Verbraucherschutz (2016)

Generali Versicherung

Die Generali-Versicherung erhält den BigBrotherAward 2016 in der Kategorie Verbraucherschutz, weil sie ihren Versicherten Vorteile verspricht, wenn diese ihre Fitnessdaten und ihr Einkaufsverhalten per App oder Sportkleidung an die Versicherung weiter melden, die sie wiederum an ein Bonuspunkte-System nach Südafrika übermittelt. Dies führt zur Entsolidarisierung und widerspricht dem Grundgedanken unseres Sozialsystems.
Laudator.in:
padeluun am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
padeluun, Digitalcourage

Der BigBrotherAward 2016 in der Kategorie Verbraucherschutz geht an die Generali Versicherung, vertreten durch ihren Vorstandsvorsitzenden Giovanni Liverani, weil seine Firma ihren Versicherten Boni verspricht, wenn sie sich im Gegenzug dafür überwachen lassen.

Als ich mir überlegte, wie ich für diesen Preisträger eine Laudatio abfassen soll, dachte ich mir: „Eigentlich ist mit dem einen Satz doch schon alles gesagt: ‚Der BigBrotherAward 2016 in der Kategorie Verbraucherschutz geht an die Generali-Versicherung1, vertreten durch ihren Vorstandsvorsitzenden Giovanni Liverani, weil seine Firma ihren Versicherten Boni verspricht, wenn sie sich im Gegenzug dafür überwachen lassen.‘ Herzlichen Glückwunsch, nächster Kandidat … Herr Liebold, übernehmen Sie …“

Aber – halt! – so einfach ist das nicht.

Schon 2007 haben wir einen Preis verliehen, weil ein Unternehmen sogenannte „Pay as you drive“-Tarife in den Markt bringen wollte. Sie erinnern sich? Da hat man dann so eine Blackbox im Auto, die das Fahrverhalten an die Versicherung verpetzt, und wenn man defensiv fährt und alle Geschwindigkeitsbeschränkungen einhält, bekommt man die Versicherung etwas billiger. Damals hatten alle noch den Kopf geschüttelt. Heute, 10 Jahre später, gibt's das, vor allem für die Zielgruppe Fahranfängerinnen und -anfänger.

Übertragen auf eine Krankenversicherung hieße das: Man könnte die Daten von Fitnessarmbändern auswerten und die Versicherten quasi permanent an der kurzen Leine laufen lassen. Wer sich ausreichend – aber nicht ausufernd – bewegt, wer Sport treibt, aber nicht übertreibt, wer ein gutes Herz hat (damit ist der mechanische, nicht der mit-fühlende Teil des Herzens gemeint), wessen Pulsschlag regelmäßig ist und wessen Blutdruck sich im goldenen Bereich der Mittelmäßigkeit befindet, der oder die bekommt die Versicherung billiger. Punkt. Wir überwachen Dich und Deine Körperfunktionen – und Du zahlst weniger. Punkt. Fragen? Keine. Punkt. Liest man ja immer wieder, solche Ideen. Die Techniker Krankenkasse (scherzhaft auch schon „Techniker Krakenkasse“ genannt) ist damit auch kürzlich erst auffällig geworden.

Aber so einfach ist das nicht.

Bei unserem Preisträger, der Generali, geht's zurzeit noch nicht ums Autofahren (das überlassen sie vorerst noch der Konkurrenz) sondern um Krankenversicherungen – und vor allem um Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherungen. Und es geht auch nicht darum, dass Krankenversicherungstarife billiger werden. 

Denn Versicherungen funktionieren so: Alle zahlen ein, damit die, die Hilfe brauchen, etwas heraus bekommen können. Das weiß auch die Generali. Und deshalb gibt es keine billigeren Tarife für die Daten von Blutdruck, Puls und Co, sondern … Punkte.

Dafür werden auch nicht die Daten meines Fitnessarmbands direkt abgefragt, sondern ich soll eine App pflegen, mit der ich Punkte bekomme, wenn ich zum Beispiel in einem lizenzierten Sportstudio brav meine Trainings absolviere. Wir erinnern uns: Punktesysteme sind – wie wir schon im Jahr 2000 mit dem Preisträger Payback nachgewiesen haben – reine Kundenbindungs- und Gängelungssysteme.

Mit den Punkten der Generali Versicherung können Sie sich nicht günstiger versichern. Nein, für die Punkte bekommen Sie Rabatte in Läden, die sich dem Generali-Programm angeschlossen haben. Natürlich nur, wenn Sie besonders gesunde Produkte kaufen. Also irgendwas, wo „Bio“ draufsteht. Und diese müssen Sie ausschließlich in bestimmten – aber wenigen – Markengeschäften kaufen. Gurken oder Erdbeeren vom regionalen Wochenmarkt bleiben da wohl außen vor.

Asterix-Kenner erinnern sich da wahrscheinlich gleich an den Fischhändler Verleihnix. Der holt seine Ware, die immer etwas streng riecht, von weitweither aus Lutetia, anstatt die Fische aus dem wenige Schritte vom Dorf entfernten Meer zu holen: „Ich biete doch keine Fische direkt aus dem Meer an. Ohne Frischegarantie!“

Wir sollen also unsere höchst sensiblen Gesundheitsdaten an ein Unternehmen ausliefern, um danach bei weiteren, befreundeten Unternehmen einzukaufen. Und an wen gehen diese Daten dann genau?

Dazu schreibt die Generali in einer Pressemitteilung:

In der Medienberichterstattung ist fälschlicherweise von einer Vitality-Fitness-App die Rede, die die Kunden überwacht. Dabei besteht für die Kunden kein Grund zur Sorge: Das „Vitality“-Programm und das eigentliche Versicherungsprodukt werden rechtlich und organisatorisch voneinander getrennt. Der Versicherer erhält nur eine Information über das Statuslevel des Kunden. Zudem entscheidet der Kunde selbst, ob er am „Vitality“-Programm teilnehmen und welche Daten er im Rahmen des Programms übermitteln möchte.

An wen gehen also die Daten? Das beantwortet die Generali nicht so laut – sie sagen nur „Keine Sorge, wir bekommen Ihre Daten nicht.“ Na, das ist ja beruhigend… nur wissen wir, dass Daten, egal wo sie liegen, selten Patina ansetzen. Meistens werden sie auch für irgendetwas genutzt.

