Die BigBrotherAwards werden live im Internet übertragen. Die Übertragungen beginnen jeweils mit der Zermeonie und enden mit ihr.

Wir
nutzen dies für ein kleines Statement gegen Software-Patente und
verwenden das freie Videoformat "Theora" (http://www.theora.org), das analog zum inzwischen
verbreiteten Audioformat "Vorbis" per OGG transportiert
wird.

Das in die Streaming-Seite eingebundene Sub-Fenster (Inline-Frame) versucht, für möglichst viele Browser ein passendes Format für den Stream auszuwählen. Die Ogg/Theora-Streamdaten werden entweder in eine HTML-5-Seite (browser-eigener Player) oder eine Seite mit einem Java-Player-Applet "verpackt", oder es werden direkt die Streamdaten ausgeliefert.

Für Fälle, in denen das Applet nicht genutzt werden kann oder soll,
ist es möglich, den Stream direkt zu nutzen. Die nach Ogg/Theora
komprimierten Daten lassen sich mit jeder
"Player-Applikation" abspielen, die dieses Format
prinzipiell versteht. Dazu gehören beispielsweise mplayer, xine, helix player und der VideoLAN
client (VLC)
, von denen die gängigen Betriebssysteme mehr oder weniger
abgedeckt sein müssten. So genannte Directshow filters sind
auch für Windows erhältlich (für VLC werden sie aber nicht benötigt). Verbinden Sie den Player dazu mit der Adresse http://streaming.fargonauten.de/bba2011.pls
(Vorsicht, schauen Sie genau hin: Achten Sie darauf, sich keine Toolbar o.ä. zu installieren)

Als Software für die Streaming-Lösung verwenden wir "Flumotion" (http://www.fluendo.com/). Das Java-Applet nennt sich
"Cortado" und stammt ebenfalls aus dem Hause Fluendo.

Wir planen, die gestreamten Videodaten nach einer gewissen Bearbeitungzeit auch als
Archiv zur Verfügung zu stellen und auch als DVD im digitalcourage-Shop anzubieten. Ergebnisse wird auf diesen Seiten
bekannt gegeben.

Streaming mit freundlicher Unterstützung von:

Fluendo.com
fluendo.com (Barcelona, Spanien)
Teuto.de
teuto.net (Bielefeld)




Die Verleihung der deutschen BigBrotherAwards können Sie sich hier am Freitag, 11. April 2014, ab ca. 17:45 Uhr live ansehen.

Den Ton des Streams gibt es auch in einer Nur-Audio-Version als OGG oder MP3.

Hinweis: Für den Internet Explorer benötigen Sie die Software "WebM for Internet Explorer", die Sie sich unter https://tools.google.com/dlpage/webmmf/ herunterladen können.

Mit freundlicher Unterstützung von:

Teuto.de
teuto.net (Bielefeld)

Sonderpreis: Szene (2000)

Apache

Ein Sonderpreis für das Apache Consortium für die mangelhafte Beachtung von Belangen der Privatsphäre in der Standargkonfiguration des Apache Webservers.
Laudator.in:
Lächelndes Gesicht von Hans Hübner mit Brille und Kopfhörern auf
Hans Hübner, Chaos Computer Club (CCC)

Der BigBrotherAward der Sonder-Kategorie "Szene" geht an das Apache Consortium für die mangelhafte Beachtung von Belangen der Privatsphäre in der Standardkonfigurationsdatei des Apache Webservers.

Gründe

Der Apache Webserver ist mit geschätzten 40-60 Prozent Marktanteil einer der meistverwandten Webserver im Internet. Er ist als Open Source Software kostenlos verfügbar und wird sowohl von kommerziellen als auch privaten Internet-Anbietern eingesetzt.

Die Konfiguration des Apache-Webservers erfolgt über eine Textdatei, in der alle Parameter einstellbar sind. Insbesondere wird hier auch festgelegt, welche Art von Protokollierung beim Betrieb des Webservers durchgeführt werden soll. Neben den unbedingt notwendigen Informationen wie dem Namen der abgerufenen Seite werden durch das im WWW verwendete http-Protokoll auch vielfältige weitere Informationen standardmässig übertragen, die die Privatspäre des Benutzers mittelbar oder unmittelbar betreffen und die von jedem Webserver protokolliert werden können.

In der Standard-Konfiguration protokolliert der Apache Webserver unter anderem die IP-Adresse des Abfragenden und die Namen der abgerufenen Webseiten mit. Diese Informationen stellen eine Verletzung der Privatsphäre des Benutzers dar, da mit Hilfe von verhältnismässig einfachen Analysewerkzeugen im Nachhinein ermittelbar ist, welcher Anwender welche Seiten in welcher Reihenfolge abgerufen und wie lange er sie sich angesehen hat.

Die Standardkonfigurationsdatei des Apache Webserver bietet über diese grundsätzlichen Protokollierungsfunktionen hinaus sehr einfach einzuschaltende zusätzliche Protokollierungsmöglichkeiten. So können Informationen wie der "Referer", also der Name der vom Benutzer vorher besuchten Seite oder die vom Benutzer verwandte Browsersoftwareversion mitprotokolliert werden.

Diese Protokollierungsfunktionen werden in der Standardkonfiguration ausschließlich technisch erklärt. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß die Verwendung dieser Funktionen möglicherweise die Privatsphäre der Anwender verletzt.

Die Verwendung von umfangreichen Protokollierungen in einer Standardsoftware wie dem Apache Webserver muß grundsätzlich infrage gestellt werden. Aus Gründen der informationstechnischen Hygiene sollten Protokollinformationen nur dann erzeugt werden, wenn sie für den Betrieb der Einrichtung technisch unabdingbar sind. Über durchgeführte Protokollierungen muß der Anwender klar und eindeutig informiert werden, bevor er einen Dienst in Anspruch nimmt.

Der Apache Webserver verdient die Nominierung in besonderem Maße, denn die Standardkonfiguration fordert zur Erhebung vollständig unnötiger Daten im großen Umfang geradezu heraus. Resultat sind global verteilte Datenschleimspuren, über die die Anwender nicht informiert werden und die die Begehrlichkeit der Bedarfsträger geradezu herausfordern.

Laudator.in

Lächelndes Gesicht von Hans Hübner mit Brille und Kopfhörern auf
Hans Hübner, Chaos Computer Club (CCC)
Jahr
Kategorie
Regional (2000)

Stadtwerke Bielefeld

Hier werden die Stadtwerke Bielefeld für Zwangsbeschallung der Gäste seiner Linienbusse ausgezeichnet.
Laudator.in:
Sebastian Lisken bei der BBA-Gala 2008
Sebastian Lisken, Digitalcourage

Der BigBrotherAward der Sonder-Kategorie "Regional" geht an die Stadtwerke Bielefeld Verkehr GmbH für ihre Idee, in vier Linienbussen eine Zwangsbeschallung mit dem Programm des lokalen Radiosenders "Radio Bielefeld" einzurichten. Wir halten die akustische und gedankliche Besetzung eines bisher freien Raums für preiswürdig. Verschärfend preiswürdig halten wir, dass diese Maßnahme mit Mitteln der Suggestion, Verfälschung und Demoskopie zu einem Erfolg stilisiert wird.

