Abhassen auf Bürokratie.

Aber wir sind ja nicht hier, um es uns einfach zu machen. Nein, dieser BigBrotherAward geht nicht an die Bürokratie. Der BigBrotherAward 2025 in der Kategorie „Was mich wirklich wütend macht“ geht an den

„Bürokratieabbau“

als Vorwand für etwas ganz anderes.

Ja, „Bürokratieabbau“ finden alle gut. Deshalb steht das Ziel „Bürokratieabbau“ im Programm quasi jeder Partei. Besonders engagiert beim Kampf gegen die Bürokratie sind Wirtschaftsunternehmen. Und ihre Vorfeldorganisationen wie die Lobbyisten von der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“1. Die kriegen sich gar nicht wieder ein vor Eifer. Zumindest solange, wie es um staatliche Bürokratie geht.

Aber ist Bürokratie ist wirklich per se eine staatliche Angelegenheit? Dann versuchen Sie mal, bei einem großen Konzern jemanden ans Telefon zu bekommen.

Sobald es um ein Problem geht, wenn Sie Service brauchen, eine Frage haben, eine Beschwerde loswerden, ein Abo kündigen, eine Reparatur oder eine Rückerstattung haben wollen, wird jeder sinnvolle Kontakt planvoll erschwert und Sie werden durch kunstvoll orchestrierte Ermüdungsparcours geschickt.

Um Amazon Prime oder Facebook zu kündigen, muss man sich durch komplizierte Navigationsmenüs durchklicken. Wo es Callcenter gibt, ist ihren Agenten oft explizit verboten, uns mit dem richtigen Sachbearbeiter zu verbinden2. Google hat vorsichtshalber für viele Dienste erst gar keine Kontaktmöglichkeit.

Was mich wirklich wütend macht: Diese Heuchelei! Denn was bitte ist das anderes als Bürokratie?

Wenn Wirtschaftsvertreter aber „Bürokratieabbau“ fordern, meinen sie in der Regel nicht, dass Bürger es einfacher haben sollen, sondern ihr Unternehmen. Sie selber wollen ungehemmt von Vorschriften und Gesetzen agieren. „Bürokratieabbau“ ist oft ein Vorwand – meist geht es um „Deregulierung“, den Abbau von Regeln.

„Deregulierung“ heißt im Klartext: Weg mit Verbraucherrechten, Datenschutz, Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten, Pressefreiheit, Gesetzen für fairen Wettbewerb und anderem lästigen Kram. Big Tech will Freiheit nur für sich selbst. Und da geht ihnen die EU mächtig auf die Nerven, denn wenn man in Europa Business machen will, gibt es Regeln, die für alle gelten. Als da wären: Die europäische Datenschutzgrundverordnung, Digital Services Act, Digital Markets Act, AI Act und Data Act.

Das Narrativ mit dem Bürokratieabbau ist nicht neu. Aber neu ist die globale politische Situation, in der die Deregulierung jetzt durchgedrückt werden soll. Insbesondere können wir gerade live miterleben, wie in den USA ein Staatsstreich im Gange ist: Das Recht wird mit Füßen getreten, der Congress entmachtet, kompetente Menschen in Behörden werden durch gewissenlose Opportunisten ersetzt. Günstlingswirtschaft, offene Korruption, völlig unverhohlen – der Aufbau eines autoritären Mafia-Staates. Es ist atemberaubend, wie schnell die Silicon Valley Bosse sich mit vorauseilendem Gehorsam an den US-Präsidenten rangeschmissen haben und ihm huldigen. So wird für alle Welt sichtbar: Big Tech baut ab jetzt auf die Macht ihres Paten im Weißen Haus.

Diese Allianz aus Big Tech und einem mafiösen US-Präsidenten ist auch für uns brandgefährlich! Sie baut ein Imperium3 mit Zugriff auf Software, Plattformen und Informationsströme weltweit – kombiniert mit Chaos, Willkür und Erpressung. Das bedroht unseren Lebensnerv.

Zur Erinnerung: Die meisten Firmen und Behörden in Deutschland nutzen immer noch Microsoft, Google, Amazon und x andere digitale Dienste aus den USA. Damit setzen sie sich zum einen der Überwachung der US-Geheimdienste aus – denn jedes US-Unternehmen muss Daten von Nicht-US-Bürgern jederzeit an die Gehiemdienste weitergeben – FISA Act, Cloud Act und Patriot Act verpflichten sie dazu. Und zum zweiten riskieren sie, dass ihre technische Abhängigkeit in Sachen IT knallhart als politisches Druckmittel ausgenutzt wird. („Wäre doch schade, wenn Ihr Microsoft-Server ausfallen oder Ihren Daten in der Amazon-Cloud etwas zustoßen würde, oder?“). Dänemark traut sich derzeit nicht mehr, gegen Übergriffe wie US-Agenten in Grönland oder die willkürliche Schließung des Windkraftprojektes einer dänischen Firma in den USA zu protestieren. Denn Dänemarks Verwaltung ist voll durchdigitalisiert mit US-Software – und in Kopenhagen kann man sich mittlerweile alles vorstellen.4

