Szenepreis (2001)

RealNetworks

Die Auszeichnung geht an RealNetworks für die hintergründige Datensammlung durch ihre Streaming-Media Produkte.
Laudator.in:
Jens Ohlig am Redner.innenpult zu den BigBrotherAwrds 2001.
Jens Ohlig, Chaos Computer Club (CCC)
CD-Cover in blau-gelb mit der Aufschrift "realplayer7plus".

Die Laudatio von Jens Ohlig im Wortlaut

Der BigBrotherAward der Kategorie "Szenepreis" geht an die Firma RealNetworks in Deutschland vertreten durch die RealNetworks GmbH in Hamburg, für ihr Produkt "RealPlayer".

Fast jedem Netzbewohner sind Streaming-Media-Angebote bekannt, die mit dem RealPlayer als Audio- oder Videodateien abspielbar sind. Der für solche Angebote notwendige RealPlayer ist im Internet frei verfügbar. Hier bedeutet "frei" zunächst, dass die Firma RealNetworks für den privaten Benutzer keine Kosten berechnet, ein Produkt, dass ein mehr an Freiheit gibt, ist der RealPlayer keineswegs.

Gründe

Beim RealPlayer werden und wurden verschiedene Möglichkeiten ausprobiert, um den Benutzer überwachen und sein Netzkonsumverhalten eindeutig zuzuordnen. Bis zur letzten Version des RealPlayers gehörte dazu eine GUID, eine globale User-ID, die sich bei Rechnern mit Netzwerkkarte unter anderem aus Medien-Adresse der Karte berechnet. Hiermit sollte eine noch genauere Identifikation der Benutzer als über IP-Adressen oder ähnliches ermöglicht werden.

In der neusten Version des RealPlayers ist dieses Feature zum Ausspähen zwar nicht entfernt worden, allerdings bei der Standardinstallation ausgeschaltet. Gleichzeitig änderte RealNetworks seine "Privacy Policy" dementsprechend, dass nun Global User-IDs ausdrücklich zu den Daten gehören, die RealNetworks von seinen Kunden bekommen möchte. Versteckt unter anderen Möglichkeiten, den RealPlayer nach Hause telefonieren zu lassen (unter anderem der Sammlung von IP-Adressen und Cookies) wird hier dem Kunden erklärt, dass globale User-IDs in vielen anderen Software-Produkten vorkommen und nur dem Konsumenten zu Gute kommen, da Anbieter damit ja das Programm personalisieren können. Mit der standardmässig ausgeschalteten GUID in der aktuellen Version von RealPlayer ist es auch so eine Sache: Wenn der Anbieter wünscht, dass diese angeschaltet gehört, geht ein Fehlerfenster auf, nebst einer Beschreibung, wie man die Abschaltung der GUID-Übertragung wieder rückgängig machen kann. Der Sinn dieser Botschaft für den Anwender ist klar: Datenschutz ist ein Defekt, den es auszuschalten gilt.

Die Installation von RealPlayer ist ebenfalls ein Geduldsspiel für Anwender, die nicht einsehen, warum sie Daten über sich der Firma RealNetworks zur Verfügung stellen sollten. Die E-Mail-Adresse wird erbeten, um auch in Zukunft über tolle neue Produkte von RealNetworks informiert werden zu können. Das Wegklicken der Felder, die Informationen zum Benutzer erbeten, macht mit Abstand den längsten Teil der Installation aus.

RealPlayer steht leider stellvertretend für eine ganze Reihe von Software, die unbemerkt Daten über den Benutzer preisgibt. Unter dem Stichwort "Spy-Ware" macht sich ein Trend in der Industrie breit, die offensichtlich davon ausgeht, dass ein Benutzer, der schon ein Geschenk bekommt, im Gegenzug auch gerne bereit ist, seine Seele zu verkaufen. Warum werden diese Daten gesammelt? Wegen der Sicherheit? Zum Schutz der Kinder? Um gegen Neonazis und Terroristen gewappnet zu sein? Keins der beliebten Erklärungsmuster aus der Datenkraken-Szene wird hier vorgeschoben. Die Motivation ist schlicht Gier. Jedes Datum, das gesammelt wird, sollte aber erklärt und begründet werden. Wenn eine Firma Software kostenlos verschenkt und darum um so versessener auf die Daten ihrer Kunden ist, so stellt sich die Frage, wo denn das Kerngeschäft des Unternehmens liegt. Datenschutz und die ehrliche Behandlung von Kunden sind kein Luxus, der erst in der Vollversion zu haben ist, sie sind ein Menschenrecht und bei einer seriösen Firma selbstverständlich zu erwarten.

Laudator.in

Jens Ohlig am Redner.innenpult zu den BigBrotherAwrds 2001.
Jens Ohlig, Chaos Computer Club (CCC)
Jahr
Kategorie
Arbeitswelt (2001)

ProtectCom

Diese Auszeichnung geht an die Software-Firma ProtectCom für ihre Überwachungsprodukte wie WebSpy und e-Blaster.
Laudator.in:
Foto von Ute Bernhardt
Ute Bernhardt, FIfF e.V., "Netzwerk Datenschutzexpertise"
Ingo Ruhmann am Redner.innepult während der BigBrotherAwards 2001.
Ingo Ruhmann, FIfF e.V., "Netzwerk Datenschutzexpertise"

Der BigBrotherAward der Kategorie "Überwachung am Arbeitsplatz" geht an die ProtectCom GmbH.

Sollte jemand den BigBrotherAward bekommen, der so plump auf sich aufmerksam macht? In dessen Eigenwerbung zu lesen ist:

  • "Entdecken Sie Online-Affären Ihres Partners,
  • Finden Sie heraus, ob Ihre Angestellten privat im Internet surfen oder ihre Zeit mit Spielen vertrödeln,
  • decken Sie Internetmißbrauch auf (Versenden bedenklicher E-Mails und Äußerungen, Wirtschaftsspionage)"

Ist der BigBrotherAward nicht eine zu ernste Sache für ein Unternehmen, das Mitarbeitermotivation für machbar hält, wenn - Zitat - der "Chef zeitgleich sehen kann, was seine Mitarbeiter gerade auf ihrem Bildschirm arbeiten." Oder für den wirklich kein alter und übler Lenin-Spruch zu schade zu sein scheint, um dem nicht noch eins drauf zu setzen: Der Titel der Webseite unseres Preisträgers lautet: "Vertrauen ist gut. Kontrolle ist Spector."

Aber. Dies ist kein zynischer Scherz von Ewiggestrigen. Gerade die offensive Werbung für den Datenmißbrauch, die Aufforderung zu unbegrenztem Ausspähen jedes Tastenanschlags am Computer am Arbeitsplatz, in der Schule und zu Hause, diese unmißverständliche Aufforderung zum Gesetzesbruch hat die Jury des Big Brother Awards vom unbedingten Vorsatz des Preisträgers in ihrer Entscheidung zusätzlich bestärkt.

Aus der breiten Produktpalette zum Ausspähen aller elektronischer Lebenslagen der Firma ProtectCom verdient nach Ansicht der Jury den Big Brother Award in der Kategorie "Überwachung am Arbeitsplatz" in diesem Jahr die Überwachungssoftware Spector. Wir wünschen der Firma ProtectCom und ihren Kunden all die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.

Mein Damen und Herren, lassen Sie mich die Entscheidung kurz begründen, weil wir annehmen, dass Ihnen zwar diese und ähnliche Versprechungen, nicht aber das Gewinner- Produkt näher bekannt ist.