Gründe

Die Stadtwerke Bielefeld setzen seit Dezember 1999 vier Busse im Linienverkehr ein, in denen die Fahrgäste mit dem lokalen Privatsender "Radio Bielefeld" beschallt werden. Das hat natürlich nichts dem Kernthema des Big Brother Award, mit personenbezogenen Daten zu tun. Und doch ist mit dieser Idee ein beeindruckendes Stück Orwellscher Phantasien realisiert worden. Das soll im folgenden erklärt werden.

Eines der Anliegen des Big Brother Award ist der Schutz des Bürgerrechts auf Privatsphäre. Hat der Aufenthalt in einem öffentlichen Verkehrsmittel etwas mit Privat-sphäre zu tun? Durchaus, denn was ist ein ganz wichtiger Grund, vom Individualverkehr umzusteigen in Bus und Bahn? Man hat einen Chauffeur, kann also die Fahrtzeit für andere Dinge nutzen. Wofür zum Beispiel? Am häufigsten genannt wird hier sicher das Lesen, ob es nun der Unterhaltung dienen soll oder der Weiterbildung. Wer nicht liest, möchte vielleicht über den kommenden Arbeitstag nachdenken oder sich mit Bekannten unterhalten. (Stellen Sie sich also vor, ich müßte Ihnen diese Rede vor dem Hintergrund einer Sendung von Radio Bielefeld halten.) Busse und Bahnen sind also eine Sphäre im Übergang zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, ein akustischer und gedanklicher Freiraum. Bisher haben die Verkehrsunternehmen auch selbst mit diesem Vorteil geworben und diesen Freiraum geschützt. Lesen wir nach in den gültigen Beförderungsbedingungen, § 4 Abs. 2 Satz 8: "Fahrgästen ist insbesondere untersagt, Musikinstrumente, Tonwiedergabegeräte, Tonrundfunkgeräte, Fernsehgeräte und lärmerzeugende Gegenstände zu benutzen". Und nun macht sich ein Verkehrsunternehmen selbst zur größten Lärmquelle? Es stimmt tatsächlich - man hat sogar nach einigen Monaten zwei von vier Bussen umgerüstet, in denen zunächst statt einer Zwangsbeschallung für alle eine Übertragung per Kopfhörer geboten worden war. Wie kam es zu dieser totalen Umkehrung bisher anerkannter Verhaltensregeln?

(Wer Orwells "1984" gelesen hat, kennt schon eine mögliche Erklärung: "double-think", das Prinzip, mit dem noch ganz andere Widersprüche möglich sind.)

Die Idee entstand offenbar ganz unschuldig bei den Stadtwerken anläßlich der Anschaffung neuer Busse. Bald wurde eine Marketing-Maßnahme daraus. Man entschied sich für Radio Bielefeld, den Sender mit dem größten "Marktanteil", trat an den Sender heran und traf eine Vereinbarung. Die Ausstrahlung des Radioprogramms wurde als Verkehrsmittelwerbung bewertet und von Radio Bielefeld nicht bezahlt, sondern durch Sendezeit abgegolten: Radio Bielefeld präsentiert zu bestimmten Anlässen Sendungen direkt aus den Bussen über Themen des öffentlichen Nahverkehrs.

Nachdem man sich in dieser Weise festgelegt hatte, wurde es wirklich ein Stück aus dem Orwellschen Drehbuch. Von Anfang an war es den Fahrerinnen und Fahrern unmöglich, einen anderen Sender als Radio Bielefeld auszuwählen. Im Gespräch mit Fahrern hörte ich, daß sie das Programm auch nicht abstellen konnten, nur leiser drehen. Das stimmt allerdings nicht, nach Auskunft der Stadtwerke: Die Fahrer seien für die Sicherheit verantwortlich und könnten sich deshalb natürlich entscheiden, die Übertragung abzustellen - auch auf Bitten eines Fahrgastes. Die Frage ist nur: welcher Fahrgast wagt es, um das Abstellen des Radios zu bitten, wenn der Fahrer selbst und alle anderen es nicht tun? (Wer fühlt sich jetzt noch nicht an die Orwellschen "telescreens" erinnert? Ausstrahlung von stimmungsmachender Musik und "Informationen" ist eine ihrer Funktionen, die andere ist Überwachung, was das Busradio natürlich nicht leisten kann.)

Tatsächlich muß man sich offenbar einer extremistischen Randgruppe zugehörig wähnen, wenn man sich von den Radioausstrahlungen gestört fühlt. Seit Beginn des Versuches veröffentlichen Stadtwerke, Radio Bielefeld und die hinter dem Sender stehende Lokalzeitung Neue Westfälische eifrig Erfolgsmeldungen, mit Zustimmungsraten von über 90% bei den befragten Fahrgästen. Das wurde unter anderem über eine Postkartenaktion ermittelt, in der zum Beispiel gefragt wurde: Wie gefällt Ihnen das Radio im Bus? Antworten: "sehr gut", "gut" und "nicht gut" (nach Orwell: "ungut"). Abgesehen von der fragwürdigen Skala: Wer hat die Befragten sensibilisiert, zu unterscheiden zwischen ihrer individuellen und momentanen Bewertung des Radioprogramms einerseits und der Frage, ob sie eine Zwangsübertragung für alle Fahrgäste befürworten, andererseits? Radio Bielefeld mag den größten Marktanteil haben, aber natürlich gibt es auch Menschen, die das Programm unausstehlich finden: Mainstream-Popmusik, inhaltlich flach, "durchhörbar", aufgeputschte Stimmungsmache und immer wieder Werbung. Aber das Prinzip "Schutz von Minderheiten" und "Schutz vor Belästigungen" zählt nicht und wird ersetzt durch ein System irgendwo zwischen Mehrheitsentscheidung und einer zu Werbezwecken mißbrauchten Demoskopie.

("You must love Big Brother." - George Orwell)

Es soll hier aber nicht um meine Bewertung von Radio Bielefeld oder um einen bestimmten Musikgeschmack gehen. Das Problem ist, daß ein Busradio nicht einem Autoradio gleichgesetzt werden kann. Hier eine Zwangsbeschallung, dort die Möglichkeit der individuellen Programmwahl mit der Möglichkeit zum Abschalten. Ich bin sicher, daß die Stadtwerke so keine Fahrgäste gewinnen werden, im Gegenteil: Man gibt den gerade erklärten Vorteil auf und wird jene Kunden verlieren, denen dieser Freiraum wichtig ist und denen die Fähigkeit fehlt, das Programm geistig auszublenden.