Was noch zu untersuchen wäre: Für ihr „Vitality-Programm“ hat sich die Generali mit einem südafrikanischen Finanzunternehmen zusammengetan, die sich ein Programm namens „Discovery“ ausgedacht haben. Hier laufen die Daten aus den Fitnesszentren hin, in denen Menschen trainieren, um ein paar Punkte zu bekommen. Über südafrikanische Datenschutz- und -sicherheitsgesetze ist uns hier recht wenig bekannt. Zumindest wissen wir, dass es kein Datenschutzabkommen von Europa oder Deutschland mit Südafrika gibt. Ob damit der Datenaustausch legal ist? Also ich bezweifle das.

Der Fachbegriff für das, was hier mit uns Versicherten passiert, ist „Gamification“. An manchen Stellen mag Gamification durchaus sinnvoll sein. Aber hier wird alles zum Spiel, selbst das angebliche Gesundheitstraining. Ein weiteres, albernes und obskures Punktesystem – diesmal nicht nur gegen die Preisgabe von persönlichen, sondern von intimsten Daten. Und mit quasi faktischem Zwang: Wer sich selbst zu gesünderem Leben motivieren will und dabei noch daran glaubt, dass man hier Geld sparen kann, ist nahezu gezwungen, da mitzumachen. Wer ist schon reich – oder souverän – genug, den Verlockungen des angeblichen Schnäppchens zu widerstehen? 

Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens YouGov2 würde angeblich jeder Dritte in Deutschland da mitmachen wollen. Man spart ja was! Zumindest, wenn man nicht drüber nachdenkt. Und so begibt man sich ins Hamsterrad der Selbstvermessung, der Selbstentäußerung und des Sparwahns. Mit einer fatalen Nebenwirkung: Überwachungsdruck und Entsolidarisierung.

Wir finden diese Entwicklung fatal.

Noch einmal, denn man kann es offensichtlich nicht oft genug sagen: In eine Versicherung zahlen alle ein, auch diejenigen, die das Glück haben, eine robuste Gesundheit zu haben. Damit finanzieren wir alle auch die Menschen mit, die nicht das Glück ewiger Gesundheit haben – oder das Pech eines Unfalls. Darum geht's bei einer Versicherung. Das ist Solidarität.

Es beschädigt uns alle, die gesamte Gesellschaft, wenn sich immer mehr Menschen scheinbare Vorteile verschaffen wollen, indem sie sich mit sinnlosem Zeug beschäftigen lassen. Es ist fatal, wenn sich immer mehr Menschen aus einer mitfühlenden und helfenden Gesellschaft verabschieden und nur auf individuelle Erfolge und Vorteile aus sind. Sicher ist es gut, Menschen hin und wieder anzuregen, mal den inneren Schweinehund zu überwinden und nicht mit dem Auto hundert Schritte zum Zigarettenautomaten zu fahren. Dafür darf man mir das gerne das Halbjahresmagazin der Versicherung schicken und ich kann dann bitte selbst entscheiden, welchen Apellen ich Gehör schenke und welche ich ignoriere. 

Meine Würde ist unantastbar – manchmal wünsche ich mir, dass zumindest elementarste Artikel unseres Grundgesetzes auch für Versicherungs- und andere Unternehmen direkte Geltung hätten. Paternalistische Übergriffe auf Menschen, also sie so zu behandeln, als seien sie unfähige kleine Kinder, kann dazu führen, dass Menschen sich wie unfähige kleine Kinder verhalten. Regelrecht bösartig ist, ihnen dabei auch noch einzureden, sie würden aktiv ihr Leben und ihre Gesundheit gestalten. Und das, indem sie sich von einem Kundenbindungssystem gängeln lassen, das weiteres Geld, das sie ausgeben, in andere, an das Unternehmen gebundene Taschen leitet.

Wir müssen solche „gamifizierten“ Angebote erkennen und anprangern. Wir müssen ihnen widerstehen. Wir müssen sie ächten. Denn dieser Unsinn gefährdet den sozialen Frieden. Und er gefährdet den inneren Frieden aller Menschen, die bei der täglichen Selbstvermessung mitmachen.

In diesem Sinne, Herzlichen Glückwunsch zum BigBrotherAward 2016, Generali Versicherung.


Antwortschreiben des Leiters der Unternehmenskommunikation der Generali Versicherung

Vielen Dank für die Einladung zur Preisverleihung des „BigBrotherAwards“ am 22. April 2016 in Bielefeld. Leider können wir nicht an der Veranstaltung teilnehmen, da wir erst wenige Tage vor dem Veranstaltungstermin Ihre Einladung erhalten haben. Wir hätten diese Gelegenheit gerne genutzt, um mit Ihnen über dieses, für uns sehr wichtige Thema zu diskutieren, und zu erklären, wie Generali Vitality wirklich funktioniert.

Wir freuen uns zwar über die große Aufmerksamkeit, die Generali Vitality schon jetzt zu Teil wird, aber wir sind auch etwas erstaunt, einen solchen Preis bereits heute zu erhalten, da die eigentliche Produkteinführung erst ab dem 1. Juli 2016 vorgesehen ist. Lassen Sie uns daher noch einige Aspekte zu Generali Vitality erläutern:

Dem Generali Vitality Programm liegt die Idee zugrunde, Anreize für gesundheitsbewusstes Verhalten zu schaffen. Kunden können sich durch Boni und Vergünstigungen selbst motivieren. Um die Kunden bei ihrer gesunden Lebensweise bestmöglich zu unterstützen, bauen wir derzeit ein attraktives Partnernetzwerk auf. Kunden erhalten bei unseren Kooperationspartnern Vergünstigungen. Egal, ob alt oder jung, gesund oder krank – jeder, der an seiner Lebensweise etwas ändern möchte, kann an dem freiwilligen Generali Vitality Programm teilnehmen. Die Erreichung von Zielen wird individuell festgelegt.

Alle vom Kunden freiwillig übermittelten Daten werden in der rechtlich und organisatorisch eigenständigen Generali Vitality GmbH mit Sitz in München verwaltet. Hierbei handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der Generali. Es werden keinerlei Daten nach Südafrika übermittelt. Wir haben das Konzept lediglich in Kooperation mit Discovery, einem südafrikanischen Unternehmen, entwickelt, der Vitality beispielweise bereits in den USA und Großbritannien erfolgreich eingeführt hat.