Gründe

Die Firma ProtectCom hat sich mit Überwachungsprodukten wie WebSpy und e-Blaster auf Software zur Überwachung des gesamten elektronischen Kommunikationsverkehrs in fimeneigenen Netzen und im Internet spezialisiert. Umfassend erledigt diese Überwachungsaufgaben das Produkt Spector. Seit April 2001 bietet ProtectCom diese in den USA entwickelte Software auch in Deutschland an. Die hervorstechenden Merkmale der verschiedenen Produktversionen bei der Überwachung des gesamten Nutzerverhaltens am PC sind:

  • In kurzen Abständen werden Screenshots unabhängig von der Anwendung erstellt und für die Auswertung gespeichert;
  • Jeder Tastaturanschlag wird protokolliert, egal, ob es sich um Passworte oder andere Eingaben handelt;
  • Der Überwacher wird per Alarmfunktion auf bestimmte Aktivitäten am überwachten PC in Echtzeit aufmerksam gemacht. Hier ist egal, ob es um das Aufrufen einer Internetadresse, oder das Eintippen eines gesuchten Wortes geht;
  • Chats im Internet und E-Mails werden natürlich vollständig protokolliert;
  • Und selbstverständlich geschieht dies im Verborgenen, ausspionierte Benutzer können Spector nicht aufspüren.

Spector stellt für die Big Brother Award-Jury ein besonders deutliches Beispiel für die zunehmende Überwachung der Nutzung von Computer und Internet in der Arbeitswelt dar.

Typisch ist dabei schon die Herkunft aus den USA. Nach Erhebungen bei großen Firmen aus diesem Jahr werden in den USA etwa 80% der Computerarbeitsplätze überwacht. Angefangen mit Software zur Zählung der Tastaturanschläge seit den 70er Jahren und in den letzten Jahren ergänzt um die Filterung des Surfverhaltens im Internet und Überwachung und Auswertung des E-Mailverkehrs wird dort alles überwacht, wofür sich Software bekommen läßt.

Mit Spector wird nun ein Kombinationswerkzeug zur Rundum-Überwachung der Arbeit am Computer auch in Deutschland vertrieben. Aus den USA kommt damit eine Entwicklung zu uns, die eine erste Bedrohung des Schutzraumes darstellt, der vom deutschen Gesetzgeber erst vor wenigen Jahren auch für den elektronischen Arbeitsalltag geschaffen wurde.

Und damit, meine Damen und Herren, bin ich beim Kern der Sache angelangt, der sich hierzulande etwas anders darstellt, als im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Und die Jury ist der Ansicht, dass ein Produkt wie der heutige Gewinner des Big Brother Awards in der Kategorie Arbeitswelt ein besonders gutes Argument dafür ist, auf die leider noch klärungsbedürftige Rechtslage in Deutschland einzugehen.

Wenn Sie jetzt erwartet haben, ich würde hier in das Lamento um fehlenden Arbeitnehmer-Datenschutz einstimmen, dann muss ich Sie enttäuschen. Arbeitnehmer-Datenschutz ist ein Gebiet, an dem sich Betriebs- und Personalräte einerseits, Arbeitgeber andererseits und Arbeitsrechtler sowieso seit gut 25 Jahren abarbeiten. Letztlich ging es dabei immer darum, welche Software bei der Arbeit im Betrieb nicht erlaubt ist, weil sie Leistungs- und Verhaltenskontrollen ermöglicht.

Viele glauben nun, dass die Karten mit Internet und E-Mail neu gemischt wurden. Lassen Sie mich deshalb zu einem spannenden, aber zugleich auch ernsten Teil kommen. Dazu möchte ich jetzt auch die im Saal anwesenden Vertreter von Strafverfolgungsbehörden an ihre Amtspflichten bei der Verfolgung von Straftaten erinnern.

Dem Gesetzgeber - also dem Deutschen Bundestag - wird bisweilen vorgeworfen, er verabschiede Gesetze ohne praktische Bedeutung. Es mag manche Gründe geben, die diesen Eindruck nahe legen. Das mag bisweilen aber auch daran liegen, dass nicht alle Juristen das zur Kenntnis nehmen oder gar beherzigen, was der Gesetzgeber in Gesetze gegossen hat.

Das besonders dann bedauerlich, wenn es sich um den Schutz von Grundrechten handelt. Die Grundrechte, um die es hier geht, ist nicht allein der im Recht auf informationelle Selbstbestimmung konkretisierte Persönlichkeitsschutz. Hier geht es zusätzlich um Artikel 10 GG, den Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses.

Der deutsche Bundestag hat 1996 im Telekommunikationsgesetz, kurz: TKG, mit Zustimmung aller Fraktionen eine Neuregelung ins Telekommunikationsrecht eingeführt, die auch heute - die Anwesenden mögen mir das nachsehen -von manchen Juristen noch nicht so ganz ernst genommen wird.

Das eigentlich Einfache und Technische zuerst:
Der Bundestag hat im TKG nicht mehr unterschieden zwischen dem herkömmlichen Telefonat, dem Fax oder einer E-Mail. Jede dieser Kommunikationsformen ist Telekommunikation und wird von Telekommunikationsgeheimnis geschützt. Damit folgte der Bundestag der Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts.

Einige Juristen haben ja auch heute noch Schwierigkeiten mit der Einordnung von E-Mails. Ihnen rate ich, in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nachzusehen. Wer dort zurückblättert bis zum Jahr 1977 - also fast 25 Jahre - findet einen Entscheid, in dem bereits "die Übermittlung digitaler Nachrichten" als Betrieb einer Fernmeldeanlage definiert wird1. Und, dass Inhalte genauso wie die "näheren Umstände" des über Fernmeldeanlagen abgewickelten Verkehrs zum Schutzbereich des Art. 10 GG gehören, hat das BVerfG wirklich oft genug2 erklärt.

Das eigentlich Bedeutsame im TKG ist jedoch gut versteckt hinter unverständlicher Begriffshuberei, die ich Ihnen hier ersparen möchte. Auf die Folgen kommt es mir an.

Beim Schutz des Fernmeldegeheimnisses wird im TKG nicht länger unterschieden zwischen herkömmlichen öffentlichen Netzwerken und anderen Telekommunikationsnetzen. Das bedeutet nichts weniger: Das in Deutschland geltende Recht macht keinen Unterschied mehr zwischen firmeninternen Netzwerken, seien es Computernetze, seien es Telefonanlagen. Das Gesetz macht damit auch keinen Unterschied mehr zwischen dem Belauschen eines Bürgers oder eines Angestellten einer Firma.

Ein Jahr später, getrennt von TKG, beschloß der Bundestag eine Neuregelung des Schutzes des Fernmeldegeheimnisses. Mit dem neu in das Strafgesetzbuch aufgenommene Par. 2063 ist die Rechtslage heute eindeutig: Egal ob Telekommunikationsunternehmer oder gewöhnlicher Arbeitgeber: Wer als "geschäftsmäßiger Erbringer von Telekommunikationsdienstleistungen" zu sehen ist, riskiert bis zu 5 Jahren Gefängnis, wer seine Kundschaft oder seine Mitarbeiter belauscht.

Erlaubt bleiben natürlich Filterprogramme für E-Mails, solange sie automatisch ablaufen. Die Strafbarkeit setzt dann ein, wenn der Firmeninhaber oder ein Angestellter in seinem Auftrag die Inhalte zur Kenntnis nimmt und diese Inhalte an andere weitergibt.

Im damals noch bestehenden Ausschuss für Post und Telekommunikation wurde ausführlich darüber debattiert, ob denn der Schutz des Fernmeldegeheimnisses denn wirklich auch so unterschiedslos gefaßt werden sollte. Es sollte deswegen, damit die Sicherheitsbehörden den vollen Zugriff auf die Kommunikation in öffentlichen und privaten Netzwerken erhalten können. Ein bisschen mehr Rechtsschutz im Arbeitsalltag war eines der kleinen Gegengeschäfte für die Zustimmung der damaligen großen Oppositionspartei zum TKG.

Was folgt für uns hier beim BigBrotherAward daraus, meine Damen und Herren? Spector versteht sich nicht als die übliche Filtersoftware, Spector ist konzipiert für die Kontrolle durch das menschliche Auge: den Vorgesetzten oder den Firmenchef. Spector als Mittel zur betrieblichen Überwachung wird damit beworben - und macht dann erst Sinn - wenn der Überwacher seine Überwachungsergebnisse gegen die Mitarbeiter anwendet, ihnen also "verbotene" Mailinhalte vorhält. Genau an diesem Punkt macht sich der Überwacher strafbar.