Klar: Wer wie Big Tech sein Geschäftsmodell auf Werbung, Manipulation und Überwachung aufgebaut hat, findet Datenschutz natürlich lästig. Wer mit seinen Social Media Plattformen an der Verbreitung von Hass, Lügen und Falschinformationen verdient, weil die besonders viel Aufmerksamkeit und damit Werbekohle bringen, ist natürlich gegen den Digital Services Act, weil der eine Offenlegung der Algorithmen ermöglicht. Wer ein Monopol behalten und ausbeuten will, hasst den Digital Markets Act, denn dieses Gesetz fördert Wettbewerb und freie Märkte5. Diese Gesetze sind alles andere als perfekt, aber sie schaffen eine Rechtsgrundlage und schützen Verbraucher.innen und die europäische Wirtschaft vor Willkür und dem Recht des Stärkeren. Big Tech findet, dass genau das das Problem ist.

Ich übersetze das mal: US-Konzerne so: „Her mit allen persönlichen Daten! Ihr sollt keine Plattformen neben uns haben. All eure Daten, Lebensäußerungen und kreativen Werke, die wir irgendwo finden, sind herrenloses Strandgut und gehören jetzt uns. Unsere KI ist hungrig. Was wir damit machen, geht euch nix an. Widerstand ist zwecklos. Datenschutz ist Diebstahl am Konzerneigentum.“

Das ist Räuberei!6

Und wenn dabei Gerichte oder die EU Einhalt gebieten wollen, wie gerade bei dem Bußgeld für Google, dann tritt sofort der Pate aus dem Weißen Haus in Aktion, und droht wieder mit Strafzöllen. Das ist (versuchte) Erpressung.

Was tun bei Erpressung?

Der Ratschlag von Experten bei Polizei, Handelskammern und Detekteien an Betroffene von Erpressung ist sehr klar:

1. Nein sagen. Niemals zahlen. Wer sich auf Erpressung einlässt und zahlt, wird immer weiter erpresst werden.

2. Den Gegenstand der Erpressung unschädlich machen. Nehmen Sie dem Erpresser seinen Hebel.

Was heißt das für die EU?

1. Die Digital-Gesetze durchsetzen! Keine Ausnahmen für US-Konzerne machen.

2. Raus aus der Abhängigkeit, digitale Souveränität in Europa verwirklichen, die Zusammenarbeit mit Google, Amazon, Microsoft & Co. schnellstmöglich beenden.

„Digitale Souveränität“ wird seit Jahren immer wieder angekündigt. Aber nichts passiert! Das kotzt mich an!

Wir brauchen eine „Digitale Zeitenwende“7, schreibt IT-Sicherheitsexperte Manuel Atug, Gründer der AG Kritis (AG Kritische Infrastruktur). Zitat: „Von autoritären USA müssen wir annehmen, dass sie uns aktiv schaden wollen. (…) Die Erfahrungen der vergangenen Wochen lehren: Wir sollten vom Schlimmsten ausgehen. (…) Die technologische und informationelle Abhängigkeit von den USA war vorher nur ein theoretisches Sicherheitsrisiko. Nun ist sie real geworden.“

Und hat sich diese Erkenntnis jetzt auch bei der Bundesregierung durchgesetzt? Ich habe Zweifel. Der Digitalgipfel der Bundesregierung fällt dieses Jahr offenbar aus. Bei der gerade stattgefundenen Konferenz „Smart Country Convention“, ausgerichtet vom deutschen IT-Branchenverband Bitkom8, gab es einen Talk mit dem Titel „Deutschlands digitale Zeitenwende“. Das klingt doch vielversprechend. Aber jetzt raten Sie mal, wer diesen Talk gehalten hat? Eine Mitarbeiterin von Microsoft! Leute, so funktioniert das nicht mit der Unabhängigkeit!

Mafiapaten fordern Unterwerfung. Deshalb müssen seine Günstlinge ständig die lächerlichen Lügen des US-Präsidenten öffentlich wiederholen. Alle wissen, dass es Lügen sind. Wer diese öffentlich wiederholt, weiß, dass er sich mitschuldig macht. Wer seine Seele verkauft, verliert auch sein Rückgrat.

Was mich wirklich wütend macht: Die EU-Kommission, Ursula von der Leyen, Kanzler Merz und Co. machen sich mitschuldig, wenn sie sich an die Mafia im Weißen Haus anbiedern. Bei einem vertraulichen Treffen in Paris forderte US-Vizepräsident Vance offenbar die EU-Kommission auf, die europäischen Digitalgesetze für US-Konzerne auf Eis zu legen. Unklar, ob sie es tut, trotz aller Beteuerungen des Gegenteils. Wir verstehen ja, dass EU-Kommission und Bundesregierung in einer schwierigen Situation sind. Wir unterstellen ihnen keine Bösartigkeit. Aber wir sehen die Gefahr, dass sie gar nicht überblicken, was sie da tun und welchen Schaden sie anrichten. Möglicherweise glauben sie, sie könnten sich mit Deregulierung, also dem Außerkraftsetzen der Digitalgesetze von höheren Strafzöllen freikaufen. Können sie nicht. Denn das Einzige, auf was wir uns von Seiten USA verlassen können, ist die Willkür – jede Vereinbarung kann jederzeit wieder gebrochen werden.