Die Teilnahme am Generali Vitality Programm ist absolut freiwillig. Kunden können sich auch weiterhin für „traditionelle“ Produkte entscheiden und haben dabei keine Nachteile. Die Prämien der herkömmlichen Tarife werden nach wie vor entsprechend des Risikos kalkuliert. Aus unserer Sicht stärkt Generali Vitality sogar die Solidarität in der Versichertengemeinschaft, indem es Anreize setzt, sich risikobewusster zu verhalten – zugunsten des Kollektivs.

Im Hinblick auf den Datenschutz stehen wir in einem umfassenden Austausch mit den zuständigen Datenschutzbehörden und Organisationen. Der sensible und vertrauenswürdige Umgang mit personenbezogenen Daten ist für uns oberste Verpflichtung. Die Speicherung und Verarbeitung der Daten entspricht in Deutschland den hohen Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes, das zudem durch den „Code of Conduct“ der Deutschen Versicherungswirtschaft ergänzt wird. Beim Generali Vitality Programm wird den Kunden vollständig transparent dargestellt:

  • welche Daten erhoben werden
  • wie erhoben wird
  • was nur der Kunde sehen kann
  • welche Informationen wir als Versicherer erhalten
  • was wir mit den Daten machen

Grundsätzlich ist bei ALLEN Datenerfassungen eine Check-Box für das Akzeptieren der Datenrichtlinien vorgesehen, d. h. ohne Zustimmung werden keine Daten übertragen.

Wir würden uns freuen, wenn wir mit dieser E-Mail einige Missverständnisse ausräumen können.

Laudator.in

padeluun am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
padeluun, Digitalcourage
Quellen (nur eintragen sofern nicht via [fn] im Text vorhanden, s.u.)

1 Das aus Italien stammende Unternehmen „Generali in Deutschland ist mit rund 16,8 Mrd. Euro Beitragseinnahmen und mehr als 13,5 Millionen Kunden der zweitgrößte Erstversicherungskonzern auf dem deutschen Markt. Zum deutschen Teil der Generali gehören die Generali Versicherungen, AachenMünchener, CosmosDirekt, Central Krankenversicherung, Advocard Rechtsschutzversicherung, Deutsche Bausparkasse Badenia und Dialog.“ Und hat sich die Versicherung einverleibt, die mal unter dem Namen „Volksfürsorge“ bekannt war.

2 Studie des Marktforschungsunternehmens YouGov [Inhalt nicht mehr verfügbar]

Jahr
Kategorie

Gastrednerin in diesem Jahr: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Sie kämpft seit Jahrzehnten – sowohl beruflich als auch privat – für Datenschutz und Grundrechte. Es ist uns eine Freude, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit einem Gastbeitrag bei der Verleihung der diesjährigen BigBrotherAwards begrüßen zu dürfen.
Bundesjustizministerin a.D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist Gastrednerin bei den BigBrotherAwards 2016.

Eine Gesellschaft ist umso unfreier, je intensiver ihre Bürger überwacht, kontrolliert und beobachtet werden. Sicherheit ist im demokratischen Rechtsstaat kein Selbstzweck, sondern dient der Sicherung von Freiheit.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

 
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes und bekannt für ihr umfangreiches Engagement für Datenschutz und Grundrechte. Sowohl als Politikerin als auch privat steht sie entschieden für ihre Überzeugungen ein. 
 
Im Jahr 1992 wurde Frau Leutheusser-Schnarrenberger als Bundesministerin der Justiz in die von Altkanzler Helmut Kohl geführte Bundesregierung berufen. Jedoch trat sie in Reaktion auf den Beschluss der akustischen Wohnraumüberwachung – im Zusammenhang mit dem Großen Lauschangriff – im Januar 1996 zurück. Als Politikerin, die lieber ihr Amt niederlegt, als politische Entscheidungen zu billigen, die sie für untragbar hält, inspirierte sie damals bis heute viele Menschen. Im Jahr 2009 wurde sie erneut Bundesjustizministerin und ist damit die erste Ministerin in der bundesdeutschen Geschichte, die nach einem Rücktritt das gleiche Amt erneut innehatte. Auch in dieser Zeit zeigte sie Rückgrat, indem sie sich nachhaltig weigerte, eine Vorratsdatenspeicherung abzunicken. 
 
Für ihre Geradlinigkeit und Charakterstärke schätzen wir Frau Leutheusser-Schnarrenberger sehr und freuen uns, dass wir sie am 22. April in der Hechelei in Bielefeld begrüßen dürfen. Wir sind uns sicher: Es wird ein Gastbeitrag der besonderen Art. 
 
Die BigBrotherAwards 2016:
Am Freitag, 22. April 2016, 18 Uhr in der Hechelei, Bielefeld
Karten erhalten Sie im Shop und an der Abendkasse 
Die Verleihung wird live ins Internet übertragen.
 
Bild: Die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei einer Podiumsdiskussion in Berlin, August 2013: Benjamin Janecke CC BY-SA 3.0
 
Publikumspreis (2014)

Bundeskanzleramt verstrickt sich

Wir haben 2014 die Tradition weitergeführt, unser Publikum zu befragen, welcher Preis sie besonders „beeindruckt, erstaunt, erschüttert, empört, …“ hatte.

An der Spitze des Feldes lag der Preis „Politik“ (also das Bundeskanzleramt mit seinen Verstrickungen in die NSA-Affäre), dicht gefolgt von dem Preis „Wirtschaft“ (CSC, die in Deutschland viele öffentliche Aufträge ausführt und in den USA den Geheimdiensten nahesteht). Ebenfalls nah an der Spitze war der Preis „Verbraucherschutz“ (die Firma LG mit ihrer Überwachung des heimatlichen Medienkonsums).