(eines von drei Mottos der "Partei" in 1984: Ignorance is Strength - freie Übersetzung: Ignorieren können hilft beim Busfahren.)

Es bleibt nur zu hoffen, daß bei den Stadtwerken Einsicht einzieht und dieser Versuch eingestellt wird. Vielleicht kann der Big Brother Award dazu einen Beitrag leisten. Die Entscheidung über eine Fortführung des Probebetriebs wird im Dezember 2000 gefällt.

Laudator.in

Sebastian Lisken bei der BBA-Gala 2008
Sebastian Lisken, Digitalcourage
Jahr
Kategorie
Lebenswerk (2000)

Bundesverwaltungsamt

Diese Auszeichnung geht an das Bundesverwaltungsamt, Köln, für sein Ausländerzentralregister.
Laudator.in:
Dr. Thilo Weichert am Redner.innepult der BigBrotherAwards 2021.
Dr. Thilo Weichert, DVD, Netzwerk Datenschutzexpertise

Der BigBrotherAward der Kategorie "Lebenswerk" geht an das Bundesverwaltungsamt in Köln für sein Ausländerzentralregister. Die Datenbank mit den Angaben zu mehr als 10 Mio Personen dient vor allem der Überwachung von Ausländerinnen und Ausländern, um diese im Zweifel außer Landes schaffen zu können.

Gründe

Mit dem seit 1953 beim Bundesverwaltungsamt in Köln geführten Ausländerzentralregister (AZR) erfolgt bis heute eine institutionalisierte behördliche Diskriminierung von nichtdeutschen BürgerInnen in der Bundesrepublik. Die Datenbank mit den Angaben zu mehr als 10 Mio. Personen dient vor allem anderen der Überwachung von AusländerInnen, um diese im Zweifel außer Landes schaffen zu können. Der Betrieb des AZR sowie das hierzu erlassene AZR-Gesetz sind wegen des Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig. Die Erfassung von nichtdeutschen EU-Staatsangehörigen verstößt gegen Europarecht.

Die zentrale Ausländererfassung hat in Deutschland seit der mit der Ausländerpolizeiverordnung eingeführten Ausländerzentralkartei von 1938 Tradition. Zum Zweck der “verstärkten Überwachung der Ausländer im Bundesgebiet” wurde das AZR nur kurz nach dem Sturz des Nationalsozialismus in Deutschland im Jahr 1953 eingeführt. Als bis dahin größte bundesweite Datei wurde sie schon im Jahr 1967 automatisiert. Obwohl das Bundesverfassungsgericht 1983 klargestellt hatte, dass eine solche Datenbank ohne gesetzliche Grundlage verfassungswidrig ist, wurde eine gesetzliche Grundlage erst mehr als 10 Jahre später, im Jahr 1994 geschaffen.

Im AZR wird jeweils ein umfangreicher Datensatz von über 10 Millionen AusländerInnen gespeichert. Gespeichert werden nicht nur Daten zum Zweck der Identifzierung und Aktenerfassung, sondern Angaben zum gesamten Lebenslauf oder zu polizeilichen Erkenntnissen. Gespeichert werden zudem Begründungstexte von für die Person negativen, nicht aber von positiven ausländerrechtlichen Entscheidungen. Diese Daten werden allen Behörden in Deutschland zur Verfügung gestellt, allen voran neben den Ausländer- und Asylbehörden der Polizei und den deutschen Geheimdiensten. Die Betroffenen werden über die Erfassung nicht informiert. Selbst das verfassungsmäßige Recht auf Auskunft über die eigenen Daten auf Antrag wird durch hohe bürokratische Hürden hintertrieben.

Die Nutzungsmöglichkeiten - und Befugnisse zu Kontroll- und Überwachungszwecken sind dagegen fast ohne Begrenzung: Jede deutsche Behörde kann im AZR nach einer Ausländerin oder einem Ausländer per Suchvermerk-Ausschreibung fahnden lassen. Unter dem harmlosen Begriff “Gruppenauskunft” werden der Polizei und den Geheimdiensten Rasterfahndungen ermöglicht. Insbesondere die sog. Sicherheitsbehörden können den teilweise hochsensiblen Datenbestand des AZR online und ohne effektive Kontrolle abrufen und nutzen.

Mit dem AZR als zentralem Instrument, um das die Erfassungen in den Ausländerbehörden, bei der Polizei (INPOL), bei der Generalbundesanwaltschaft (Bundeszentralregister), des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl., ASYLON) und der Geheimdienste (NADIS) gruppiert sind, ist die Gruppe der Nichtdeutschen in Deutschland die am intensivsten und besterfasste und überwachte Bevölkerungsgruppe. Die im AZR gespeicherten Daten mögen im Einzelfall behördliche Entscheidungen beschleunigen; in jedem Fall ist das AZR von der Grundstruktur dazu angelegt, für die Betroffenen nachteilige Behördenentscheidungen zu treffen. Diese werden als gesellschaftliches Risiko und potenzielle Rechtsbrecher behandelt.

Wegen dieser verfassungswidrigen Diskriminierung haben neun Betroffene 1995 Verfasungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Obwohl die gesetzlich vorgesehene Diskriminierung von Millionen von Menschen weiter fortgesetzt wurde, sind diese Verfassungsbeschwerden bis heute nicht verhandelt, geschweige denn entschieden worden. Auch nach dem Regierungswechsel auf Bundesebene 1998 wurden nicht einmal im Ansatz Bestrebungen unternommen, das Maß der Kontrolle durch das AZR zurückzunehmen.

Vielmehr wird im Bundesinnenministerium weiterhin das Ziel verfolgt, den Umfang der Daten im AZR sowie die Befugnisse des Registers auszuweiten. Auch wenn sich angesichts der offenen Ausländerfeindlichkeit von Rechtsextremisten alle demokratische Parteien verbal gegen die Diskriminierung von AusländerInnen aussprechen, wird die behördlich institutionalisierte Diskriminierung dieser Menschen nicht nur akzeptiert, sondern ausgeweitet.

Der Preis wird persönlich übereicht an den Präsidenten des Bundesverwaltungsamtes (BVA) Dr. Jürgen Hensen, od. an den Abteilungsleiter III 5 des BVA - Ausländerzentralregister (AZR).