Wer die in der Werbung so deutlich heraus gehobene Funktion der Überwachungssoftware Spector zur Überwachung der E-Mails seiner Angestellten aktiviert hat, diese Mails mitliest und die überwachten Inhalte ausschlachtet, sollte sich besser nicht erwischen lassen. Es ist illegal, es ist ein Fall für den Staatsanwalt.

Legal ist nicht einmal, das Surfverhalten seiner Mitarbeiter im Internet zu überwachen. Im Informations- und Kommunikationsdienstegesetz, ebenfalls von 1997, ist genauso klar geregelt, dass auch der Arbeitgeber als Anbieter eines Internetzugangs zu sehen ist4. Er hat - wie jeder andere Anbieter auch - Nutzungsdaten unverzüglich zu löschen, statt sie für eine Überwachung auszuwerten5. Dieses Gesetz enthält noch einige andere sehr nützliche Vorschriften, allein: nach dem Strafmaß sucht man vergebens. Hier wird der Gesetzesbruch nicht bestraft - ein leider gewollter Lapsus symbolischer Gesetzgebung.

Versierte Juristen haben mich aber davon überzeugt, dass das Strafgesetzbuch auch mit dem Strafparagraphen gegen das Ausspähen von Daten (202a StGB) eine recht taugliche Rechtskonstruktion vorsieht, um auch bei der Kontrolle der Tastenanschläge oder des Surfverhaltens durch den diesjährigen Preisträger Spector die Gerichte mit guter Aussicht auf Erfolg zu bemühen.

Datenschutz hört ebenso wenig am Werkstor auf wie das Grundrecht auf überwachungsfreie Telekommunikation. Schon das Betriebsverfassungsgesetz gibt seit vielen Jahren die Handhabe dafür - und die Rechtsprechung liefert genügend Beispiele -, Systeme wie Spector per Gerichtsbeschluß abschalten zu lassen. Hinzu kommt seit einigen Jahren die Möglichkeit zur Strafverfolgung durch den Staatsanwalt. Ob E-Mails oder Internet-Surfen: Die einschlägige Rechtslage in puncto Datenschutz am Arbeitsplatz in Deutschland weist zwar noch die eine oder andere Lücke auf, für ein Tätigwerden von Juristen reicht es jedoch allemal.

Spector ist nach eigener Werbeaussage eine Überwachungssoftware. Doch sie ist eindeutig mehr. Nach der Rechtslage in Deutschland dürfte der Einsatz von Spector in vielen Fällen eindeutig rechtswidrig sein.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die sich durch Spector ausspioniert wissen, rate ich: Fragen Sie nicht nur den Betriebsrat, gehen Sie auch zum Staatsanwalt!

Staatsanwälte, die sich den Schutz unserer Grundrechte auf die Fahnen geschrieben haben, hätten in anderen Fällen wohl schon lange die Kundenkartei von ProtectCom, Preisträger und Anbieter von Spector, beschlagnahmt, um darin all jene Gesetzesbrecher zu finden, die Par 206 des Strafgesetzbuches und erst recht Artikel 10 unserer Grundgesetzes mit Füßen treten. Wir alle hoffen von ganzem Herzen, dass dem Legalitätsprinzip hier einmal zur Geltung verholfen und dem Spector-Spuk ein Ende gesetzt wird. Vor Gericht.

Ganz persönlich hege ich so meine Zweifel, dass es soweit kommen wird. Wenn aber eine Aufforderung zu Straftaten gegen die Privatsphäre und gegen Grundgesetzartikel 10 - die die Werbung für Spector und der Vertrieb nach geltender Rechtslage darstellt - den Big Brother-Preis verdient hat, dann die Firma ProtectCom mit ihrer Überwachungssoftware Spector.

Deshalb geht der Big Brother Award in der Kategorie Arbeitswelt in diesem Jahr an die Firma ProtectCom für Spector.

Laudator.in

Foto von Ute Bernhardt
Ute Bernhardt, FIfF e.V., "Netzwerk Datenschutzexpertise"
Ingo Ruhmann am Redner.innepult während der BigBrotherAwards 2001.
Ingo Ruhmann, FIfF e.V., "Netzwerk Datenschutzexpertise"
Quellen (nur eintragen sofern nicht via [fn] im Text vorhanden, s.u.)

1 BVerfG, Nr. 11, 1977, S. 144

2 BVerfG, 1967, S. 171, BVerfG, Nr. 13, 1984, S. 172, BVerfG, Nr. 29, 1991, S. 396

3 Durch TK-Begleitgesetz, Art. 2, (13), Nr. 6

4 IuKDG, Art. 2, 2, Nr. 1

5 IuKDG, Art. 2, -6 (2)

Jahr
Kategorie
Kommunikation (2001)

Werner Müller

Ausgezeichnet wird Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, für die Telekommunikations- Überwachungsverordnung (TKÜV).
Laudator.in:
Patrick Goltzsch am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2000.
Patrick Goltzsch, Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG)
Portraitaufnahme von Werner Müller.

Der BigBrotherAward der Kategorie "Kommunikation" geht an den Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Dr. Werner Müller.

Das Ministerium hat unter seiner Leitung federführend die Telekommunikations-Überwachungsverordnung, kurz TKÜV, gestaltet.

Mit der TKÜV werden Betreiber von Telekommunikationsanlagen verpflichtet, auf eigene Kosten Vorkehrungen zur Überwachung der Kommunikation der Teilnehmer zu treffen. Zudem sollen die Betreiber quasi auf Zuruf der ermächtigten Behörden Überwachungsmaßnahmen in Gang setzen. Ein simples Fax - das, wie es aussieht, noch nicht einmal unterschrieben sein muss - von Richter, Staatsanwaltschaft, Polizei, Verfassungsschutz, MAD, BND oder Zoll zwingt die Betreiber zum Handeln. Mit der TKÜV fordert der Staat die Infrastruktur für eine Überwachung auf Knopfdruck. Den Strafverfolgungsbehörden sollen dann unverzüglich sowohl die Inhalte von Mitteilungen als auch die Verkehrsdaten, also wer mit wem kommuniziert hat, zur Verfügung gestellt werden.

Die bis zuletzt vom Ministerium beschworene umfassende Diskussion der Verordnung ist unterblieben. Statt dessen wurde die derzeitige Hysterie um die innere Sicherheit genutzt, die TKÜV vom Bundeskabinett abnicken zu lassen. Das war am Mittwoch. Mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt wird die Verordnung in Kraft treten.

Gründe

Seit 1998 sind die stetig präsentierten Entwürfe zur TKÜV immer wieder Gegenstand heftiger Kritik gewesen. Die Diskussionen stellten dabei meist den Preis der Überwachung, der auf die Betreiber abgewälzt werden soll, ins Zentrum. Für den Big Brother Award sind jedoch andere Momente der TKÜV wesentlich.

Die bisherige Fernmeldeüberwachungsverordnung regelte die Möglichkeiten zum Abhören von Telefongesprächen. Mit der TKÜV werden die Befugnisse der Ermittler in ungeahnter Weise fast auf das gesamte Spektrum technisch vermittelter Kommunikation ausgedehnt. Die Folgen sind noch nicht absehbar. Sicher ist, dass der Kreis der Betroffenen gerade durch die Möglichkeiten des Internet deutlich ausgedehnt wird. Benutzer eines Chats oder einer Mailing-Liste geraten unversehens ins Visier der Ermittlungsbehörden, wenn sie die gleichen Kanäle oder Listen benutzen, wie eine verdächtige Person.