Hier sind einige der Kommentare, mit denen unsere Gäste ihre Wahl begründet haben:

Technik

„Betrifft alle Bereiche: privat, öffentlich, Verkehr, Technik – Reisefreiheit.“

Arbeitswelt

„Gerade in dieser Kategorie sind die Betroffenen aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Job schwer in der Lage, sich zu wehren.“

„Ich finde es unmöglich, dass Menschen an ihrem Arbeitsplatz ausgenutzt werden.“

Wirtschaft

„Die Verquickung von zivilen und militärischen Projekten und die unklaren Beziehungen zwischen CSC Deutschland und CSC USA machen diese Geschäftsbeziehungen hochgefährlich.“

„Unerträglich ist es, wenn die Verletzung der Menschenrechte zu einem Geschäftsmodell wird und die deutsche Regierung dies auch noch unterstützt.“

„Erschreckt hat mich u.a. die Involviertheit bei der Entwicklung des neuen Personalausweises.“

„Das Ausmaß der Verflechtungen ist unfassbar und macht Angst.“

Verbraucherschutz

„Weil es jeden angeht!“

„Nahe an der höchsten Stufe möglicher Überwachung.“

Politik

„Die Haltung der Bundesregierung zur NSA-Affäre muss stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden. Die BRD ist keine Kolonie der USA.“

„Damit der Druck erhöht wird, sämtliche Machenschaften und Verstrickungen der Geheimdienste, auch der deutschen, offenzulegen.“

„Wenn die Politik – Bundeskanzlerin – gemäß ihrem Amtseid die Forderungen des Grundgesetzes, § 10 Fernmelde- / Briefgeheimnis, sicherstellen würde, wäre vielen Datenkraken das Handwerk gelegt.“

„Die Bundesregierung entfernt sich auf unverantwortliche Weise von ihren Aufgaben, die Freiheit der Bürger zu schützen, und unterwandert diese aktiv.“

Jahr
Kategorie

Die Preisträger der diesjährigen BigBrotherAwards stehen fest, die Einladungen sind versandt und das Team steht in den Startlöchern.

Die Verleihung der BigBrotherAwards 2016 findet am

Freitag, 22. April 2016 um 18 Uhr

in der Hechelei in Bielefeld statt.

Gastlaudatorin ist in diesem Jahr Bundesjustizministerin a.D. Sabine Leutheusser-Scharrenberger.

Karten gibt es im Vorverkauf in unserem Shop oder an der Abendkasse.

Die Veranstaltung wird live ins Internet übertragen unter: https://digitalcourage.de/stream

Stichwort für Social Media: #bba16

 

Jahr

Aufzeichnungen online

Der Mitschnitt der BigBrotherAwards2015 ist jetzt online.

So schnell es uns möglich war haben wir die Aufzeichnung zu den BigBrotherAwards 2015 online gestellt. Dabei haben wir uns erlaubt, die leichte Verzerrung, die im Stream zu sehen war (wir bitten dafür hiermit erneut um Pardon) rauszurechnen.

Sie finden den Mitschnitt auf digitalcourage.video.

Zum Stream ging einiges an Kritik ein. Seit Jahren versuchen wir es besser zu machen. Doch mit unseren begrenzten Möglichkeiten, können wir eben nicht jeden Wunsch erfüllen.

Im letzten Jahr nutzen wir das allseits beliebtere HTML5, leider gab es viele Störungen. In diesem Jahr lief der Stream stabil. Der Preis, den wir dafür zahlten, war, dass wir in den sauren Apfel bissen und ihn unter Flash zur Verfügung stellten. Das wurde zurecht bemängelt. Damit wir nicht mehr in die undankbare Situation kommen, zwischen Pest (Stream instabil) oder Cholera (Stream mit Flash) entscheiden zu müssen, brauchen wir bessere Hardware. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrer Spende!

An dieser Stelle aber nun ein herzliches Dankeschön an unser Stream-Team und den Kanal 21, die den Livestream möglich gemacht haben.

Rückblick

The times they are a changing

Wir schauen einmal, was aus unseren alten Preisträgern geworden ist.

Der erste Hauptpreisträger des BigBrotherAward war im Jahr 2000 die Firma Loyalty Partner mit ihrem Kundenbindungssystem Payback. In den folgenden Jahren kam es zur tadelnden Erwähnung des ebenso bundesweit agierenden Konkurrenzproduktes Happy Digits. Der BigBrotherAward hat diese beiden Kundendatensammler nicht vom Markt gedrängt. Doch hatten die Preise für den Verbraucher-Datenschutz eine segensreiche Wirkung: Payback entdeckte den Datenschutz und trat in den Dialog mit der BBA-Jury ein. Happy Digits zeigte sich zwar weniger kooperationsbereit, doch wurde auch dieses System von einer großen kritischen Medienberichterstattung betroffen, die im letzten Jahr in einem für die beiden Anbieter wenig schmeichelhaften Gutachten der Verbraucherzentrale Bundesverband einen weiteren Höhepunkt fand. Die schlechte Presse zwang die Unternehmen zum Handeln: Payback informiert die Kunden inzwischen erheblich besser; eine klarere Einwilligung in die Datenverabreitung wird eingeholt. Zwar überrumpelt Happy Digits seine Kundinnen und Kunden weiterhin mit einer vorformulierten Einwilligung, die gelten soll, wenn sie nicht aktiv gestrichen wurde. Doch auch bei diesem System gab es Verbesserungen in Sachen Transparenz und Wahlfreiheit. Die Jury verfolgt diesen Markt weiterhin mit großer Aufmerksamkeit.

Im Jahr 2003 hatten wir eine Vielzahl von äußerst prominenten Preisträgern, so die METRO-Gruppe für den RFID-Einsatz in ihrem Future-Store und der damit verbundenen Erstellung von Kundenprofilen, die Gebühreneinzugszentrale GEZ für die Ausforschung und das Drangsalieren von Menschen, um diesen den Besitz von Rundfunkgeräten nachzuweisen, und die Regierung der USA für ihr datenschutzwidriges Abfordern von Passagierdaten von in das Land einreisenden Fluggästen.

Die Preisverleihung an METRO war der Startschuss für eine bundesweite in der Datenschutzgeschichte wohl beispielslosen Medienkampagne: Es wurde erreicht, dass eine für den Datenschutz gefährliche Technologie breit diskutiert wird, noch bevor sie eingeführt wurde. Die BBA-Preisverleihung war der Startschuss für eine vom FoeBuD getragenen Kampagne mit Demonstration, Presse- und Fernsehberichten und vielen Diskussionen. Datenschutzinstitutionen griffen die Kritik in Entschließungen auf. Die Politik zeigte plötzlich Sensibilität. Die METRO zog ihre RFID-Pläne vorläufig zurück. Die Stiftung Bridge fördert Technik zum Aufspüren von RFIDs. Und selbst die RFID-Technikanbieter zeigen Sensibilität und versuchen den Datenschutz bei ihren weiteren Entwicklungen zu berücksichtigen, da sie nicht wollen, dass die von ihnen verkauft Technologie in Verruf gerät.