Andere, die sonst nicht unbedingt unsere Crowd sind, haben es verstanden – quer durch die politischen Lager: Der NRW-Medienminister Liminski lehnt entschieden ab, dass die europäischen Digitalgesetze zur Verhandlungsmasse werden. Er sagt: „Wir dürfen uns in Deutschland nicht um Sandförmchen streiten, während die Big-Tech-Plattformen mit dem Bagger den ganzen Sandkasten abtragen.“ Der Deutsche Startup-Verband warnt vor den Folgen für innovative Firmen in Europa, wenn der Digital Markets Act nicht durchgesetzt wird. Die Wirtschaftswoche schreibt: „Für Europa lohnt es sich, standhaft zu bleiben: Big Tech braucht Europa. Mehrfach drohten US-Digitalkonzerne Features nicht nach Europa zu bringen – und ruderten zurück, weil der Markt zu wichtig ist. Das sollte die EU im Streit mit Trump nutzen.“

Tatsächlich könnte Europa viel selbstbewusster auftreten, denn Europa hat etwas Gewichtiges im Angebot: 450 Millionen Einwohner.innen und rund 23 Millionen Unternehmen – ein riesiger Markt, den sich weder die Tech-Konzerne noch die USA insgesamt entgehen lassen wollen.
Und wer auf diesem Markt Geschäfte machen will, muss sich an unsere europäischen Regeln halten. Punkt. Und zwar alle gleichermaßen, egal, wo die Firma ihren Sitz hat.9

Wir müssen verdammt nochmal Ernst machen mit der digitalen Souveränität! Bundesbehörden und alle wichtigen Institutionen, Schulen, Universitäten, Stadtwerke, Verbände und Firmen müssen schnellstmöglich weg von Microsoft, Google, Amazon etc. Die Umstellung der gesamten Infrastruktur wird vielleicht erstmal etwas ruckeln, aber hey: Wir schaffen das! Es gibt längst brauchbare Alternativen auf Basis freier Software. Gebt den Entwickler.innen öffentliche Aufträge, damit die Software weiterentwickelt werden kann und dem Allgemeinwohl dienen kann! Es gibt bereits Firmen und Genossenschaften, die unabhängige Plattformen und Service anbieten. Gebt ihnen Aufträge, damit sich weitere Investitionen lohnen. Wir haben Forschung, wir haben kreative Talente und wir haben innovative kleine Firmen, die sich etwas trauen. Und wir bevorzugen den Rechtsstaat vor Willkür und dem Recht des Stärkeren.

Herzlichen Glückwunsch zum BigBrotherAward, lieber „Bürokratieabbau“: Als Vorwand für Deregulierung hast du ab heute ausgedient.

Jahr

Laudator.in

Rena Tangens am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
Rena Tangens, Digitalcourage
Quellen:

1 Mehr Info zu INSM bei Lobbycontrol: Die INSM und der Deckmantel „Bürokratieabbau“ https://www.lobbycontrol.de/aus-der-lobbywelt/die-insm-und-der-deckmantel-buerokratieabbau-116311/

2 Vgl The Atlantic, June 29, 2025, Ideas – That Dropped Call With Customer Service? It Was on Purpose. Endless wait times and excessive procedural fuss — it’s all part of a tactic called “sludge.” By Chris Colin https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2025/06/customer-service-sludge/683340/

3 Herfried Münkler: «Raum» im 21. Jahrhundert – Über geopolitische Umbrüche und Verwerfungen. 2015

4 Vgl Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31.8.2025: Trumps Agenten, von Julian Staib.
Zitat: „Vor härterer Kritik schreckt Kopenhagen zurück. Zu groß ist die Sorge, dass Trump den Streit weiter eskaliert. Vielleicht ist er ja schon dabei. Kürzlich ordnete seine Regierung einen sofortigen Baustopp des fast fertigen Offshore-Windprojektes der dänischen Firma Ørsted vor Rhode Island an. Auch drohte er, Zölle von bis zu 250 Prozent für Medikamentenhersteller einzusetzen. Damit wäre Dänemarks starke Pharmabranche tot. Am größten aber ist in Kopenhagen die Sorge davor, dass Trump Amerikas Tech-Riesen für seinen Annexionsziele einspannt. Die könnten den Kommunikationsverkehr im durchdigitalisierten Dänemark nahezu lahmlegen. In Kopenhagen kann man sich jetzt alles vorstellen.“

5 „Competition is for losers“, Zitat Peter Thiel 2014 im Wallstreet Journal.