Literaturhinweis: Thilo Weichert, AZRG - Kommentar zum Ausländerzentralregistergesetz, 1998

Laudator.in

Dr. Thilo Weichert am Redner.innepult der BigBrotherAwards 2021.
Dr. Thilo Weichert, DVD, Netzwerk Datenschutzexpertise
Jahr
Kategorie
 
 
Sicher sind Ihnen beim Surfen in den Weiten des WWW bereits Links aufgefallen, die statt mit dem üblichen http:// mit https://beginnen. Hinter diesem angehängten "s" verbirgt sich ein wesentlicher Unterschied: Sie können sich hier nämlich zweier Dinge relativ sicher sein, die Ihnen normalerweise niemand garantiert. Und zwar, dass
  1. exakt die Seite, die Sie sich ansehen, von einer Person oder Institution betrieben wird, deren Verantwortlichkeit von der zertifizierenden Organisation überprüft wurde und dass

  2. niemand die Daten, die Sie mit dieser Webseite austauschen, auf dem Weg zu Ihrem Rechner ausspionieren oder verändern kann.

Für den Betrieb dieser Seite hat das besondere Bedeutung. Wir möchten vermeiden, dass zum Beispiel eine Betriebsrätin beim Versuch, ihre Chefin für einen BigBrotherAward zu nominieren, ohne ihr Wissen ein Formular des betrieblichen Sicherheitsdienstes nutzt. Gleiches gilt für alle Informationen zu den BigBrotherAwards – jegliche Fälschungen sollen möglichst schwer zu erreichen und vertuschen sein.

Also garantieren wir Ihnen mit Unterstützung der unabhängigen Zertifizierungsstelle "Let's Encrypt", dass Sie auf diesen Seiten mit dem Digitalcourage e.V. in Bielefeld kommunizieren, der die BigBrotherAwards ausrichtet. Ihr Browser bietet die Möglichkeit, die Korrektheit unseres Zertifikats zu überprüfen. Bitte machen Sie Gebrauch davon.

Bei Nachfragen senden Sie bitte eine eMail an mail@digitalcourage.de. Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis,

Ihr Digitalcourage-Team

 

Tadel & Lob (2002)

Tadelnde Erwähnungen

Hier werden diejenigen erwähnt, die - unter dem starken Konkurrenzfeld leidend - knapp an einer Auszeichnung vorbeiwirtschafteten oder -regierten.

K&M Elektronik AG

... die K&M Elektronik AG für ihre Praxis, auch im Ladengeschäft bei Bareinkäufen die vollständige Anschrift der Kundinnen und Kunden abzufragen.

Brainpool AG

... die Brainpool AG für das – mittlerweile abgesetzte – "Bimmelbingo", bei dem Leute nachts aus dem Schlaf geklingelt wurden und sich später im Fernsehen "bewundern" durften. Empörte Reaktionen wurden als "Einverständnis" gewertet.

Regierungspräsident Büssow, Düsseldorf

... Regierungspräsident Büssow für den Aufbau einer zentralen Zensurstruktur, deren Ausmaße er wahrscheinlich selber nicht versteht inklusive Protokollierung von Zugriffen auf "nicht zulässige Webseiten".

Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V.

... der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V. für das massive Promoten von Videoüberwachung aus rein kommerziellen Gründen. Bürgerrechte sollen Lobbyinteressen geopfert werden.

Bosch, Sicherheitssysteme Ottobrunn

... die Firma Bosch. Sie baut sich immer weiter als Überwachungskonzern aus (z.B. durch den jüngst erfolgten Zukauf der Videoüberwachungssparte von Philips). Auf der Security-Messe in Essen stellten sie Bewegungsmelder mit einem winzigen Löchlein aus. Das "winzige Löchlein" ist das Objektiv einer versteckten Kamera. Das war bisher das Geschäftsfeld von eher dubiosen Unternehmen. Oder sind nur so die Absatzmärkte Südostasien und China zu befriedigen?

Frankfurter Sparkasse von 1822 direkt

... die Frankfurter Sparkasse von 1822 direkt. Sie teilt es in ihren neuen AGBs nur mal eben kurz online mit, dass zukünftig alle Daten an Scoringunternehmen (siehe BigBrotherAwards vom letzten Jahr) weitergegeben werden. Wenn nicht innerhalb sechs Wochen widersprochen wird, treten die neuen Regeln in Kraft.

HaSpa, Hamburger Sparkasse

... die Hamburger Sparkasse Haspa, die gleich vorsorglich kündigt, wenn man sich mit den Änderungen des Absatz 7 AGB (Aufhebung des Bankgeheimnisses, Datenverarbeitung auch im Ausland) nicht einverstanden erklärt.

Deutsche Telekom

... die Deutsche Telekom für die Veröffentlichung der Geheimadresse des Frauenhauses, eine Zuflucht für mißhandelte Frauen und Kinder, in Tübingen im Telefonbuch und im Internet. Das Frauenhaus mußte deshalb sicherheitshalber umziehen. Anscheinend ist der Telekom immer noch nicht klar, welche Probleme der (fahr)lässige Umgang mit diesen Daten haben kann.

VPAZ-GmbH, Leichlingen

... die VPAZ GmbH (Aktiver Internationaler Vermieterschutz Service) für das Betreiben einer sog. Vermieterschutz-Datenbank im Internet. In dieser Datenbank können "böse Mieter" online abrufbar gemacht werden. Für jeden gemeldeten "bösen" Mieter, bekommt der denunzierende Vermieter eine Auskunft gratis ...

BAFin, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

... die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die laut Gesetz auf Informationssysteme der Banken direkt zugreifen darf. Dies dürfen die Banken nicht bemerken. Das bedeutet, dass die Banken auch für Bankräuber mit Hackerkenntnissen Schlupflöcher lassen müssen, ohne derartige Aktivitäten auch nur zu registrieren. Bezug: § 24c KWG

Telekom // Happy Digits

... Deutsche Telekom + T-mobile und weitere angeschlossene Firmen wie z.B. die Karstadt AG. Auch diese bieten so einen Unsinn wie "Rabatt"systeme, in diesem Fall "Happy Digits" genannt, an. Interessant ist, dass man hier wenigstens gleich auf halbwegs vernünftige Prämien verzichtet hat. Denn bei ca. monatlich 50 Euro Telefonumsatz bekommt man erst nach 70 Jahren den DVD-Player und nach 131 Jahren eifrigem telefonieren, bekommt man das (dann sicherlich sehr notwendige – und sicher dann auch notwendige) Wellness-Wochenende.

Deutsche Bahn AG

... die Deutsche Bahn AG, die mit dem sogenannten "Komfortprogramm" Bewegungsdaten sammelt – bei gleichzeitiger Verschlechterung des Services für nicht-sammelnde Kund/innen. Die entstehende Bewegungsprofildatenbank dürfte so manche unlautere Begehrlichkeit wecken.