Viel Applaus von vielen Seiten gab es für die Preisverleihung an die GEZ für ihre jahrzehntelange Schnüffelei. Die Hoffnung, diese allein durch eine Preisverleihung stoppen zu können, hatte die Jury nicht. Wohl aber hat sie es geschafft, dass der bürokratische Unsinnsapparat der GEZ wieder in die Schlagzeilen geriet und öffentlich hinterfragt wurde. Die Rundfunkanstalten sind gewarnt und treten nicht mehr ganz so dreist beim Ermitteln von angeblichen Schwarzhörern und -sehern auf. Doch die Politik, die mit einer anderen Rundfunkgebührenerhebung dem ganzen Spuk ein Ende machen könnte, zeigt sich in seiner großen Mehrheit noch lange nicht einsichtig. Hier ist ein langer Atem gefordert. Die GEZ bleibt mit guten Gründen weiterhin Lifetime-Preisträger. Jetzt geht es darum, das erreichte Problembewusstsein auf konkrete Planungen zu lenken, z.B. auf den Einsatz von RFID in den personalisierten Tickets für die Fußfall-Weltmeisterschaft.

Die Terrorismushysterie in den USA ist auch im 4. Jahr nach dem 11. September in den USA nicht abgeklungen. Der Hetzer George Bush ist - noch nicht - abgewählt. Aber die Methoden, mit denen angeblich Terroristen ertappt werden sollen, tatsächlich aber unschuldige Menschen betroffen werden, werden zunehmend in Frage gestellt. Die gilt auch für den bundesdeutschen Oberhetzer Otto Schily, der noch im Jahr 2001den Haupt-Award erhielt und der ihn weiterhin verdient. Nicht nur sein kleiner Oppositionspartner geht zunehmend zum Innenminister auf Distanz, sondern auch seine eigene Partei. Die durchgeführte Rasterfahdnung, für die 2002 der hessische Inneminister den BBA erhielt, wird inzwischen außer von den Unbelehrbaren als gefährlicher Schlag ins Wasser angesehen. Kritisch gesehen wird v.a. die US-Regierung, die 2003 für das unkontrollierte Sammeln von Flugdaten den Award erhielt. Inzwischen hat die deutsche BBA-Jury viele prominente Mitstreiter gegen die Flugdatenweitergabe in die USA und zu deren Heimatschutzministerium gefunden: nicht nur die europäischen Datenschutzbeauftragten, sondern auch das europäische Parlament. Dies hinderte aber die Kommission nicht, mit den USA einen Datendeal abzuschließen, der nur wenig hinter dem zurückblieb, was die USA von Anfang an an Daten forderten. Nach einer Anrufung des Europäischen Gerichtshofes besteht die Aussicht, dass sich auch die europäische Justiz der BBA-Jury bei ihrer Kritik an diesem dauernden Verstoß gegen die Datenschutzgrundrechte anschließt.


Autoren: padeluun, Thilo Weichert

Eine Chronologie

Der Metro-Skandal

Nachdem wir den BigBrotherAward an die Future Store Initiative der Metro AG verliehen, blieben wir weiterhin aktiv. Eine Chronologie der Ereignisse.
Eingang einer Metro-Filiale.

Metro ist nach eigenen Angaben einer der größten Handelskonzerne der Welt. In Deutschland gehören dazu große Ketten wie Media Markt, Saturn, real, extra, Praktiker, Galeria Kaufhof. Mit dieser Marktmacht versucht das Unternehmen, RFID flächendeckend einzuführen. Ein eigener Test-Supermarkt der Metro AG in Rheinberg bei Duisburg war das erste, was uns von Metros Aktivitäten ins Auge fiel. Was wir dort erlebten, ließ uns aufhorchen. Denn mit den Methoden, die bei der Einführung von RFID angewandt werden, hatten wir nicht gerechnet.

Vielleicht sind Sie über unseren Protest gegen den Metro-Konzern auf uns und die STOPRFID-Kampagne aufmerksam geworden? Dann finden Sie auf dieser Seite alle Hintergründe und Ereignisse im Zusammenhang mit dem Metro-Konzern. Überschreiben möchten wir das mit einem Zitat von Spiegel-Online:

„Es ist ein ungleicher Kampf - eine Handvoll ehrenamtlich arbeitender Enthusiasten des FoeBuD gegen Milliardenschwere Konzerne - doch er zeigt Wirkung.“

Aus gegebenem Anlass hier die Bitte: Unsere Arbeit ist komplett ehrenamtlich. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit für Ihre Privatsphäre mit einer Spende.

 

24. Oktober 2003: Der BigBrotherAward

Die Metro-Gruppe bekommt für den Feldversuch im Extra-Future-Store in Rheinberg vom FoeBuD e.V. in Bielefeld den Datenschutz-Negativ-Preis BigBrotherAward.

Mitte Januar 2004: Deutschland als leuchtendes Vorbild

Bei einer Fachtagung in New York wird der Future Store als DAS Beispiel für ein "erfolgreiches Test-Projekt" zur globalen Einführung der Schnüffelchips vorgestellt. "Die Deutschen sind technisch interessiert und aufgeschlossen und haben deshalb keine Berührungsängste mit RFID", heißt es dort.

31. Januar 2004: Wir besuchen den Future-Store - Der Deaktivator ist Augenwischerei!

Zusammen mit Katherine Albrecht von der Verbraucherschutzorganisation CASPIAN (Boston, USA) besuchen Rena Tangens, padeluun und mehrere weitere FoeBuD-Mitglieder den Future-Store. Wir werden offiziell von Markt- und Marketing-Vertretern der Metro durch den Markt geführt und bekommen viel zum Thema RFID erklärt. Fotogalerie

Am Ende der Führung zeigen die Metro-Vertreter Katherine Albrecht und den FoeBuD-Mitgliedern den sogenannten "Deaktivator", ein Gerät, das angeblich die Schnüffelchips in den Preisetiketten außer Kraft setzen soll. Als sie den Apparat betätigt, wird nur ein Teil der Informationen gelöscht (siehe Foto: Zahlenreihe oben) - der eigentlich "gefährliche" Teil, die eindeutig nur für diesen einen Schnüffelchip individuell vergebene Nummer, ist nicht gelöscht worden (Foto: Reihe unten).