6 Illustration: Haiopeis: „Überfallerlaubnis und Räubereischein bitte!“ und Postkarte von Digitalcourage https://shop.digitalcourage.de/digitalcourage-postkarten-und-kalender/text-postkarten-002.html

7 golem.de, 11. April 2025: Cybersicherheit im Tech-Autoritarismus: Wir brauchen eine digitale Zeitenwende. Trump wird alles tun, um digitale Technik für Überwachung und Unterdrückung zu nutzen. Die Gefahr der Erpressung ist real, aber Europa kann sich wehren. Von Matthias Schulze, Manuel Atug
https://www.golem.de/news/cybersicherheit-im-tech-autoritarismus-wir-brauchen-eine-digitale-zeitenwende-2504-195221.html

8 Eine kleine Randbemerkung: Leider ist Bitkom mitnichten eine gute Interessenvertretung der innovativen deutschen IT-Unternehmen, denn Bitkom ist von großen US-Unternehmen unterwandert. Und lobbyiert seitdem gegen Datenschutz. Dafür hat Bitkom 2017 einen BigBrotherAward erhalten. https://bigbrotherawards.de/2017/it-branchenverband-bitkom

9 Das heißt „Marktortprinzip“. Das ist gerade keine Diskriminierung, sondern Gleichbehandlung.

Links, Leseempfehlungen

Bücher

Jan Roß: Die neuen Staatsfeinde. Was für eine Republik wollen Schröder, Henkel, Westerwelle und Co.? 1998. Diese Streitschrift gegen den Vulgärliberalismus ist immer noch aktuell.

Herfried Münkler: „Raum“ im 21. Jahrhundert. Über geopolitische Umbrüche und Verwerfungen. 2015

Daniel J. Solove: On Privacy and Technology. 2025
Interessant besonders die Kapitel Myths, Thought and Behaviour und Power.

Martin Andree: Big Tech muss weg. Die Digitalkonzerne zerstören Demokratie und Wirtschaft – wir werden sie stoppen. 2023

Bürokratieabbau und Deregulierung

https://www.kuketz-blog.de/kommentar-entbuerokratisierung-ist-das-neue-zauberwort/
kuketz-blog.de, 16.4.2025
Kommentar: Entbürokratisierung ist das neue Zauberwort
von Lacrosse

»Bürokratie abbauen«. »Entbürokratisierung«. »Bürokratiearm«. »Selbstbeschränkende Bürokratiebremse«. Diese politischen Schlagworte kommen bei den Bürgerinnen und Bürgern in der Regel gut an. (…)

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD (2025) enthält 59 dieser politischen Schlagworte. (…)

Sind »neu justieren«, »reformieren«, »abschaffen« politische Synonyme?

In den Koalitionsverhandlungen 2025 haben wir jedoch erlebt, dass die CDU/CSU das politische Etikett »Bürokratieabbau« mit einer anderen Absicht verwendet. Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) – ein wichtiger Baustein demokratischer Transparenz des deutschen Verwaltungshandelns – sollte »unter dem Blickwinkel von Bürokratie und Arbeitsbelastung der öffentlichen Verwaltung« (Zimmermann, 2025) neu justiert werden.

Das Label »neu justieren« kennen wir bereits vom sogenannten Digitalgipfel – wobei die Bezeichnung Daten-Rohstoffgipfel ehrlicher gewesen wäre – der ehemaligen Ampelregierung: »Das Verhältnis von Datenschutz und Datennutzung werde man »neu justieren müssen«, meinte Scholz.« (Steiner, 2024).

https://www.zdf.de/play/shows/die-anstalt-104/die-anstalt-vom-11-maerz-2025-100
ZDF Die Anstalt vom 11.3.2025
Die Bürokratie-Anstalt
Minute 21:39

Merz: „Wenn ich 'Bürokratieabbau' sage, dann meine ich Bürokratieabbau gegenüber der Wirtschaft, nicht Bürokratieabbau gegenüber dem Bürger“. Anstalt: „Hätten Sie das den Bürgern nicht vor der Wahl sagen können?“ Merz: „Dann wäre ich doch jetzt nicht hier.“

https://www.deutschlandfunk.de/verwaltung-in-zeiten-der-kettensaegen-100.html
Deutschlandfunk, 21.05.2025
Bürokratiemonster und Paragrafendschungel – Verwaltung in Zeiten der Kettensägen
Von Stefan Kühl
Bürokratie – verflucht und unverzichtbar? Im Paragrafendschungel lauern Frust und Wut, aber ohne die der Verwaltung inhärenten Wenn-Dann-Regeln geht es nicht in der modernen Gesellschaft. In Zeiten des Bürokratiebashings gilt es, ihren Sinn zu verstehen.