Jahr
Kategorie
Behörden & Verwaltung (2002)

Bundeskriminalamt

Preiswürdig war hier die Einführung dreier Präventivdatenbänke durch das Bundeskriminalamt (BKA) zur Speicherung von Personendaten.
Laudator.in:
Portraitaufnahme von Rolf Gössner.
Dr. Rolf Gössner, Internationale Liga für Menschenrechte (ILFM)

Der BigBrotherAward der Kategorie "Behörden und Verwaltung" wird im Jahr 2002 verliehen an das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden z.H. des BKA-Präsidenten Dr. Klaus Ulrich Kersten weil das Amt seit 2001 im Zusammenhang mit drei neu eingerichteten Präventiv-Dateien gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der darin erfassten Personen verstößt. Es handelt sich um folgende Verbund-Dateien im polizeilichen Informationssystem INPOL mit den bemerkenswert verharmlosenden Kürzeln LIMO, REMO und AUMO:

  1. um die sog. Gewalttäter Links-Datei zur "Verhinderung politisch links motivierter Straftaten", kurz: LIMO,
  2. die sog. Gewalttäter Rechts-Datei zur "Erfassung rechtsorientiert politisch motivierter Straftäter", kurz: REMO, und
  3. die Datei "Straftäter politisch motivierter Ausländerkriminalität", kurz: AUMO

Gründe

Diese Dateien werden gemeinsam von Bund und Ländern genutzt und sind jederzeit von allen Dienststellen der Polizei und des Bundesgrenzschutzes abrufbar. Bereits weit über tausend Menschen sind darin als "potentielle Gewalttäter" erfasst, obwohl viele von ihnen noch nie als gewalttätig aufgefallen sind.

Am Beispiel der "Gewalttäter-Links"-Datei lassen sich die verfassungs- bzw. datenschutzrechtlichen Verstöße verdeutlichen:

Vorsorgliche Erfassung möglicher "Unruhestifter"

Diese Datei ist auf Beschluss der Innenministerkonferenz durch das BKA im Wege einer "Sofortanordnung" errichtet worden - ohne vorherige Anhörung des Bundesdatenschutzbeauftragten und wegen nicht näher begründeter "Eilbedürftigkeit".

Erst viel später wurde eine amtliche Errichtungsanordnung erlassen. Danach werden in dieser Datei nicht nur Gewalttäter und Gewalttaten im engeren Sinne erfasst, sondern "Erkenntnisse" im Zusammenhang mit insgesamt 20 Straftatbeständen - von Delikten gegen Leib und Leben oder fremde Sachen bis hin zur "Störung öffentlicher Betriebe", die der Versorgung dienen (§ 316b StGB) oder Straftaten nach dem Versammlungsgesetz.

Wer nun allerdings denkt, dass sich in dieser "Gewalttäter-Datei" nur rechtskräftig verurteilte Gewalttäter wiederfinden oder solche Personen, bei denen Waffen sichergestellt wurden, irrt sich gewaltig. Denn Aufnahme finden auch bloß Verdächtige sowie Personen, gegen die in der Vergangenheit lediglich Personalienfeststellungen, Platzverweise oder Präventivhaft angeordnet wurden.

Das bedeutet: Wer mit der Polizei bei Versammlungen auch nur in Berührung kommt und dabei erfasst wird, ohne jemals Gewalt ausgeübt zu haben, kann sich leicht als potentieller Gewalttäter in einer der Gewalttäter-Dateien des BKA wiederfinden.

Einzige Voraussetzung für diese "vorsorgliche Erfassung möglicher Unruhestifter" ("Die Zeit"): Es müssen "bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Personen zukünftig Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden". Doch auch solche Personen können gespeichert werden, bei denen "die Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstige Erkenntnisse" Grund zu der Annahme geben, dass künftig Strafverfahren gegen sie zu führen sein werden.

Auch bloße "Kontakt- und Begleitpersonen" von Verdächtigen können gespeichert werden, "soweit dies zur Verhütung oder zur Vorsorge für die künftige Verfolgung einer Straftat mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist".

Es handelt sich bei diesen Voraussetzungen letztlich um reine Prognoseentscheidungen, die allein der Polizei überlassen bleiben. Insofern sind diese Dateien weitere Bausteine in einer längst eingeleiteten Präventionsstrategie, die immer weiter im Vorfeld von strafbaren Handlungen und des Verdachts ansetzt. Damit geraten immer mehr Menschen - auch vollkommen unbescholtene Personen - in polizeiliche Maßnahmen, die tief in die Persönlichkeitsrechte eingreifen.

Entsprechend "auffällig" gewordene Erwachsene und Jugendliche werden grundsätzlich drei bzw. fünf Jahre lang, Kinder (!), die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zwei Jahre lang gespeichert. Da drängt sich unwillkürlich die Frage auf, was Kinder in einer polizeilichen Präventiv-Datei zu suchen haben. Im übrigen ist eine Verlängerung der Speicherzeit ohne weiteres möglich. Andererseits führt die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens oder ein Freispruch - trotz genereller Berichtigungspflicht des BKA - in der Praxis noch lange nicht zu einer Löschung der Daten.

Fragwürdige Präventivdaten als Basis für Reiseverbote

Diese "Gewalttäter-Dateien" sind nicht allein wegen der Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bürgerrechtsschädigend - denn die Präventiv-Speicherungen können noch weitere gravierende Grundrechtsbeschränkungen für die Betroffenen nach sich ziehen: So kann es passieren, dass sich solchermaßen erfasste Personen bei Kontrollen und Grenzübertritten repressiven Polizei-Maßnahmen ausgesetzt sehen - bis hin zu polizeilichen Meldeauflagen, Pass-Entzug und Ausreiseverboten.

Das bekamen in den Jahren 2001 und 2002 insbesondere Globalisierungskritiker zu spüren, die an Demonstrationen im Ausland teilnehmen wollten. So steht etwa der umstrittene G-8-Gipfel in Genua 2001 nicht nur für Ausschreitungen und polizeilich-militärische Eskalation, sondern auch für ein dunkles bundesdeutsches Kapitel in Sachen Bewegungs- und Reisefreiheit, für eine neue Qualität der präventiven Intoleranz:

Zahlreichen Menschen wurde an der Grenze die Ausreise verwehrt, obwohl sie weder mit Haftbefehl noch sonst polizeilich gesucht wurden. Sie durften nicht nach Genua reisen, nur weil sie früher schon mal polizeilich erfasst worden waren - etwa anlässlich einer Polizeikontrolle am Rande einer Demonstration. Obwohl gegen sie keine Verfahren eingeleitet, keine Anklagen erhoben worden waren, galten sie als potentielle "Gewalttäter", die in der "Gewalttäter-Links-Datei" gespeichert sind und denen auf dieser "Erkenntnis"-Grundlage die Ausreise verwehrt wurde. Sie waren über diese Verdatung nicht informiert worden, so dass sie sich dagegen auch nicht rechtlich zur Wehr setzen konnten.