(Zum Vergrößern auf das Bild klicken)
Foto: FoeBuD e.V.

 

"Wir können diese Nummer auch gar nicht löschen oder überschreiben", erklärt ein Metro-Vertreter, "sie ist vom Hersteller vergeben. Aber diese Nummer ist auch mit keiner unserer Datenbanken vernetzt." Ein FoeBuD Mitglied fragt, wann denn diese Nummer vernetzt werde - die Metro-Vertreter geben keine Antwort.

"Wir haben hier ein echtes Problem. Diese Chips werden nicht zerstört, sie werden nur schlafen geschickt. Und man kann sie jederzeit wieder aufwecken", ist Katherine Albrecht überzeugt.

Der "Deaktivator" am Ladenausgang ist Augenwischerei!

Wir wollen uns nicht auf Versprechungen verlassen,
sondern eine technische Lösung,
die das Ausspionieren der Kunden
durch die RFID-Technologie verhindert!

 

Katherine Albrecht wird bei ihrem Besuch noch von einer anderen Beobachtung überrascht: "Die deutschen Kundinnen und Kunden wissen gar nicht, was dort im Future Store wirklich passiert", ist ihr Fazit. "Die Hinweise auf RFID-Etiketten im Future-Store sind nicht ausreichend - und über die Risiken für die Privatsphäre wird nirgendwo ein Wort verloren." Dabei wird der Future-Store von RFID-Lobbyisten international als "DER gelungene Feldversuch mit RFID" angeführt (siehe oben, "Mitte Januar 2004").

1. Februar 2004: Wir finden den Chip in der Kundenkarte

p>"Die deutschen Kundinnen und Kunden sind Versuchskaninchen für die ganze Welt." Mit diesem Satz überrascht die Amerikanerin Katherine Albrecht die Besucher der FoeBuD-Veranstaltung im voll besetzten Bunker Ulmenwall zu ihrem Vortrag in der Reihe PUBLIC DOMAIN. Die Augen der RFID-Verantwortlichen seien auf Deutschland gerichtet, weil man hier wenig Widerstand erwarte. Fotogalerie
 

Während des weiteren Vortrags legen wir zufällig eine Kundenkarte des Metro-Future-Stores in Rheinberg auf unser RFID-Lesegerät. Und zu unserer Überraschung erscheint eine Identifikationsnummer.

Die Kundenkarte enthält einen RFID-Chip!

 

Katherine Albrecht ist minutenlang sprachlos. Kein Händler weltweit hat bisher zugegeben, dass er seine Kundenkarten mit einem RFID-Chip ausgestattet hat. Denn dadurch sind die ausgelesenen Daten eindeutig mit einer Person, die Waren und Karte trägt, verknüpfbar. Es kann so zum Beispiel ausspioniert werden, WER was wann und wo gekauft oder auch nur in die Hand genommen hat, WER vor welchem Regal wie lange stehen geblieben ist usw.

Mehr noch: Mit dem Auslesen des Schnüffelchips in der Karte könnten Kunden (theoretisch, denn die Metro AG beteuert, dies nicht zu tun) schon beim Betreten des Ladens eindeutig identifiziert werden. Man könnte - ebenfalls theoretisch - bestimmte, individuell zugeschnittene Sonderangebote auf den Werbe-Monitoren einblenden oder kundenspezifische Sonderangebote auf den digitalen Preisschildern machen (Preisdiskriminierung) - oder natürlich Preise für bestimmte, unbeliebte Kunden verteuern.

Der gläserne Kunde, berührungslos per Funk ausgelesen? Technisch ist das mit RFID inzwischen möglich. Das Ausspionieren der Kundinnen und Kunden geht in eine neue Dimension.

Future-Store-Payback-Kundenkarte der Metro Group
Dies ist die Future-Store-Payback-Kundenkarte
der Metro Group - Scan: FoeBuD e.V.

 

Nirgendwo im Laden oder in den Antragsformularen von Payback waren wir auf den Chip in der Kunden-Karte hingewiesen worden. Dabei betont die Metro-Gruppe immer wieder besonders ihre transparente Informationspolitik...

AGB-Scan Payback-Karte
(Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)
Scan: FoeBuD e.V.

 

Der Vollständigkeit halber: Neben den in dieser Broschüre erwähnten Stellen, an denen RFID im Future Store zum Einsatz kommt, wird im Pressepaper der Metro noch eine Stelle hinzugesetzt: Der De-Aktivator, der den Schnüffelchips das Schnüffeln abgewöhnen soll. Der Hinweis auf den Chip in der Metro-Payback-Kundenkarte fehlt.

Hier gerät ein Feldversuch ausser Kontrolle!

 

2. Februar 2004: Metro lügt!

Am Montag vormittag legen wir die Future-Store-Payback-Karte unter ein Röntgengerät.

Röntgenbild 1
Foto: FoeBuD e.V.

 

Eindeutig sind Schnüffelchip (rechts unten) und Antenne (die Streifen, die rechteckig um die Karte herumlaufen) zu erkennen. Und da ein Fernsehteam gleich zwei Stunden später das Bild vor einen Scheinwerfer gehalten und zerschmolzen hat, haben wir später noch ein Röntgenbild machen lassen (Danke!) -- auch hier gibt's beim Klick auf's Bild eine große Version.

Röntgenbild 2
Foto: FoeBuD e.V.

 

Als das Röntgenbild vorliegt, ruft Katherine Albrecht beim Future-Store-Sprecher an und fragt, wo die Kunden über die Schnüffelchips in der Karte informiert werden. In den Unterlagen? Oder direkt am Regal? Man bittet uns um Geduld.

Später am Montag bekommen wir von Metro Fotos zugesandt, auf denen kleine Schildchen mit Hinweisen auf RFID in den Kundenkarten am DVD-Regal zu sehen sind.

Metro-Foto vom DVD-Regal
Das DVD-Regal, Foto erhalten von der Metro AG am 2.2.04
(Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)
Foto: Metro AG, erhalten am 2.2.2004, Markierung von FoeBuD e.V. eingefügt

 

Was sie nicht ahnten: Wir hatten bei unserer Besichtigung am Samstag von einem Kind vor genau diesem Regal zufällig auch ein Foto gemacht und sind überrascht:
Auf unserem Foto sind eben diese Etiketten noch nicht da.