Da die Betreiber über ihre Vorrichtungen zum Abhören zu Schweigen haben, wird dem Missbrauch der Abhöreinrichtungen Tür und Tor geöffnet. Das Internet liefert täglich Beispiele, wie die Fehler undokumentierter Technik ausgenutzt werden. Es mutet daher naiv an, ausgerechnet an einer so sensitiven Stelle wie den Abhöreinrichtungen den Betreibern einen Maulkorb aufzuzwingen.

Die Ausweitung der Überwachung wird zudem vorgeschrieben, ohne dass eine Erfolgskontrolle vorgesehen wäre. Zwar sollen die Betreiber Statisken führen, aber die dürfen nur der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zugänglich sein. Zahlen zur Überwachung und angeblichen Ermittlungserfolgen kommen nur von den interessierten Stellen.

Letztlich steht der Sinn der TKÜV insgesamt in Frage. Wer sich trotz der Verordnung den Lauschern entziehen möchte, kann das unter den gegebenen Umständen ohne große Mühe erreichen. Durch Verschlüsselung werden die Inhalte von Mitteilungen geschützt. Und zumindest im Internet entzieht die Weiterleitung durch ein Netz von Remailern auch die Verkehrsdaten, also wer mit wem kommuniziert, dem Zugriff der Behörden. Übrig bleibt, was im Telefonbuch steht: Teilnehmer XY hat die Nummer 123456.

Einige fragwürdige Punkte sind aus der TKÜV verschwunden. Dazu gehört auch die Forderung, die Betreiber von Telekommunikationsanlagen sollten verschlüsselte Daten den Behörden generell unverschlüsselt zur Verfügung stellen. Damit wäre ein indirektes Verbot kryptographischer Methoden ausgesprochen worden. Nun müssen Betreiber "nur" eine Hintertür für die von ihnen selbst angebotenen Verschlüsselungsdienste vorsehen. Den 1999 von der Bundesregierung verkündeten "Eckpunkten der deutschen Kryptopolitik" entspricht diese Vorschrift nicht. Es bleibt daher abzuwarten, was die noch ausstehende technische Richtlinie zur TKÜV an Überraschungen bereithalten wird.

Die TKÜV ist kein nationales Gewächs. Sie entspringt dem Geist der in vielen Punkten fast gleichlautenden Enfopol-Papiere, mit der die Ermittlungsbehörden ihre Überwachungsspielräume auf europäischer Ebene erweitern wollen. Zugleich nimmt sie verschiedene Forderungen der im November anstehenden Cybercrime Konvention der EU vorweg. Dazu gehört etwa die Verpflichtung, Überwachungsmaßnahmen unverzüglich in die Wege leiten zu können.

Die Forderung nach einem starken Staat lässt sich hier aus verschiedenen Richtungen hören. Nur er könne die Bürger angemessen schützen. Doch der Staat schränkt mit Enfopol, Cybercrime Konvention und TKÜV wesentliche Freiheiten ein. Er schafft ein Klima der Verunsicherung, das noch keiner Demokratie gut bekommen ist und schwächt sich damit letztlich selbst. In diesem Sinne macht die TKÜV den Schutz der eigenen Kommunikation zur Bürgerpflicht.

Laudator.in

Patrick Goltzsch am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2000.
Patrick Goltzsch, Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG)
Quellen (nur eintragen sofern nicht via [fn] im Text vorhanden, s.u.)

Weitere Informationen:

Jahr
Kategorie
Business & Finanzen (2001)

Informa

Diesen Preis erhält die Unternehmensberatung Informa für die Bemühungen um Intensivierung und Automatisierung des sogenannten Scorings von Verbraucher.innen.
Laudator.in:
Rena Tangens am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
Rena Tangens, Digitalcourage

Der BigBrotherAward der Kategorie "Business und Finanzen" geht an die Informa Unternehmensberatung GmbH in Pforzheim für ihr Scoringverfahren.

Von dieser Firma haben Sie noch nie etwas gehört? Aber diese Firma weiß eine ganze Menge über Sie. Und weil sie so viel weiß, kann sie auch vorhersagen, ob Sie einen Handyvertrag bekommen sollten, ob Sie Ihr Auto in Raten abzahlen dürfen und ob Sie für eine Hausrat- oder eine Kfz-Haftpflichtversicherung ein guter Kunde wären.

Scoring ist ein ursprünglich für den Versandhandel entwickeltes Ausleseverfahren, bei der für jede Anschrift in Deutschland ein Score zwischen 350 (sehr unattraktiver Kunde) und 750 (sehr attraktiver Kunde) ermittelt wird.

Der Score errechnet sich u.a. aus den Kreditinformationen der Schufa, der Adresse (Bundesland, Wohnviertel, Nachbarn), dem Alter (tendenziell ist älter besser; 18 ist schlecht, der beste Score ergibt sich bei einem Alter von 50 Jahren), den Gebäudeeinschätzung und vielem anderen, was aber im Einzelnen nicht offengelegt wird - denn sonst könnten sich Kunden ja darauf einstellen und damit den Wert des Scoringverfahrens in Frage stellen.

Auch bei der Schufa wird übrigens für jeden Menschen ein Score errechnet -- der sich übrigens verschlechtert, wenn jemand eine Eigenauskunft über die über sie oder ihn gespeicherten Daten anfordert. Denn die Verbraucherin hat offensichtlich etwas vor, also könnte auch etwas passieren...

Versicherungen, Handyanbieter, Leasinggesellschaften, diverse Webshops und viele andere nutzen bereits die Dienste der Informa, um schnell entscheiden zu können, wen sie als Kunden wollen und wen nicht bzw. unter welchen Bedingungen. So werden bei etlichen Webshops unterschiedliche Bezahlungsmodalitäten angeboten, je nachdem welche Adresse bei der Bestellung angegeben wird: Hamburg St. Georg nur per Nachnahme, ins feine Blankenese selbstverständlich auch auf Rechnung.

Gründe

Die Informa benötigt lediglich Name, Anschrift und Alter, um den Score zu ermitteln. Informa-Geschäftsführer Paul Triggs: Wir können für jeden Bürger einen Score ermitteln. Selbst wenn es über die Einzelperson einmal keine Daten gibt, hiflt uns hier die Beurteilung des Nachbarn rechts oder links."

Die Informa schöpft für ihre Berechnungen aus einen umfangreichen Datenpool: soziodemographische Daten, Regional- und Statistikdaten, Markt- und Konsumdaten, Gebäudedaten der Schober Einzelhausbewertung, Daten der adressvermietenden Unternehmen (bekanntes Beispiel: Versandhäuser) über ihre Kunden und deren Kaufverhalten, Daten von externen Informationsanbietern, die als Auskunftei- oder als Marketingdaten angeboten werden sowie sogenannte Lifestyle-Daten.

Wo all diese Daten herkommen wird klar, wenn wir sehen, dass neben der Fair Isaac Int. Corporation und der Strüber Beteiligungsgesellschaft auch die Klaus Schober Holding zu den Gesellschaftern der Informa Unternehmensberatung GmbH gehört. Der Schober Komplex gehört zu den führenden Unternehmen im Bereich des Direktmarketings.

Eigenwerbung von Schober Direct Media: "Die MarketBase-Datenbank vereint das Schober Consumer Masterfile, die Lifestyle-Datenbank, die Schober Einzelhausbewertung, und die Versandhandels-Strukturdaten der Schober Direct Media. Der neue Zielgruppen- und Datenkatalog zeigt systematisch Möglichkeiten auf, um bestehende Kunden noch genauer segmentieren sowie profitable neue Kunden gewinnen zu können. Das Schober Consumer Masterfile bietet Zugriff auf 50 Millionen Privatadressen mit 2,2 Milliarden Zusatzdaten mit vielfältigen Selektionsmöglichkeiten. 3,2 Millionen Lifestyle-Adressen von Konsumenten mit konkreten Kaufabsichten sowie Angaben zu Besitz und Bedarfssituation ermöglichen den Zugriff auf rund 5.000 passgenaue Zielgruppen mit ganz spezifischen Profilen."

Es existieren Kooperationen mit Quelle, Neckermann und der InfoScore Consumer Data GmbH.