Und das stellt sicher, dass die als Monster geschmähte Bürokratie eine Atmosphäre von Gerechtigkeit und Berechenbarkeit verbreitet. Ohne ein Mindestmaß an Formalien wären Korruption und Willkür das Gebot der Stunde, und auch Kafkas labyrinthische Visionen endeten nicht in den Fängen unpersönlicher Paragrafen, sondern in einer Klientelwirtschaft jenseits jeder Rechtssicherheit. So bleibt am Ende die Erkenntnis: Bürokratie mag zwar nerven, doch man sehnt sich sehr schnell nach ihr zurück, wo sie fehlt. (…)

https://de.wikipedia.org/wiki/Initiative_Neue_Soziale_Marktwirtschaft
INSM – Lobbyorganisation für Deregulierung
aus Wikipedia:

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH (kurz: INSM) ist eine im Jahr 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründete und von Arbeitgeberverbänden finanzierte Lobbyorganisation.

Sie verfolgt das Ziel, durch Öffentlichkeitsarbeit ihre politischen Botschaften bei Entscheidern und in der Bevölkerung zu verankern. Die Bereitschaft für wirtschaftsliberale Reformen soll erhöht werden, insbesondere strebt die INSM Deregulierung und Privatisierung bei der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Tarifpolitik, eine wettbewerbsorientierte Bildungspolitik, sowie eine Abschwächung klimapolitischer Maßnahmen an.

https://www.lobbycontrol.de/lobbyismus-in-der-eu/weniger-regeln-mehr-einfluss-wie-europas-schutzstandards-unter-druck-geraten-121846/
Lobbycontrol, 22.7.2025
Lobbyismus in der EU
Weniger Regeln, mehr Einfluss: Wie Europas Schutzstandards unter Druck geraten
on Max Bank, Felix Duffy, Nina Katzemich

Eine beispiellose Welle droht Europas Gesetze und Schutzregeln abzuschwächen und den Gesetzgebungsprozess anfälliger für einseitigen Lobbyeinfluss von Konzernen zu machen.

Autoritarismus, Willkür und das Recht des Stärkeren

https://www.theatlantic.com/magazine/archive/2025/05/trumpism-maga-populism-power-pursuit/682116/
The Atlantic, April 24, 2025
Politics
I Should Have Seen This Coming
When I joined the conservative movement in the 1980s, there were two types of people: those who cared earnestly about ideas, and those who wanted only to shock the left. The reactionary fringe has won.
By David Brooks

George Orwell is a useful guide to what we’re witnessing. He understood that it is possible for people to seek power without having any vision of the good. “The Party seeks power entirely for its own sake,” an apparatchik says in 1984. “We are not interested in the good of others; we are interested solely in power. Not wealth or luxury or long life or happiness: only power, pure power.” How is power demonstrated? By making others suffer. Orwell’s character continues: “Obedience is not enough. Unless he is suffering, how can you be sure that he is obeying your will and not his own? Power is in inflicting pain and humiliation.”
Russell Vought, Donald Trump’s budget director, sounds like he walked straight out of 1984. “When they wake up in the morning, we want them to not want to go to work, because they are increasingly viewed as the villains,” he said of federal workers, speaking at an event in 2023. “We want to put them in trauma.”

https://www.spiegel.de/ausland/donald-trump-und-kuenstliche-intelligenz-willkommen-im-zeitalter-der-digitalen-willkuer-a-81a66678-6964-40c5-9ab7-5c62a40830ec
Spiegel.de, 14.8.2025
Trump und KI
Willkommen im Zeitalter der digitalen Willkür
Der SPIEGEL-Leitartikel von René Pfister

Trump und das Silicon Valley eint die Überzeugung, dass Regeln nur für Trottel und Verlierer gelten. Europa muss sich wehren, um seine Kultur und Demokratie zu verteidigen. (…)

Es ist atemberaubend, mit welcher Naivität die Europäer immer noch auf jene Symbiose von Geld und Macht blicken, die sich in den USA gerade bildet. Das Silicon Valley, das sich über viele Jahre als Vorkämpfer einer neuen und besseren digitalen Demokratie feiern ließ, lief im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf in weiten Teilen zu Trump über, weil dieser versprach, die Branche von lästigen Regularien zu befreien. Zu Trumps Amtseinführung im Januar reisten fast alle Bosse der großen Techfirmen nach Washington und machten einen Bückling. Nun revanchiert sich Trump, indem er jedem den heiligen Zorn seiner Regierung verspricht, der es wagt, die Techdominanz der Vereinigten Staaten anzugreifen. (…)

Wenn Europa nicht selbst die Kraft findet, sich der digitalen Willkür zu widersetzen, könnte nicht nur unsere Kultur zum Opfer der KI-Revolution werden, sondern auch unsere Demokratie.

Konzerne nutzen selber Bürokratie, um Verbraucher zu zermürben

https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2025/06/customer-service-sludge/683340
The Atlantic, June 29, 2025
Ideas
That Dropped Call With Customer Service? It Was on Purpose.
Endless wait times and excessive procedural fuss — it’s all part of a tactic called “sludge.”
By Chris Colin

One recounted a recent Verizon nightmare. Another had endured Kafkaesque tech support from Sonos. The stories kept coming: gym-quitting labyrinths, Airbnb hijinks, illogical conversations with the permitting office, confounding interactions with the IRS. People spoke of not just the money lost but the hours, the sanity, the basic sense that sense can prevail. (…)

I decided to de-fugue and start paying attention. Was the impenetrability of these contact centers actually deliberate? (Buying a new product or service sure is seamless.) Why do we so often feel like everything’s broken? And why does it feel more and more like this brokenness is breaking us?