Als Rechtsgrundlage für Ausreiseverbote dient das Passgesetz, das erst im Jahr 2000 entsprechend verschärft worden ist. Danach können Reisebeschränkungen in die Pässe von "Gewalttätern" eingetragen und Ausreiseverbote von der Polizei verhängt werden, sofern "Tatsachen die Annahme rechtfertigen", die Betroffenen gefährdeten "die innere und äußere Sicherheit" oder "sonstige erhebliche Belange" der Bundesrepublik - auch wenn ihnen aktuell nichts vorgeworfen werden kann. Wer dennoch auszureisen versucht, kann mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Auch Menschen, die es trotz der verschärften Polizei- und Grenzkontrollen bis Genua geschafft hatten, wurden von ihrem Datenschatten eingeholt. Denn bereits im Vorfeld des Genua-Gipfels hatte das BKA Auszüge aus der "Gewalttäter-Links"-Datei in einer "lista tedesca" an die italienische Polizei weitergegeben. Dabei zeigte sich: Wenn gespeicherte Verdachtsmomente, also ungesicherte Präventiv-Daten über verdächtige Personen oder "Risikogruppen" im Wege des polizeilichen Datenaustauschs an ausländische Sicherheitsbehörden weitergegeben werden, kann das für die Betroffenen fatale Folgen haben. Manche konnten tatsächlich anhand der Liste als "polizeibekannt" aussortiert werden und sahen sich daraufhin Haftverlängerungen, Schikanen sowie folterähnlichen Praktiken der italienischen Polizei ausgesetzt.

Fazit: Verletzung verfassungsrechtlicher Prinzipien

Die Kombination von fragwürdigen Präventivdateien, verschärftem Passgesetz, exekutiven Reiseverboten und schikanösen Polizeipraktiken kann leicht zur Verletzung der Grundrechte auf Freizügigkeit, der Handlungs-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit führen und selbst die körperliche Integrität der Betroffenen verletzen.

Es ist ein Skandal, dass solche gravierenden Exekutiv-Eingriffe allein auf ungesicherte präventive Polizeidaten in "Gewalttäter"-Dateien gestützt werden können - weitere Erkenntnisse müssen jedenfalls nicht hinzukommen. Diese Vorratsdaten-Speicherungen stempeln die Betroffenen zu "polizeibekannten reisenden Gewalttätern".

Die vagen Kriterien für die Aufnahme in die "Gewalttäter"-Dateien, die Speicherdauer von drei bis fünf Jahren, die Erfassung von Kindern und die Nichtbenachrichtigung der Betroffenen widersprechen datenschutzrechtlichen Prinzipien. Sie verletzen das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung, die Unschuldsvermutung und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Herzlichen Glückwunsch, BKA.

Laudator.in

Portraitaufnahme von Rolf Gössner.
Dr. Rolf Gössner, Internationale Liga für Menschenrechte (ILFM)
Jahr

Toll Collect

Für die (Weiter-)Entwicklung von satellitengestützter Erhebung und zentraler Verarbeitung von Bewegungsdaten im Verkehrswesen erhält die Toll Collect GmbH den BigBrotherAward.
Laudator.in:
Frank Rosengart am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
Frank Rosengart, Chaos Computer Club (CCC)

Der BigBrotherAward der Kategorie "Technik" geht an die Toll Collect GmbH vertreten durch den Geschäftsführer Dr. Michael Rummel da mit der satellitengestützten Erhebung und zentralen Verarbeitung der Bewegungsdaten von Kraftfahrzeugen eine neue Dimension der Beobachtung von Verkehrsteilnehmern möglich wird.

Gründe

Die Toll Collect GmbH - vertreten durch den Geschäftsführer Dr. Michael Rummel - ist Preisträger in der Kategorie Technik, da mit der satellitengestützen Erhebung und zentralen Verarbeitung der Bewegungsdaten von Kraftfahrzeugen eine neue Dimension der Beobachtung von Verkehrsteilnehmern möglich wird. Die Zusicherung der Betreiber, dem Datenschutz Sorge zu tragen, erscheint bei der Größenordnung der Erfassung und den Möglichkeiten der Auswertung nicht angemessen.

Das Bundeskabinett hat am 15.08.2001 einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr für LKWs über 12t auf Autobahnen ("LKW-Maut") beschlossen. Um die Effektivität und Gerechtigkeit dieser Maut zu erhöhen, sollte keine Pauschalabgabe in Form einer Vignette geschaffen werden, sondern eine nutzungsbezogene - per tatsächlich gefahrener Strecke berechnete - Gebühr erhoben werden. Dazu ist es notwendig, die Autobahnauffahrt und -abfahrt zu registrieren und die resultierenden Kilometer in Rechnung zu stellen.

Am Ende eines mit Rechtsstreitigkeiten behafteten Vergabeverfahrens erging der Zuschlag zur Entwicklung, Errichtung und den späteren Betrieb des LKW-Mautsystems am 20.09.2002 an das Konsortium ETC.de, besser bekannt unter dem Namen Toll Collect. Die Firma Toll Collect GmbH ist ein Gemeinschaftsunternehmen der DaimlerChrysler Services AG, der Deutsche Telekom AG und der französischen Cofiroute S.A.

Eine ins Fahrzeug eingebaute On-Board-Unit (OBU) besteht aus einem GPS-Empfänger und einem GSM-Telefon. Das System erkennt anhand von gespeicherten Geodaten eine Autobahn-Auffahrt als solche und registriert intern den Startpunkt einer Fahrt. Nach dem erkannten Verlassen der gebührenpflichtigen Strecke wird der ermittelte Maut-Betrag an die Toll-Collect-Zentrale übermittelt, die dann mit dem Halter des LKWs abrechnet.

Fahrzeughalter, die keine OBU einbauen möchten, können sich vorab an Terminals oder per Internet eine Fahrtroute "freischalten".

Schwarzfahrer, Maut-Preller, also Fahrzeuge die ohne Entrichtung einer Maut in eine gebührenpflichtige Strecke einfahren, werden von Kameras erfasst, die an speziellen Autobahnbrücken montiert sind. Per Laser sollen Fahrzeuge vermessen und damit der Mautpflicht zugerechnet werden. Ein im Fahrzeug befindlicher Infrarot-Sender teilt der Kontrollbrücke mit, dass die Maut ordnungsgemäß bezahlt wurde und deshalb kein "Beweisfoto" notwendig ist. Wenn ein Fahrzeug als mautpflichtig erkannt wurde und keine Rückmeldung von der OBU kommt, nehmen die Kameras ein Bild des Fahrzeuges auf und werten automatisiert das Kennzeichenschild aus, um dann ein entsprechendes Bußgeldverfahren einzuleiten.