Die sogenannten Lifestyle-Daten kommen von der Lifestyle Consumer GmbH. Diese versendet im großen Stil seitenlange Fragebögen mit Konsumentenbefragungen (im Internet unter www.freegoods.de)1. Nach eigenen Angaben sind sie auf die Erhebung von personenbezogenen Verbraucherdaten spezialisiert. Diese stellen sie nach Bedarf Herstellern, dem Handel und Marktforschungsunternehmen "ausschließlich Marketing- und Werbezwecke" zur Verfügung. Es steht zu befürchten, dass auch diese Eigenauskünfte für die Berechnung des Scorewertes herangezogen werden.

Was wir an alledem bedenklich finden:

  • Der Scorewert wird von den Firmen, die ihn erstellen, als rein mathematisch/statistischer Wert bezeichnet, der zwar eine Vorhersage von Wahrscheinlichkeiten sei, nicht aber die Bewertung einer Person. In der Praxis aber ist der Scorewert genau das, er bewertet die Bonität eines Menschen.
  • Ein Score bringt eine Vielzahl an Informationen in ein einfach zu handhabendes Format: eine einzelne Zahl. Anhand dieser Zahl kann in Sekundenbruchteilen entschieden werden, ob ich eine wünschenswerte Kundin bin oder nicht. De jure darf nicht ausschließlich auf Grund des Scorewertes entschieden werden. (Das Bundesdatenschutzgesetz nennt so etwas eine "automatisierte Einzelentscheidung"). De facto ist es schlicht nicht nachzuweisen, wenn es passiert.
  • Die Verbraucher wissen in der Regel nichts von diesem Treiben. Ein im Kleingedruckten der AGBs der entsprechenden Firmen versteckter Hinweis, dass sie Daten mit der Informa Unternehmensberatung GmbH austauschen, reicht dafür nicht aus.
  • Die Verbindung von Direktmarketing, Consumer- und Lifestyledaten mit dem Risikomanagement. Wem einmal aufgrund eines schlechten Scorwertes eine Versicherung gekündigt wurde, hat nach Erfahrungen von Verbraucherverbänden Probleme, wieder einen Vertrag von einer Versicherung zu bekommen.
  • Wie sollen Verbraucherinnen gegen einen Score protestieren bzw. ihn richtigstellen, wenn sie gar nicht wissen, welche Daten in dieser Zahl zusammengefaßt werden?

So bleibt uns zu hoffen, dass die Informa Unternehmensberatung durch ihre Nominierung ein wenig prominenter auch in Verbraucherkreisen wird.

Herzlichen Glückwunsch, liebe Informa Unternehmensberatung GmbH - Ihr Score reichte für den Big Brother Award.

Laudator.in

Rena Tangens am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
Rena Tangens, Digitalcourage
Quellen (nur eintragen sofern nicht via [fn] im Text vorhanden, s.u.)

1 Der Link ist nicht mehr verfügbar.

Jahr
Kategorie
Politik (2001)

Otto Schily

Ausgezeichnet ist Otto Schily, Bundesminister des Inneren, für sein Eintreten gegen Bürgerrechte, Datenschutz und Informationelle Selbstbestimmung.
Laudator.in:
Portraitaufnahme von Rolf Gössner.
Dr. Rolf Gössner, Internationale Liga für Menschenrechte (ILFM)

Der BigBrotherAward der Kategorie "Politik" und damit der Hauptpreis geht an den Bundesminister des Innern Otto Schily

  • weil er unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung eintritt für den Abbau von Bürgerrechten, für den Abbau von Datenschutz und die Einschränkung der informationellen Selbstbestimmung in Deutschland und Europa.
  • Er setzt sich dauerhaft - und seit dem 11.9. nochmals verstärkt - für neue Ermittlungsbefugnisse der Polizei und der Geheimdienste ein, ohne die verfassungsmäßig garantierten Bürgerrechte zu berücksichtigen.
  • Und er mißachtet in besonderer Weise das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von ausländischen Bürgerinnen und Bürgern.

Gründe

Otto Schily hat sich sozusagen überqualifiziert: Er erhielt mit Abstand die meisten Nominierungen für die diesjährige Preisverleihung. In der Jury bestand Einigkeit, dass Innenminister Schily in diesem Jahr der Hauptpreis gebührt.

Von allen deutschen Politikern, die seit den terroristischen Anschlägen in den USA den Datenschutz in Frage stellen, hat sich Otto Schily am deutlichsten hervorgetan. Schily plädierte dafür, dass der Datenschutz "neu definiert" werden müsse, dass "Sicherheitsinteressen nicht durch Datenschutzbestimmungen behindert werden dürfen". Schily stellte die Frage, ob der Datenschutz nicht oft "übertrieben" worden sei. Er ließ seinen Sprecher davor warnen, dass der "Datenschutz sich nicht als Terroristenschutz auswirkt".

Schily ist nicht irgendein Politiker. Er ist der Minister, der für die Bundesregierung die Vorschläge zur öffentlichen Sicherheit ausarbeitet, dessen nachgeordnete Behörden diese Vorschläge umsetzen und der für den Schutz der Verfassung, zu der vorrangig die Bürgerrechte gehören, verantwortlich zeichnet. In dieser Eigenschaft obliegt ihm insbesondere der Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Statt dessen versucht Innenminister Schily, mit immer neuen Vorschlägen fälschlich den Eindruck zu vermitteln, durch zusätzliche und gegen große Bevölkerungsgruppen gerichtete Überwachungsmaßnahmen könne ein Mehr an Sicherheit für die Bevölkerung gegen den Terrorismus erreicht werden. Schily steht an erster Stelle jener Politiker in Deutschland, die die schrecklichen Terroranschläge in den USA als Anlass und Legitimation zur Durchsetzung freiheitsbeschneidender Gesetze instrumentalisieren.

  • Otto Schily forderte schon wenige Tage nach den Anschlägen, Fingerabdrücke in Pässe und Personalausweise aufzunehmen. Die Folge wäre zwangsläufig eine bundesweite daktyloskopische Erfassung der deutschen Bevölkerung und damit eine verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung. Inzwischen plant er, weitere biometrische Daten wie Gesichtsgeometrie oder Irismerkmale auf Ausweispapieren zu speichern, mit der Folge, dass sich die ganze Bevölkerung biometrisch vermessen lassen mÜsste.
  • Schily will, dass Telekommunikationsunternehmen und Internet-Provider verpflichtet werden, Nutzungs- und Verbindungsdaten mindestens sechs Monate lang zu speichern. Diese ausschließlich für Zwecke der Strafverfolgung initiierten Maßnahmen unterwerfen die gesamte Bevölkerung pauschal einem Kriminalitätsverdacht.
  • Schily setzt sich außerdem ein für die Schaffung eines Datenverbundes aller deutschen Geheimdienste und des Bundeskriminalamtes, für verdachtsunabhängige Ermittlungskompetenzen des BKA sowie für eine umfassende Kronzeugenregelung, die selbst dann Strafmilderung verspricht, wenn andere fälschlich beschuldigt werden.

Die Vorverlegung polizeilicher Maßnahmen ins weite Vorfeld von Straftaten oder konkreten Gefahren sowie die Aufhebung der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten sind Merkmale, welche bereits die nationalsozialistische Geheime Staatspolizei und die Stasi kennzeichneten. Eine solch ausufernde Sicherheitspolitik und eine demokratisch kaum zu kontrollierende Machtkonzentration sollten nach diesen Erfahrungen in Deutschland wirksam unterbunden werden.

Das Hauptgewicht der vorgeschlagenen Überwachungsmaßnahmen richtet sich dabei nicht gegen die deutsche Bevölkerungsmehrheit, sondern gegen Ausländerinnen und Ausländer, die ohnehin schon zu der am meisten überwachten Bevölkerungsgruppe gehören. Damit schürt Schily Angst, Abwehr und Aggressionen gegen Fremde.