Turns out there’s a word for it. (…) “sludge”—tortuous administrative demands, endless wait times, and excessive procedural fuss that impede us in our lives. (…)

Yes, sludge is often intentional,” he said. “Of course. The goal is to put as much friction between you and whatever the expensive thing is. So the frontline person is given as limited information and authority as possible. And it’s punitive if they connect you to someone who could actually help.”

EU vs. Allianz aus USA und Tech-Konzernen

https://www.theguardian.com/commentisfree/2025/oct/09/the-eu-has-a-secret-weapon-to-counter-trumps-economic-bullying-its-time-to-use-it
The Guardian, 9 Oct 2025
The EU has a secret weapon to counter Trump’s economic bullying. It’s time to use it
Johnny Ryan, director of Enforce, a unit of the Irish Council for Civil Liberties

A softer line is the last thing that Europe needs. It must enforce its laws, even when they are inconvenient. Along with the anti-coercion instrument, Europe should shut down social media “for you”-style algorithms, that recommend content the user has not asked for, on European soil until they are proven safe for democracy. Citizens – not the algorithms of foreign oligarchs beholden to foreign interests – should have the freedom to decide for themselves what they see and share online.

Trump is putting Europe under pressure to water down its digital rulebook. But now more than ever, Europe should hold large US tech firms accountable for anti-competitive market rigging, snooping on Europeans, and preying on our children. Brussels must hold Ireland accountable for failing to enforce Europe’s digital rules on US firms. Enforcement is not enough, however. Europe must progressively replace all non-EU “big tech” platforms and cloud services over the next decade with homegrown alternatives.

https://www.horizont.net/medien/nachrichten/nrw-medienminister-liminski-die-medienregulierung-darf-nicht-zur-verhandlungsmasse-werden-229966
Horizont.net, 25.8.2025
NRW-Medienminister Liminski
"Die Medienregulierung darf nicht zur Verhandlungsmasse werden"
von HORIZONT Online / dpa

Die europäische Medienregulierung darf nicht zur Verhandlungsmasse in Zollfragen mit den USA werden. Hier geht es um Kernfragen der Demokratie, Grundregeln der öffentlichen Meinungsbildung – das sind keine Themen, die man einfach nach Verhandlungslogik verschiebt, je nach wirtschaftlichem Druck. Dass Freiheit mit Verantwortung einhergeht und ihre Grenze in der Freiheit des Nächsten findet – diese Rechtstraditionen gehören zum Kern europäischer Identität und dürfen nicht auf dem Altar der Zollverhandlungen geopfert werden.

Sie sagen so oft, es darf nicht zur Verhandlungsmasse werden, dass ich fast vermute, dass es schon Verhandlungsmasse ist. Bei dem jüngsten Handelsdeal in Schottland zwischen der EU und den USA gab es offenkundig kein gemeinsames Verständnis darüber, ob diese Themen noch auf dem Verhandlungstisch sind oder nicht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat für sich festgestellt, dass das nicht so ist. Die Amerikaner hingegen gehen offenbar felsenfest davon aus, dass man darüber noch sprechen werde. Das zeigt mir, dass es hier offenkundig an Klarheit mangelt. ist. Die Amerikaner hingegen gehen offenbar felsenfest davon aus, dass man darüber noch sprechen werde. Das zeigt mir, dass es hier offenkundig an Klarheit mangelt.

https://www.wiwo.de/unternehmen/it/handelsstreit-mit-den-usa-fuer-europa-lohnt-es-sich-standhaft-zu-bleiben-big-tech-braucht-europa/100118108.html
Wirtschaftswoche, 1.4.2025
Handelsstreit mit den USA
Für Europa lohnt es sich, standhaft zu bleiben: Big Tech braucht Europa
Mehrfach drohten US-Digitalkonzerne Features nicht nach Europa zu bringen – und ruderten zurück, weil der Markt zu wichtig ist. Das sollte die EU im Streit mit Trump nutzen. Ein Kommentar von Thomas Kuhn

https://startupverband.de/news/newsbite-startup-verband-digital-markets-act-verhandlungsmasse-usa-eu-zollstreit/
Deutscher Startup-Verband
News Bite 3.7.2025
Darf der Digital Markets Act zur Verhandlungsmasse im USA-EU-Zollstreit werden? Wir sagen: NEIN!

https://www.whitehouse.gov/fact-sheets/2025/02/fact-sheet-president-donald-j-trump-issues-directive-to-prevent-the-unfair-exploitation-of-american-innovation/
The White House, February 21, 2025
Fact Sheet: President Donald J. Trump Issues Directive to Prevent the Unfair Exploitation of American Innovation

This Administration will consider responsive actions like tariffs to combat the digital service taxes (DSTs), fines, practices, and policies that foreign governments levy on American companies.