Die On-Board-Unit besteht neben dem Satellitenempfangsteil für die Standortdaten auch aus einem GSM-Telefon, welches auf den Teil zur Datenübertragung reduziert wurde. Dieses Gerät wird nach dem Einbuchen im Netz wie ein normales Mobiltelefon behandelt und hinterlässt genau wie jedes andere Handy eine Bewegungsspur des Benutzers, welche technisch bedingt - je nach Größe der Funkzellen- auf wenige Meter genau ist.

Der zunehmende Trend zu "Ein-Mann-Unternehmen" als Spediteure lässt die ansonsten nicht unter das Bundesdatenschutzgesetz fallenden Bewegungsdaten schnell mit einer natürlichen Person - dem Halter des LKW - verknüpfbar machen. Außerdem ist im seit dem 12.04.2002 in Kraft befindlichen Autobahnmautgesetz (ABMG) eine umfangreiche Übermittlung dieser Daten zwischen dem Betreiber des Mautsystems und den Zollbehörden mit seinen mobilen Einsatzkräften vorgesehen.

Die Auszeichnung dieses Systems und der beteiligten Firmen mit dem BigBrotherAward soll als Warnung vor zukünftigen Begehrlichkeiten bei flächendeckender Einführung der automatischen Positionserfassung von Fahrzeugen dienen. Wir sehen voraus, dass die Autobahn-Maut auch für Personenwagen eingeführt wird und damit Privatpersonen von der massenhaften Verarbeitung von Bewegungsdaten betroffen sind.

Herzlichen Glückwunsch, Herr Dr. Rummel

Laudator.in

Frank Rosengart am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
Frank Rosengart, Chaos Computer Club (CCC)
Jahr
Kategorie
Kommunikation (2002)

Deutscher Bundesrat

Der Bundesrat beschloss, Provider zur Vorratshaltung von Verbindungsdaten zum Zwecke polizeilicher Nutzung zu verpflichten.
Laudator.in:
Dr. Thilo Weichert am Redner.innepult der BigBrotherAwards 2021.
Dr. Thilo Weichert, DVD, Netzwerk Datenschutzexpertise

Den BigBrotherAward 2002 in der Kategorie "Kommunikation" erhält der Deutsche Bundesrat vertreten durch seinen Vorsitzenden Klaus Wowereit, für seinen Beschluss, Telekommunikations(dienste)anbieter zu verpflichten, die Verbindungsdaten von Nutzenden für eine nicht festgelegte Dauer für Zwecke von Polizei und Geheimdiensten auf Vorrat zu speichern.

Gründe

Der am 31. Mai 2002 gefällte Beschluss des Bundesrates geht auf einen Antrag der Länder Bayern und Thüringen zurück und wurde in einem Gesetz "zur Verbesserung der Ermittlungsmaßnahmen wegen des Verdachts sexuellen Missbrauchs von Kindern" versteckt. Wer hätte etwas gegen ein verbessertes Vorgehen gegen sog. Kinderschänder? Darum geht es hier aber nicht. Was die Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten der gesamten Bevölkerung mit der Bekämpfung des Kindesmissbrauchs zu tun haben könnte, ist nirgendwo zu erkennen. Auch schweigt sich der Bundesrat darüber aus, welche Zuständigkeiten Geheimdienste bei der Bekämpfung von Kindesmissbrauch haben könnten.

Schon 1996 forderten die sog. Sicherheitsbehörden, neuerdings auch "Bedarfsträger" genannt, Mindestspeicherfristen für Telekommunikations-Daten, also TK-Daten. Im Jahr 2000 fällte die Konferenz der Innenminister einen Beschluss, wonach die Vorratsdatenspeicherung von TK-Daten zur Pflicht gemacht werden müsse. Ein erster Versuch der Länder Bayern und Thüringen, im Zuge der Diskussion über die Terrorismusbekämpfung durch den Bundesrat Speicherungspflichten beschließen zu lassen, schlug am 22.03.2002 mit der seinerzeitigen Mehrheit noch fehl.

Nach den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt am 21.04.2002 haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat geändert und just wurde ein neuer Vorstoß unternommen. Der darauf vom Rechtsausschuss des Bundesrates beschlossene Vorschlag wurde im Interesse einer öffentlichen Diskussion über diese Pläne vom Betreiber des Internetangebots www.dud.de veröffentlicht. Der Bundesrat untersagte darauf dem Betreiber die Veröffentlichung mit der Behauptung, dieses Dokument sei als "nur für den Dienstgebrauch" klassifiziert. Ein Tag vor dem Bundesratsbeschluss am 31.05.2002 hat das Europäische Parlament nach einer heftigen Diskussion mit dem EU-Rat das bisherige Verbot der Vorratsdatenspeicherung von TK-Daten widerrufen, so dass aus europarechtlicher Sicht dem Bundesratsbeschluss nichts mehr entgegen stand. In der Sitzung am 21.06.2002 initiierte das Land Thüringen im Bundesrat eine Entschließung, in der die Bundesregierung zur Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens zur Vorratsdatenspeicherung aufgefordert wurde. Die alte rot-grüne Bundesregierung lehnte den Beschluss des Bundesrates zunächst ab, aber nicht, weil dieser verfassungswidrig ist, sondern weil er keinen angemessenen Interessenausgleich zwischen effektiver Strafverfolgung und Betroffenengrundrechten brächte. Vor der Wahl am 22.09.2002 kam es im Bundestag nicht mehr zu einer abschließenden Beschlussfassung.

Der Bundesrat beschließt üblicherweise nicht abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren in einem Sammelbeschluss ohne inhaltliche Diskussion und beginnt so ein erneutes Gesetzgebungsverfahren. Eine solche Verfahrensweise des Bundesrates hat zur Folge, dass sich in Kürze der Bundestag erneut mit den Bundesratsforderungen auseinandersetzen muss. Derweil gibt es Bestrebungen der dänischen EU-Präsidentschaft, auch auf europäischer Ebene nicht nur ein Recht, sondern die Pflicht zur TK-Vorratsdatenspeicherung festzuschreiben.

Wie lange die Speicherungsverpflichtung dauern soll, hat der Bundesrat selbst nicht festgelegt. Dies wie sämtliche sonstigen Fragen der Durchführung will er der Exekutive zur Regelung in einer Rechtsverordnung überlassen. Damit wird der Bock zum Gärtner gemacht; das Parlament, dessen Aufgabe die Kontrolle und Beschränkung der Exekutive ist, überträgt diese Aufgabe der Exekutive selbst.