  • Mit der Einführung eines neuen ' 129b ins Strafgesetzbuch, der die Mitgliedschaft auch in internationalen "terroristischen Vereinigungen" unter Strafe stellen soll, wird nicht etwa ein wirksames Instrument zur Zerschlagung derartiger Organisationen geschaffen, sondern vor allem ein Ermittlungsparagraf, der eben auch zur strafrechtlichen Verfolgung legitimen politischen Widerstands gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit in diktatorischen Ländern genutzt werden kann.
  • Anstatt das Ausländerzentralregister (AZR) auf ein verfassungskonformes Maß zurecht zu stutzen, sollen nach dem Wunsch von Schily die Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten des AZR noch ausgebaut werden durch zusätzliche Speicherung personenbezogener Merkmale (z.B. Religionszugehörigkeit), durch erweiterte Online- Zugriffsmöglichkeiten oder durch die Neueinführung einer Nutzungsbefugnis für Sozialbehörden. Schon im vorigen Jahr hat das Ausländerzentralregister wegen seiner jahrzehntelangen Förderung der Diskriminierung von Ausländern, wegen seines Beitrags zur Schwächung der Grundrechte einen Big Brother Award erhalten.
  • Durch zusätzliche Maßnahmen soll der Überwachungsdruck auf Ausländerinnen und Ausländer weiter erhöht werden, z.B. durch das Erfassen von Fingerabdrücken bei der Visa-Beantragung, durch die Einführung der Regelanfrage bei Geheimdiensten im Fall von Einbürgerungen und der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen, durch die Durchführung von Rasterfahndungsmaßnahmen, durch die Einführung bundesweiter Islamismusdateien oder einer Warndatei zur Bekämpfung von Visa-Erschleichung und Schlepperkriminalität.
  • Mit der Forderung nach einem verstärkten Austausch zwischen Asylbehörden und Geheimdiensten, die ihrerseits einen Datenaustausch mit Geheimdiensten in den Herkunfts- bzw. Verfolgerstaaten pflegen, würde faktisch das im Asylrecht zugestandene Recht auf Schutz vor Verfolgung untergraben.
  • Die umfangreiche Erfassung zusätzlicher personenbezogener Daten und die von Schily geforderte Vernetzung bzw. der Abgleich unterschiedlicher Datenbanken von AZR, Polizei, Einwohnermeldeamt und anderen Behörden vergrößert und erleichtert die Gefahr von Datenmißbrauch oder Fehlinterpretationen.

All diesen Maßnahmen ist gemein, dass sie nicht geeignet sind, terroristische Gefahren abzuwehren oder terroristische Taten aufzuklären, dass sie aber dazu beitragen, ein Klima der Intoleranz zu fördern, in dem Fremdenfeindlichkeit und Hass gedeihen. Dieses Klima könnte den Nährboden für weitere terroristische Aktionen bilden. Teilweise haben die Vorschläge nicht einmal im Ansatz einen Bezug zur Terrorismusbekämpfung. Vieles ist nichts anderes als das Wiederaufkochen von datenschutzfeindlichen Ladenhütern, die bisher selbst unter einer schwarz-gelben Regierung aus guten Gründen nicht realisiert worden sind.

Schilys Vorschläge ignorieren, dass die bestehenden Regelungen bereits ein umfassendes Instrumentarium zur effektiven Bekämpfung terroristischer Straftaten zur Verfügung stellen. Sie lenken von Vollzugsdefiziten bei den Sicherheitsbehörden, von irrigen Lagebeurteilungen und von der Tatsache ab, dass es keinen sicheren Schutz vor Terrorismus geben kann, schon gar nicht vor Selbstmord-Attentaten. Terrorismusrisiken lassen sich nicht mit der technischen Überwachung ganzer Bevölkerungsteile minimieren, sondern durch die minutiöse Aufklärung der Taten und der sich dabei zeigenden terroristischen Strukturen sowie durch Prävention, sowohl durch gesellschaftliche Prävention über einen interkulturellen Austausch als auch durch den technischen Schutz potenzieller Angriffsziele.

Otto Schily treibt im übrigen - trotz Bedenken auch in der Bundesregierung - den weiteren Ausbau von Europol voran, etwa durch die Zulassung neuer operativer, "exekutiver" und informationeller Befugnisse, durch die Festlegung neuer Zuständigkeiten oder den Aufbau neuer Ermittlungseinheiten und Dateien - ohne dabei auch nur eine Maßnahme zu initiieren, mit der die demokratischen und rechtsstaatlichen Defizite dieser europäischen Polizeibehörde abgebaut werden könnten. Bis heute agiert Europol nämlich ohne jegliche parlamentarische Verantwortlichkeit und Kontrolle, und ohne dass betroffene Bürger gerichtlichen Rechtsschutz erlangen können. Damit ist Schily einer der Hauptverantwortlichen für die Weiterentwicklung von Europol zu einer gesamteuropäischen Überwachungsstruktur mit erheblichem Missbrauchspotential.

Der sicherheitspolitische Aktionismus Schilys nach den Terroranschlägen ist die Zuspitzung einer von ihm seit drei Jahren forcierten bürgerrechtsfeindlichen Sicherheitspolitik. Er zeichnet dafür verantwortlich, dass im Bundeskriminalamt sogenannte Gewalttäterdateien mit verharmlosenden Namen wie "Remo", "Aumo" oder "Limo" eingerichtet wurden, deren Speicherungen u.a. dazu führten, dass nicht vorbestrafte Bürgerinnen und Bürger, die gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Genua demonstrieren wollten, an der Ausreise aus der Bundesrepublik gehindert oder über lange Zeit ohne Nachweis eines strafbaren Tuns in Italien inhaftiert wurden. Das vom Grundgesetz garantierte Recht auf Handlungs- und Bewegungsfreiheit wurde so außer Kraft gesetzt.

Otto Schily und sein Ministerium sind bis heute den Nachweis schuldig geblieben, dass "der Datenschutz" die Kriminalitäts- oder Terrorismusbekämpfung behindert hätte. Datenschutzrechtliche Regelungen und ihre Beachtung sind Grundvoraussetzungen dafür, dass die Bevölkerung der Arbeit der Sicherheitsbehörden Vertrauen entgegenbringt. Mit seiner Sicherheitskampagne trägt er dazu bei, dass die Grundlagen des demokratischen und freiheitlichen Systems, die es gegen den Terrorismus zu verteidigen gilt, untergraben werden.

Weitere Informationen

Laudator.in

Portraitaufnahme von Rolf Gössner.
Dr. Rolf Gössner, Internationale Liga für Menschenrechte (ILFM)
Quellen (nur eintragen sofern nicht via [fn] im Text vorhanden, s.u.)
Jahr
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Kommunikation (2000)

GMX

Ausgezeichnet wird der Mail-Anbieter "GMX", weil er die Post seiner User unzureichend gesichert hat.
Laudator.in:
Patrick Goltzsch am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2000.
Patrick Goltzsch, Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG)
Screenshot der E-Mail-Plattform GMX von 2007.

Der BigBrotherAward der Kategorie "Kommunikation" geht an Global Message Exchange (GMX) weil die Firma, die elektronische Post Ihrer Nutzerinnen und Nutzer ungenügend gesichert hat. Zwei Vorfälle im Sommer 2000 geben dazu Anlass.

Gründe

Big Brother Award für GMX in der Kategorie Kommunikation GMX erhält den Preis, weil die Firma die Post ihrer Nutzer ungenügend abgesichert hat. Zwei Vorfälle im Sommer dieses Jahres geben dazu Anlass.

Im Juli verloren etwa 118.000 GMX-Kunden ihre elektronische Post, weil GMX intern die Software erneuerte. Dabei unterlief in vielen Fällen der Fehler, nicht nur die Postfächer der Kunden sondern auch ihre Archive zu löschen. Daraufhin stellte sich heraus, dass die Firma die Postfächer nur unzureichend abgesichert hatte. GMX kommentierte den Vorfall mit den Worten: "Im Freemail-Bereich gibt es leider nur bedingt Datensicherungen"1.