DSTs allow foreign governments to collect tax revenue from American companies simply because they operate in foreign markets, even though those companies are generally not otherwise subject to foreign jurisdiction. (…)

President Trump will not allow foreign governments to appropriate America’s tax base for their own benefit.

The Administration will review whether any act, policy, or practice in the European Union or United Kingdom incentivizes U.S. companies to develop or use products and technology in ways that undermine free speech or foster censorship.

Foreign governments will invite responsive actions from the Administration if they take steps to coerce U.S. businesses to hand over their intellectual property.

Regulations that dictate how American companies interact with consumers in the European Union, like the Digital Markets Act and the Digital Services Act, will face scrutiny from the Administration. (…)

https://www.zeit.de/2025/38/zoll-deal-eu-usa-donald-trump-unternehmen/komplettansicht
zeit.de, Aus der ZEIT Nr. 38/2025
Zolldeal: Ein Deal, der keiner ist
Von Johanna Jürgens, Simon Langemann, Carla Neuhaus, Ricarda Richter und Jonas Schulze Pals

Die europäische Techindustrie, die vom DMA profitiert, weil dieser die Marktmacht von Google, Microsoft und Apple beschränkt, ist dennoch beunruhigt. "Ich glaube zwar nicht, dass die Digitalgesetze abgeschafft werden", sagt Johannes Reck, Geschäftsführer der Reiseplattform GetYourGuide, "aber ich sehe die Gefahr, dass die Durchsetzung von DMA und DSA verzögert und geschwächt wird." Tatsächlich hat die Europäische Kommission einen großen Ermessensspielraum bei der Anwendung und Auslegung der Digitalgesetze. Sie entscheidet zum Beispiel, gegen welche Unternehmen sie eine Untersuchung einleitet – und gegen welche nicht. (…)

Klein beizugeben, wäre aus Sicht von Reck fatal. "Der DMA wirkt", sagt der Unternehmer und warnt davor, den Erfolg für eine vorübergehende Besänftigung des US-Präsidenten zugunsten der Auto-, Pharma- und Stahlindustrie aufzugeben. Vielmehr müssten deren Vertreter erkennen, dass die Digitalgesetze der EU auch sie schützten: "Es geht auch für Mercedes und BMW nicht mehr nur darum, den besten Motor zu bauen. Die Computer und Systeme darin sind längst spielentscheidend." Die Technologien dürfe man nicht nur den Marktführern überlassen.

Tagesspiegel Background, 23.7.2025 (per Mail)
KI-Haftung
SPD-Europaabgeordneter Wölken verklagt EU-Kommission

Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken hat Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Europäische Kommission eingereicht. Nach Angaben aus einer Mitteilung Wölkens vom gestrigen Dienstag steht die Klage im Zusammenhang mit dem Rückzug zweier Gesetzesvorschläge kurz nach einem Treffen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem US-Vizepräsidenten J.D. Vance beim KI-Gipfel in Paris im Februar. Die Klage richte sich gegen die verweigerte Herausgabe interner Dokumente, die den Hintergrund dieser Entscheidung beleuchten könnten.

Was tun bei Erpressung?

https://www.ihk.de/schleswig-holstein/recht/allgemeine-rechtsfragen/schutzgelderpressung-1359754
IHK Schleswig-Holstein zu Schutzgelderpressung:

Warum das Zahlen von Schutzgeld immer teurer wird

Wer einmal zahlt, zahlt immer. Vor allem: er zahlt immer mehr. Schutzgelderpressungen beginnen von den Belastungen her eher "sanft". Das bleibt nicht so, die Versklavung der Opfer nimmt zu. Sich herauszulösen aus einer andauernden Erpressungssituation ist schwieriger als ein definitives Nein von Anfang an.

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/groenland-gegen-trumps-agenten-ist-daenemark-machtlos-110661054.html
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31.8.2025
Wenig Mittel gegen Trumps Agenten
von Julian Staib

Amerikaner unternehmen auf Grönland offenbar geheime Einflussversuche. (…) Ziel der verdeckt arbeitenden Manipulatioren ist demnach die Infiltration und Beeinflussung der Insel, um Grönland auf die Seite Amerikas zu ziehen.