FoeBuD-Foto vom DVD-Regal
Das DVD-Regal, aufgenommen vom FoeBuD e.V. am 31.1.2004
(Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)
Foto: FoeBuD e.V.

 

Die Metro-Vertreter haben also anscheinend erst auf unsere Nachfrage hin die Regale nachgerüstet und aktuell am Montag fotografiert. Den Text auf den Schildchen haben wir auf einem anderen Foto von der Metro (auch am Montag) erhalten.

Schilder
Schilder am DVD-Regal groß
(Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)
Foto: Metro AG, erhalten am 2.2.2004

 

Wir haben am Samstag nur das linke Schild vorgefunden. Vergleichen Sie das Schriftbild: die vierte Zeile auf dem linken Schildchen enthält nur noch das Wort "versehen." Rechts ist die Zeile ganz gefüllt. Jetzt die Regal-Fotos: Die beiden Schildchen ganz links auf dem obren Metro-Foto haben eine lange vierte Zeile - dies sind die neu hinzugekommenen Hinweise auf den RFID-Chip in der Kundenkarte. Zum Vergleich noch einmal beide Bilder direkt übereinander:

Das DVD-Regal "Nachher-Vorher" im direkten Vergleich
oben: Metro 2.2., unten: FoeBuD 31.1.
(Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)

 

Die Stelle, an denen die Fotos gemacht wurden, ist offensichtlich nahezu identisch. Achten Sie auf die DVDs im Ständer: ganz links steht auf beiden Bildern noch der Film "Düstere Legenden", drei Plätze weiter der Film "K-19". Die DVDs dazwischen sind offensichtlich zwischen den beiden Foto-Zeitpunkten umgesteckt bzw. verkauft worden. Auf dem oberen Bild sind vier weiße Schildchen zu sehen. Auf dem unteren nur zwei, das rechte davon hellgrau.

Wir veröffentlichen die Fotos im Internet. Mehrere Journalisten fragen daraufhin bei der Metro nach. Dort heißt es, "diese Schildchen am DVD-Regal hingen bereits "seit ein paar Wochen" dort. Die Marktleitung versucht also, auch der Presse gegenüber die Brisanz zu verschleiern!

Mit diesem Tag starten wir unsere StopRFID-Kampagne.

 

 

27. Februar 2004: Metro zieht den Chip aus den Kundenkarten zurück

Einen Tag vor einer geplanten Demonstration vor dem Future-Store kündigt die Metro-Gruppe in einem Fax an den FoeBuD e.V. in Bielefeld an, den RFID-Chip aus den Kundenkarten zu entfernen und bereits ausgegebene Karten umzutauschen.

Mit den Worten "Diese Maßnahme wird sie mehrere tausend Euro kosten", wertet padeluun vom FoeBuD e.V. das Fax als vollen Erfolg der STOP RFID-Kampagne. "Aber die Metro-Gruppe steht auch unter Druck. Immerhin haben wir es mit unserer Kritik bis in den DAX-Abschlussbericht und den ARD-Börsenbericht geschafft. Der Kurs der Metro-Aktien ist zeitweise ziemlich gefallen... Aber: Unsere Forderungen sind damit nur zum Teil erfüllt. Wir demonstrieren morgen trotzdem!"

28. Februar 2004: Wir demonstrieren in Rheinberg

Trotz Schneechaos in Nordrhein-Westfalen demonstrieren knapp 50 RFID-GegnerInnen in Rheinberg bei Duisburg. Aufgerufen vom FoeBuD e.V. in Bielefeld fordern sie die Metro-Gruppe als Betreiber des Future-Store auf, den "Feldversuch RFID" auszusetzen, bis ein Gremium aus Daten-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschützern über die Gesellschaftsverträglichkeit der neuen Technologie entschieden hat.

Vom Bahnhof aus ziehen sie bei strahlendem Sonnenschein und Schnee auf den Strassen mit Schildern und einem Trauerkranz "Für die Privatsphäre" gut 4 Kilometer durch Rheinbergs Innenstadt. Die Bürgerinnen und Bürger von Rheinberg bekommen Flugblätter überreicht und erkundigen sich interessiert bei den DemonstrantInnen nach weiteren Informationen. Bislang sind sie über die Aktivitäten des "Future Store" in ihrer Nachbarschaft ja nur von den Ladenbetreibern selbst informiert worden. Jetzt erfahren sie teilweise erstaunt, dass nicht alles Gold ist, was dort glänzt. (Fotos zur Demo in Rheinberg am 28.2.2004)

Das Ziel der Demonstration ist die schmale Rasenfläche vor dem Future-Store Parkplatz. Hier gehen erst Fotografen und Kameraleute ihrer Arbeit nach, dann verlesen padeluun und Claudia Fischer vom FoeBuD e.V. die Kritik am RFID-Test im Future-Store und die Forderungen aus dem Demo-Aufruf. Auch hier treffen sie auf interessierte Kundinnen und Kunden. So mancher lässt das Einpacken seiner Wochenendeinkäufe in den Kofferraum ruhen und hört der Kundgebung zu.

"Die Demonstration war erfolgreich", fasst padeluun vom FoeBuD e.V. den Tag zusammen. "Die Rheinberger Bürgerinnen und Bürger haben erfahren, welches Risiko sie mit den RFID, die sie im Future Store bekommen, auf sich nehmen. Und wir müssen jetzt unsere nächsten Schritte planen."

Die Kunden-Karte mit RFID war bereits am Demonstrations-Samstag im Future-Store nicht mehr erhältlich.

8. April 2004: Die Karten sind ausgetauscht

Die Metro AG hat gut sechs Wochen nach ihrer Ankündigung tatsächlich die Kundenkarten mit RFID gegen neue ohne Schnüffelchip ausgetauscht. Nach eigenen Angaben waren bereits ca. 10.000 Stück im Umlauf. Die Kundinnen und Kunden haben die neue Karte bekommen, die mit dem guten alten Barcode funktioniert. Im Begleitschreiben zur neuen Karte heißt es: "Die heute im Extra Future Store Rheinberg verwendete RFID-Technologie ist für Sie vollkommen unbedenklich und verstößt in keiner Weise gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. ... Um dennoch verschiedenen öffentlich gewordenen Vorbehalten gegenüber RFID-Chips in Kundenkarten zu begegnen, haben wir uns für einen Austausch der Extra Future Card entschieden."