Eine Zweckbindung der Daten ist nicht vorgesehen. Die Betreiber der TK-Dienste sollen die Speicherung unentgeltlich vornehmen und den sog. Bedarfsträgern zur Verfügung stellen müssen. Die mit der Speicherung verbundenen Kosten lägen bei größeren Unternehmen im mehrstelligen Millionen-Euro-Bereich.

Der Beschluss des Bundesrats bedeutet, dass, ohne dass der Verdacht einer Straftat oder einer konkreten Gefahr vorliegen müsste, von allen unbescholtenen Menschen in der Bundesrepublik sämtliche Nutzungs- und Verbindungsdaten gesammelt werden würden. Dies sind die Angaben, wer mit wem wann telefoniert oder gefaxt hat, eine SMS oder eine Email geschickt hat. Bei der Kommunikation mit Handys oder sonstigen Mobilgeräten kommen noch die Angaben über den Gerätestandort hinzu. Bei der Nutzung des Internet soll über die gesamte Frist von z.B. einem Jahr nachvollziehbar sein, wer wann welche Seiten aufgerufen und welche Dienste in Anspruch genommen hat. Da einzelnen Internetseiten oder TK-Diensten präzise Inhalte zugewiesen werden können, ist nicht nur ein Rückschluss auf die Art, sondern oft auch auf die Inhalte der Kommunikation möglich.

Bisher dürfen die Nutzungs- und Verbindungsdaten nur gespeichert werden, soweit sie für Abrechnungszwecke erforderlich sind. Anderenfalls müssen sie sofort gelöscht werden. Bei Pauschalpreisen, den sog. Flat-Rates, oder bei nach Zeit- oder Datenvolumen erfolgenden Abrechnungen sind derzeit entweder gar keine oder fast keine Verbindungsdaten zu speichern, so dass diese nach Beendigung der Verbindung rückstandsfrei und umgehend zu löschen sind.

Dies soll nun nach dem Willen des Bundesrates nicht mehr gelten. Während wir beim Abholen eines Formulars in einer Behörde, beim Betreten eines Buchladens oder beim Betrachten eines Schaufensters im realen Leben noch anonym sind, soll dies im virtuellen Leben des Internet bzw. der Telekommunikation künftig anders sein. Was würden wir tun, wenn man uns beim Bäcker beim Brötchenkauf zur Vorlage unseres Personalausweises aufforderte, der dann kopiert und registriert wird? Aus der Zusammenschau der Verbindungsprofile lässt sich über den Zeitraum von z.B. zwölf Monaten hinweg feststellen, wer mit wem elektronisch kommuniziert, wer was eingekauft, wer sich über was informiert und wer was gemacht hat. Das Resultat wäre die vollständige telekommunikative Überwachung. Angesichts des Umstandes, dass immer mehr Aktivitäten der Menschen im Internet und in sonstigen Netzen erfolgen, würden auch immer mehr Lebensbereiche erfasst.

Der Beschluss riskiert einen Einbruch der sowieso schon schleppend anlaufenden E-Commerce-Aktivitäten. Das schon heute nur sehr beschränkt bestehende Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den E-Commerce würde nachhaltig erschüttert. Wer nicht möchte, dass seine Vorliebe z.B. für schlüpfrige Literatur bekannt wird, der wird diese nicht über Internet bestellen, sondern anonym in einem realen Laden erstehen. Wer nicht komplett durchleuchtet werden will, wird die Netze geflissentlich nicht mehr nutzen. Das wird das faktische"Aus" für alle weiteren Bemühungen des Ausbaus von Ecommerce und Egovernment bedeuten.

Auf die gespeicherten TK-Daten hätten nicht nur Polizei und Staatsanwaltschaft Zugriff, sondern ohne jede effektive Kontrolle auch sämtliche deutschen Geheimdienste - soweit diese meinen, dass es für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist.

Die Speicherungen würden zu einem Selbstbedienungsladen für Verfassungsschutz, Militärischen Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst, also Diensten, die sich in der Vergangenheit durch mangelnde Kontrollierbarkeit und illegale Aktivitäten auszeichneten.

Gar nicht davon zu reden, dass solche riesigen Datensammlungen natürlich auch bei anderen "Bedarfsträgern" Begehrlichkeiten auslösen würden, z.B. bei Finanzämtern, Arbeitgebern, bei der Werbewirtschaft oder Krankenkassen und nicht zu vergessen bei Hackern und Kriminellen.

Das Bundesverfassungsgericht hat schon 1983 klargestellt, dass eine Sammlung von personenbezogenen "Daten auf Vorrat zu noch nicht bestimmbaren Zwecken" verfassungswidrig ist. Damit soll verhindert werden, dass Daten einfach drauf los ins Blaue hinein für alle Fälle und alle Zeiten gespeichert werden. Schon 1977 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass ein "bloßer Betriebsverdacht" zur Rechtfertigung von Datenspeicherungen nicht genügt.

Genau das aber hat der Bundesrat beschlossen. Allein, weil bei bzw. mit Hilfe der Telekommunikation auch Straftaten vorbereitet und begangen werden, darf diese nicht total überwacht werden. Auch auf der Straße oder in privaten Wohnungen geschehen Straftaten, ohne dass dies dort eine Totalkontrolle legitimieren würde.

Die Bundesratsmehrheit hat mit ihrem Beschluss zum Ausdruck gebracht, dass ihr unser Grundgesetz und das darin gewährleistete Telekomunikationsgeheimnis bzw. generell die Grundrechte egal sind. Der Bundesrat hat zugleich mit der diskussionslosen, versteckten Art der Beschlussfassung gezeigt, dass er an einer demokratischen öffentlichen Auseinandersetzung, wie sie unser Grundgesetz vorsieht, kein Interesse hat. Zugleich zeigte er mit seiner Entscheidung, dass er nichts dagegen einzuwenden hat, dass unsere freiheitliche Demokratie in einen Überwachungsstaat à la George Orwell umgebaut wird. Wegen dieser verfassungsfeindlichen Bestrebungen hat der Bundesrat den Big Brother Award 2002 im Bereich Telekommunikation verdient.

Herzlichen Glückwunsch, Deutscher Bundesrat

Laudator.in

Dr. Thilo Weichert am Redner.innepult der BigBrotherAwards 2021.
Dr. Thilo Weichert, DVD, Netzwerk Datenschutzexpertise
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Über die BigBrotherAwards

Spannend, unterhaltsam und gut verständlich wird dieser Datenschutz-Negativpreis an Firmen, Organisationen und Politiker.innen verliehen. Die BigBrotherAwards prämieren Datensünder in Wirtschaft und Politik und wurden deshalb von Le Monde „Oscars für Datenkraken“ genannt.

Ausgerichtet von (unter anderem):

BigBrother Awards International (Logo)

BigBrotherAwards International

Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden fragwürdige Praktiken mit diesen Preisen ausgezeichnet.