(…) Vor härterer Kritik schreckt Kopenhagen zurück. Zu groß ist die Sorge, dass Trump den Streit weiter eskaliert. Vielleicht ist er ja schon dabei. Kürzlich ordnete seine Regierung einen sofortigen Baustopp des fast fertigen Offshore-Windprojektes der dänischen Firma Ørsted vor Rhode Island an. Auch drohte er, Zölle von bis zu 250 Prozent für Medikamentenhersteller einzusetzen. Damit wäre Dänemarks starke Pharmabranche tot. Am größten aber ist in Kopenhagen die Sorge davor, dass Trump Amerikas Tech-Riesen für seinen Annexionsziele einspannt. Die könnten den Kommunikationsverkehr im durchdigitalisierten Dänemark nahzug lahmlegen. In Kopenhaben kann man sich jetzt alles vorstellen. (…)

Digitale Souveränität

https://www.golem.de/news/cybersicherheit-im-tech-autoritarismus-wir-brauchen-eine-digitale-zeitenwende-2504-195221.html
golem.de, 11.4.2025
Cybersicherheit im Tech-Autoritarismus: Wir brauchen eine digitale Zeitenwende
Trump wird alles tun, um digitale Technik für Überwachung und Unterdrückung zu nutzen. Die Gefahr der Erpressung ist real, aber Europa kann sich wehren.
Ein IMHO von Matthias Schulze, Manuel Atug

Digitale Zeitenwende

Trump macht keinen Hehl daraus, dass sich seine Verhandlungstaktiken an Mafiamethoden orientieren: Drohungen und Erpressungen zur persönlichen Bereicherung sind die Norm. Es gilt das Recht des Stärkeren und gute Deals für den Eigenprofit sind an der Tagesordnung.

Die Maxime in der Sicherheitspolitik sollte daher sein: "Vom Schlimmsten ausgehen." (…)

Realistischerweise muss das aber auch bedeuten, dass wir in der Digital- und Technologiepolitik viele Ressourcen in die Hand nehmen müssen, um uns zwar langsam, aber schnellstmöglich und kontinuierlich von den Amerikanern zu lösen. Denn imperialistische und autoritäre Großmachtpolitik findet heute auch im Digitalen statt. Dass mit Technologie Macht ausgeübt wird, gesellschaftliche Normen und Politikbilder beeinflusst und manipuliert werden, hat die Forschung hinlänglich gezeigt.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien-und-film/deutschland-muss-sich-aus-der-digitalen-abhaengigkeit-von-den-usa-befreien-110349530.html
FAZ, 12.3.2025
Digitale Abhängigkeit : Wir müssen uns von den USA befreien
Gastbeitrag von Martin Andree

Hier lauert ein fundamentales Problem, denn die USA kontrollieren unsere Demokratie schon jetzt auf zwei kritischen Feldern. Erstens „gehört“ ihnen durch ihre oligopolistischen Plattformen unsere politische Öffentlichkeit in der digitalen Sphäre – und das ist nichts weniger als die künftige Grundlage unserer Demokratie. Der Wahlkampf hat gerade gezeigt, dass die USA diese Plattformen einsetzen, um Wahlen für ihre Interessen und politischen „Partner“ (die AfD) zu beeinflussen. 
Nicht genug damit – es sind dieselben Tech-Unternehmen, die auch die digitalen Infrastrukturen kontrollieren. Das Ausmaß der Abhängigkeit ist schwindelerregend. Riesige Mengen sensibler Daten, aus Unternehmen, Behörden und Verwaltungen, liegen bei den großen US-Cloud-Providern, bei Amazon (AWS), Microsoft (Azure) und Google (GCP). Dieselbe Situation herrscht vor bei Office-Software mit dem Quasi-Monopol von MS Office (Microsoft). (…)

Die künftige Regierung müsste hier konsequent anpacken. Sie müsste dafür sorgen, dass alle Verträge deutscher Behörden und Verwaltungen mit US-amerikanischen Cloud-Anbietern gekündigt werden, und einen Fahrplan vorlegen, wie sie die Daten der deutschen Bürger und Unternehmen sofort in Sicherheit bringen will. Auf diesem Feld dürfen wir keinerlei Risiken und Abhängigkeiten akzeptieren.

Galore Nr 72, September 2025
Interview mit Maja Göpel von Patrick Wildermann

Maja Göpel: Gerade auf europäischer Ebene täten wir gut daran, entschieden zu sagen: Es ist traurig genug, dass ihr in den USA schnell mal eine Autokratie aufbauen könnt, aber hier in Europa bremsen wir euch konsequent aus.

Frage: Wie denn?

Maja Göpel: Ein Stichwort ist digitale Souveränität. Bei dem Thema wünschte ich mir eine viel offensivere Vorgehensweise. Wir sollten wirklich sagen: Wir bauen eure Technologien nicht mehr in unsere kritische Infrastruktur ein, wir schalten eure Plattformen im Zweifelsfall auch ab – bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihr uns nachweisen könnt, dass die Algorithmen sich an die europäischen Regeln halten und nicht großformatig manipulieren.

Über die BigBrotherAwards

Spannend, unterhaltsam und gut verständlich wird dieser Datenschutz-Negativpreis an Firmen, Organisationen und Politiker.innen verliehen. Die BigBrotherAwards prämieren Datensünder in Wirtschaft und Politik und wurden deshalb von Le Monde „Oscars für Datenkraken“ genannt.

Ausgerichtet von (unter anderem):

BigBrother Awards International (Logo)

BigBrotherAwards International

Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden fragwürdige Praktiken mit diesen Preisen ausgezeichnet.