Precire Technologies hört nicht auf abzuhören
Die Precire Technologies GmbH aus Aachen bekam den BigBrotherAward 2019 in der Kategorie Kommunikation. Vielleicht haben Sie noch nie von Precire gehört – aber es ist möglich, dass Precire schon von Ihnen gehört hat. Precire wurde beispielsweise bei automatisch geführten Bewerbungsgesprächen verwendet, um ohne personellen Aufwand ein „Persönlichkeitsprofil“ zu erstellen.
Precire analysiert dafür alles Mögliche: Stimmhöhe, Lautstärke, Modulationsfähigkeit, Sprechtempo und Rhythmus. Dazu die Häufigkeit der Wörter, die Länge der Sätze, die Länge der Pausen und so weiter. Und der Computer beurteilt auch gleich, ob die Sprache emotional oder wissenschaftlich, zurückhaltend oder direkt ist. Aus all dem schließt ein Algorithmus auf Ihren Charakter. Wissenschaftliche Zuverlässigkeit ist dabei nicht gegeben, was Personalabteilungen, die diese Software verwenden, aber offenbar nicht besonders stört.
Von Bewerbungsgesprächen bis zu Callcentern
Vielleicht dachten Sie bis jetzt, dass diese Technik zwar unerhört ist, aber Sie nicht direkt betrifft. Falsch gedacht, denn ein weiterer Geschäftsbereich von Precire ist der Einsatz der Sprachanalyse im Callcenter. „Offenbar zeichnen Callcenter die Sprache von Anrufern auf, leiten sie an einen Server von Precire weiter und lassen sie dort in Echtzeit analysieren. Und Precire schlägt dann dem Callcenter-Agenten vor, wie er oder sie weiter vorgehen soll. Das ist, als ob die ganze Zeit ein Psychologe im Ohr des Callcenter-Agenten sitzt, mithört und ihm live einflüstert, was er als nächstes sagen oder anbieten soll. Die Software soll zum Beispiel erkennen: Ist die Kundin so sauer, dass sie kündigen will, oder will sie nur einen Rabatt rausschlagen?“ (Laudatio)
„Dieser Einsatz von Sprachanalyse im Callcenter ist nicht nur unethisch – er ist illegal. Er verstößt gegen das Telekommunikationsgeheimnis und verletzt die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes (§ 201 StGB). Das ist strafrechtlich besonders sanktionierbar“(Laudatio). Bis dies nicht mehr gängige Praxis ist, empfehlen wir Ihnen das nächste Mal, wenn sie von einem Callcenter angerufen werden ganz klar zu sagen: „Nein! Ich will nicht, dass Sie dieses Gespräch aufzeichnen!“.