Wenige Tage später war GMX Ziel eines Angriffs von außen. Dabei gelang es, die Passwörter von 1625 Kunden zu ändern. In der Folge hatten die Angreifer nicht nur die Möglichkeit, die Post dieser Kunden zu lesen, sondern konnten auch unter deren E-Mail-Adressen Post verschicken2. GMX versuchte sich in den Wochen darauf mit unzureichenden Lösungen aus der Affäre zu ziehen, bevor die Firma etwa vier Wochen später bekanntgab, das Problem gelöst zu haben.

Von einer Panne kann auch in diesem Fall keine Rede sein. Die ebenfalls im Freemail-Bereich arbeitenden, konkurrierenden Dienste wie Web.de oder Lycos waren Tage zuvor einer ähnlichen Attacke zum Opfer gefallen. Dass GMX trotzdem keine Vorkehrungen traf, wiegt umso schwerer, als die Sicherheitslücke, welche die Angreifer nutzten, seit längerer Zeit bekannt ist.

Die Beteuerungen von GMX, man unternähme alle Anstrengungen, um die Sicherheit der ihnen anvertrauten Daten zu gewährleisten, erscheinen unter diesen Umständen wenig glaubwürdig.

Es lohnt sich in diesem Zusammenhang, einen Blick auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen von GMX zu werfen: "GMX ist ein Transportsystem für elektronische Mitteilungen und unterliegt wie die herkömmlichen Postzustelldienste der Verpflichtung, das gesetzlich verankerte Briefgeheimnis zu wahren und zu schützen. [...] Der Nutzer stellt GMX AG von jeglicher Haftung für die von ihm übermittelten Inhalte frei."

Einerseits stellt sich GMX auf diese Weise mit herkömmlichen Postdiensten gleich. Andererseits wird die Gleichsetzung nur genutzt, um die Firma aus der Haftung für übermittelte Inhalte zu entlassen. Unberücksichtigt bleibt dabei die Verpflichtung das Briefgeheimnis zu wahren und zu schützen.

Ein anderer Aspekt von GMX sollte im Zusammenhang mit dem Big Brother Award nicht unerwähnt bleiben: GMX finanziert die Dienstleistung kostenloser E-Mail mit zielgruppenspezifischer Werbung. Wer GMX nutzen möchte, bezahlt das Angebot mit Angaben nicht nur zum Wohnort sondern zum Familienstand, der Ausbildung, dem beruflichen Status usw. GMX erstellt daraus nach eigenen Angaben anonyme Nutzerprofile. Dieses Data-Mining mag sich im Rahmen des Datenschutzes bewegen, unerfreulich ist es allemal.

E-Mail ist der beliebteste Dienst im Internet. Durch Mangel an Erfahrung und unverschlüsselte Post gefährden viele Nutzer selbst das Briefgeheimnis. Wenn unter diesen Umständen eine Firma mit vierjähriger Geschäftserfahrung im E-Mail-Bereich den Erwartungen an Vertraulichkeit und Sicherheit durch einen Mangel an Engagement nicht genügt, hat sie sich den Big Brother Award redlich verdient.

Über GMX: GMX ist nach eigenen Angaben mit über fünf Millionen Kunden der größte Anbieter für einen kostenlosen E-Mail-Service in Deutschland. Die Firma finanziert ihre Dienstleistung über zielgruppenspezifische Werbung.

Laudator.in

Patrick Goltzsch am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2000.
Patrick Goltzsch, Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG)
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Hintergrund zu 3-S-Zentralen:
http://www.is-kassel.de/%7Esafercity/2000/der_deutsche_bahnhof.html [Link nicht mehr verfügbar]
von Volker Eick (Berlin), Mai 1998

Der deutsche Bahnhof - Zentrale oder Filiale der panoptischen Stadt des 21. Jahrhunderts?
Aktuelle Sicherheitsdiskussionen, -strategien und -praxen bei und im "Umfeld" der Deutschen Bahn AG
Papier, vorgestellt auf dem Treffen der Innenstadt-AG, Frankfurt/M. (5. Mai 1998, Frankfurt/M.)

1 Einleitung
2 Bahnpolizei & Bundesgrenzschutz
3 Bundesgrenzschutz & 'Aktion Sicherheitsnetz'
4 Bundesgrenzschutz & Bahnanlagen
5 Deutsche Bahn AG & "3-S-Konzept"
6 Berlin, Bahn & "Umfeld"
7 Literaturauswahl

1 Einleitung
Im folgenden möchte ich auf drei Aspekte eingehen, die in dem vorhergehenden Beitrag und den Videos bereits angesprochen wurden.

* Der erste wichtige Aspekt ist die Rolle, die der Bundesgrenzschutz (BGS) seit der Privatisierung der Deutschen Bundes- und Reichsbahn zur Deutschen Bahn AG (1992) spielt. Diese neue Rolle ist im "Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz" fixiert, das seit dem 1. April 1992 gilt. Denn damit sind zwei grundlegende Veränderungen verbunden: Erstens untersteht die Bahnpolizei des Verkehrsunternehmens "Deutschen Bahn AG" nicht mehr dem Bundesverkehrsministerium, sondern ist Teil der Strukturen des Bundesinnenministeriums geworden. Damit geht zweitens eine Ausweitung der Befugnisse und die verstärkte Präsenz des Bundesgrenzschutzes im Landesinneren einher, der sich so jenseits aller verfassungsrechtlichen Bedenken mehr und mehr sogenannte allgemeinpolizeiliche Aufgaben angeeignet hat. Mit den auf der Innenministerkonferenz (IMK) im Februar 1998 vereinbarten Regelungen zur "Aktion Sicherheitsnetz" konnte sich so ein bereits 1988 vom Bundesinnenministerium entwickeltes Organisationskonzept für den Bundesgrenzschutz weitgehend durchsetzen.

* Der zweite Aspekt betrifft das 1994 vom "Geschäftsbereich Personenbahnhöfe" entwickelte "3-S-Konzept": Service, Sicherheit, Sauberkeit. Hier konzentriere ich mich auf das "S" für "Sicherheit", das mit dem Aufbau eines betriebseigenen Sicherheitsdienstes, der "Bahn Schutz & Service GmbH", einher ging und explizit auch das Bahnhofsumfeld den Kontrollinteressen der Deutschen Bahn AG zuschlägt. Neben dem betriebseigenen Sicherheitsdienst sind weitere private Sicherheitsdienste, die jeweiligen Landespolizeien und der Bundesgrenzschutz in verschiedenen "Sicherheitsstäben" zusammengefaßt. Integraler Bestandteil ist zudem die Aufrüstung der Bahnhöfe mit den eben im Film gesehenen "3-S-Zentralen".

* Im dritten Teil will ich anhand einiger Zahlen und Erfahrungen die konkrete Praxis in Berlin skizzieren.

2 Bahnpolizei & Bundesgrenzschutz
Bis 1992 hatte der BGS zwei Aufgaben, die er fast ausschließlich in geschlossenen und kasernierten Verbänden erfüllte: Die Grenzsicherung und die Unterstützung auf Anforderung der Landespolizeien bei "besonderen Lagen", wie Großdemonstrationen und in der "Terrorismus"bekämpfung. Gesetzlich gedeckt ist auch der Einsatz "im Falle des inneren Notstandes" und in Katastrophenfällen.

Bereits Mitte der 80er Jahre beginnt das Bundesinnenministerium der prognostizierten Verminderung von Aufgaben beim Bundesgrenzschutz mit verschiedenen Untersuchungen entgegenzuwirken. Zu diesem Zeitpunkt entsteht so das Papier "BGS 2000. Aufgaben und Gestaltung des BGS als Polizei des Bundes über das Jahr 2000 hinaus" (Kessow 1997: 29). 1988 wird eine interministerielle Arbeitsgruppe gegründet und 1990 der Abschlußbericht dieses Untersuchungsausschusses vorgelegt, der noch nicht auf die grundlegende und mittlerweile beschlossene Reform des BGS abhebt. Ab dem 3. Oktober 1990 wird dem Bundesgrenzschutz in den neuen Ländern die Aufgaben der Bahnpolizei (die dort "Trapo", also Transportpolizei, hieß) übertragen; diese Regelung galt sofort auch für Westberlin.