Zusätzlich zum Austausch schreibt die Metro AG allen betroffenen Kundinnen und Kunden 50 Extra-Payback-Punkte gut (das entspricht 50 Cent - bei 10.000 Karten sind alleine das 5000 Euro).

Interpretation des FoeBuD: Nachdem namhafte Datenschutzbeauftragte angedeutet haben, dass der RFID in der Kundenkarte ohne ausreichende Information an die Kunden gegen Datenschutzgesetze verstoßen könnte, ist die Metro AG einem eventuellen Gesetzesverstoß zuvor gekommen. Und das ist ihnen die Kosten für den Austausch wert. Nicht zuletzt ein Erfolg der STOPRFID-Kampagne!

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Message of Support

Simon Davies ist der Begründer der BigBrotherAwards. 1998 fand die erste Verleihung in England statt, 1999 zusätzlich in Österreich. Im Jahr 2000 wurden sie dann auch in der Schweiz und in Deutschland verliehen.

Es ist mir eine wirkliche Freude, einige Worte zu den diesjährigen Big Brother Awards sagen zu dürfen.

Bevor ich beginne, möchte ich den Organisatoren und Unterstützern der Awards meine herzlichsten Glückwünsche aussprechen. Österreich, Deutschland und die Schweiz haben in enger Zusammenarbeit Veranstaltungen von hervorragender Qualität hervorgebracht. Ihre Initiative und Motivation waren vorbildlich. Der 26. Oktober wird zweifellos ein ernüchternder Tag für viele Eindringlinge in die Privatsphäre und gleichzeitig ein wunderbarer Festtag für Freunde der Privatsphäre werden.

Die Awards sind zu einem hervorragenden Erfolg geworden. Seit 1998 haben sie sich von Großbritannien, den USA und Österreich nach Deutschland, in die Schweiz, nach Frankreich und sehr bald nach Ungarn, Dänemark und in die Niederlande verbreitet. Und noch mehr Länder bereiten eine Preisvergabe in der nahen Zukunft vor.

Der Bedarf für Big Brother Awards war noch nie so dringend. Seit den tragischen Ereignissen vom 11. September haben sich Angriffe auf Privatsphäre und Datenschutz noch über unsere schlimmsten Befürchtungen hinaus beschleunigt. Regierungsvertreter in Ost und West haben für die gemeinsame Suche nach einer größeren gesellschaftlichen Sicherheit eine "Neubewertung" individueller Freiheiten und der Privatsphäre proklamiert. In anderen Worten, die Regierungen streben nach einer deutlichen Ausweitung der Möglichkeiten des Staates, alle Bürgerinnen und Bürger zu kontrollieren und möglichst viele Menschen umfassend zu überwachen.

Einige der Überwachungsinitiativen, die in den letzten Wochen vorgeschlagen wurden, haben vielleicht einen gewissen Nutzen, aber die meisten wollen einfach die Gunst der Stunde nutzen und schlechte Vorschläge der Vergangenheit, die bisher nicht ausreichend Unterstützung fanden, nun erneut durchsetzen.

Einige Politiker haben bereits den Schutz der Privatsphäre ins Visier genommen und suggerieren, daß dieses Grundrecht terroristische Aktivitäten fördere und die Arbeit der Rechtsorgane behindere.

Dieser Trend hat sich über mehrere Jahre hinweg abgezeichnet und die Gesetzgebung in vielen Ländern geprägt. Betroffen von einer Zunahme zivilen Ungehorsams, hat man zu Einschnitten in die Rechte der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit gegriffen. Sorgen über gesetzfreie Räume im Internet boten einen Nährboden für neue, weitreichende Befugnisse in der staatlichen Kommunikationsüberwachung. Ängste vor Verbrechen spornten Regierungen an, die Verbreitung der Videoüberwachung zu propagieren. In Folge solcher Aktionen können freiheitliche Gesellschaften bald zu Überwachungsgesellschaften werden.

Mit jeder neuen Welle öffentlicher Angst über Verbrechen und Unsicherheit wird die empfindliche Waage zwischen staatlicher Macht und individuellen Rechten neu tariert. Leider wird diese Neuausrichtung meist weder von einer öffentlichen Diskussion noch von besonnener Abwägung begleitet. Die Bedrohung wird selten abgeschätzt, Folgen werden selten vorausgesehen, Alternativen selten erwogen. Die jüngsten Ereignisse in den USA können werden diese gesellschaftlichen Gräben nur noch weiter vertiefen können.

Die Big Brother Awards am 26. Oktober werden ein wichtiges Mittel sein, die Öffentlichkeit auf die aktuelle Bedrohung des Rechtes auf Privatsphäre aufmerksam zu machen. Die Awards werden Privatsphären-Verletzern zeigen, daß die Beobachter beobachtet werden. Und vor allem werden diese Veranstaltungen viele Unterstützer und Schützer der Privatsphäre aktivieren.

Ich möchte nochmals allen Beteiligen an den Awards meine herzlichsten Glückwünsche aussprechen. I freue mich und bin gespannt auf einen aufregenden und wichtigen Abend.

Simon Davies
Gründer und Direktor von "Privacy International"

Credits und Danksagungen 2000

Menschen, Organisationen und Institutionen ohne die das Projekt BigBrotherAwards 2000 unmöglich gewesen wäre.
Menschen, Organisationen und Institutionen ohne die das Projekt BigBrotherAwards 2000 unmöglich gewesen wäre.

FoeBud e.V.

FITUG e.V.

Designer Rose, Wien

Jörg Baach, Mediathek

Chaos Computer Club e.V.

Bunker Ulmenwall

Privacy International

Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V.

Art d'Ameublement

Über die BigBrotherAwards

Spannend, unterhaltsam und gut verständlich wird dieser Datenschutz-Negativpreis an Firmen, Organisationen und Politiker.innen verliehen. Die BigBrotherAwards prämieren Datensünder in Wirtschaft und Politik und wurden deshalb von Le Monde „Oscars für Datenkraken“ genannt.

Ausgerichtet von (unter anderem):

BigBrother Awards International (Logo)

BigBrotherAwards International

Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden fragwürdige Praktiken mit diesen Preisen ausgezeichnet.