Das Bundesministerium für Verkehr und Bundesministerium des Innern einigten sich sodann, daß im Anschlußgebiet (also auch in Westberlin) von nun das Bundesinnenministerium zuständig sei, während im übrigen Bundesgebiet der Bundesminister für Verkehr zuständig bleibt. Mit dem sog. "Aufgabenübertragungsgesetz" vom April 1992 ist der BGS dann für die gesamte BRD zuständig. Mit dieser Aufgabenübertragung wirkt der Bundesinnenminister - vorerst endgültig - einer befürchteten Truppenreduzierung u.a. durch die Neuschaffung des einzeldienstlichen Aufgabenfeldes "Bahnpolizeiliche Aufgaben" entgegen (Kessow 1997: 19ff). Der Wegfall der innerdeutschen Grenze und die sich abzeichnenden Lockerungen an den Schengener Binnengrenzen konnten so personalpolitisch erfolgreich abgefangen werden.

Die von Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) im September 1997 beschlossene Neuorganisation des Bundesgrenzschutz sieht neben den ca. 13.000 kasernierten Bundespolizeikräften den Ausbau der einzeldienstlichen Aufgabenfelder für 18.600 Kräfte vor: Grenzpolizeiliche Aufgaben, bahnpolizeiliche sowie Luftsicherheitsaufgaben und der polizeiliche Schutz von Bundesorganen sind nun die vier einzeldienstlichen Aufgabenfelder des BGS. Dem bahnpolizeilichen Einzeldienst werden 5.540 Kräfte zugewiesen (1997), was einem Zuwachs von 20 Prozent binnen Jahresfrist entspricht (Bundesministerium des Innern 1997: 3ff; Eick 1998: 101). Weitergehend ist nur noch die Aufstockung an der Ostgrenze der Bundesrepublik; hier wurden die BGS-Truppen von 2.000 (1992) auf 7.000 (1994) verstärkt, so daß dort insgesamt 11.000 Beamte im Einsatz sind. Europaweit stellt damit die deutsche Ostgrenze das Gebiet mit der höchsten Polizeidichte im gesamteuropäischen Vergleich dar (vgl. Berliner Behörden Spiegel 1998: 5).

3 Bundesgrenzschutz & 'Aktion Sicherheitsnetz'
An dieser Stelle greift dann der Beschluß der Innenministerkonferenz vom Februar 1998 über eine "Partnerschaft für mehr Sicherheit in unseren Städten und Gemeinden". Das von Innenminister Kanther in diesem Zusammenhang initiierte "großstädtische Modellvorhaben in der 'Aktion Sicherheitsnetz'" wird weitgehend übernommen. Berlin ist eine der auserkorenen Modellstädte. Allerdings findet der Begriff "Sicherheitsnetz" keine Anwendung mehr, sondern es wird von "Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften", von einer "partnerschaftlich vernetzten Kooperation" gesprochen (IMK-Beschluß 1998: 5).

Folgende Maßnahmen sind in der "Aktion Sicherheitsnetz" vorgesehen: konsequente Verfolgung von Bagatellkriminalität wie Ladendiebstahl und Graffiti, entschlossene Verteidigung der öffentlichen Ordnung gegen "z.B. aggressives Betteln, Lärmen, Verunreinigung öffentlichen Verkehrsraums u.a." (IMK-Beschluß 1998: 5), engste Zusammenarbeit von Polizei, Bundesgrenzschutz, Ordnungsbehörden, Sozialversicherungen, Arbeits-, Jugend- und Sozialämtern, Kooperation mit privaten Sicherheitsdiensten und freiwilligen Polizeihelfern, Mitwirkung der Justiz mittels Hauptverhandlungshaft und beschleunigten Verfahren, Bürgernahe, dezentralisierte Polizei und Schaffung von Präventionsräten auf kommunaler Ebene.

Ohne hier ins Detail des Innenministerbeschlusses gehen zu wollen, doch fünf Anmerkungen:
Erstens geht der Beschluß der Innenministerkonferenz in Teilen über die Forderungen von Kanther hinaus: So werden überwachter Hausarrest, mehr Haftplätze, geschlossene Heimunterbringung für Jugendliche und verschärftes Vorgehen gegen MigrantInnen gefordert (vgl. IMK-Beschluß 1998: 6f).
Zweitens haben - mit Ausnahme von Hamburg - alle Bundesländer der Forderung des Bundesinnenministeriums nach verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen durch den BGS auch außerhalb des Grenzbereiches (der ja im Rahmen der "Schleierfahndung" ohnehin 30 Kilometer in das Landesinnere verlegt wurde) zugestimmt.
Drittens haben ihre Bereitschaft, am Modellversuch "Sicherheitsnetz" teilzunehmen, bereits die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz signalisiert. Für Berlin und Stuttgart wurden bereits Abkommen über den BGS-Einsatz unterzeichnet. Bremen, Hessen für die Region Frankfurt am Main mit Offenbach und Hanau sowie Hessen gemeinsam mit Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz für den Rhein-Neckar-Raum (Mannheim, Ludwigshafen, Viernheim und Lampertheim) haben gegenüber dem BMI ihre Teilnahmeabsicht erklärt. In den beiden Süd- West-Regionen ist als Starttermin Ende März/Anfang April vorgesehen. Darüber hinaus sind die Städte Hannover (zur EXPO 2000) und München für eine Beteiligung am 'Sicherheitsnetz' im Gespräch (vgl. Kant/Pütter 1998: 73).
Viertens hat eine weitere Bundesbehörde - unabhängig vom "Sicherheitsnetz" -, die 'Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll' (ZUZ) beim Kölner Zollkriminalamt, am 1. Januar 1998 ihre Arbeit aufgenommen. Die ZUZ, die dem Bundesfinanzminister untersteht, soll eingesetzt werden, wenn die Lage ein geschlossenes Vorgehen - offen oder verdeckt - unter Anwendung unmittelbaren Zwanges gegen Gewalttäter erfordert. (vgl. Berliner Behörden Spiegel 1998: 5). Der Personalbestand sämtlicher Zollbehörden beläuft sich auf 38.848 Beamte. 6.100 bei der Grenzkontrolle, 3.100 bei der Zollfahndung in 34 Fahndungskommissariaten (ebenda).
Fünftens spielen Verkehrswege und -knoten für das nationale Netz der Inneren Sicherheit und bei der Kontrolle der nach innen verlängerten Grenzen eine zentrale Rolle. Strategische Orte stellen darin Autobahnen, Flughäfen, Fernverkehrszüge und Bahnhöfe, zentrale Regionen die jeweiligen Grenzregionen dar (vgl. Maurer 1998: 51ff, der in Hinblick auf die "Schleierfahndung" von einer "zweiten Grenzlinie" spricht).

Zusammengefaßt können die Anstrengungen von Bundesinnenminister Kanther im Zusammenhang mit der 'Aktion Sicherheitsnetz' und die weitgehende Zustimmung der Innenministerkonferenz vom 2. Februar 1998 als erfolgreiche Durchsetzung einer "Gefahrenabwehrverordnung des Bundes" bezeichnet werden. Während die lokalen Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften im städtischen und regionalen Raum organisiert werden und "problem- und projektbezogene Arbeit" leisten sollen (IMK-Beschluß 1998: 4), erschließt das zweite Kontrollnetz der inneren Grenzen flächendeckend den nationalen Raum.

4 Bundesgrenzschutz & Bahnanlagen
Die Aufgaben des BGS auf den Bahnanlagen (Bahnhöfe, Gleisanlagen, Versorgungseinrichtungen, aber auch Bahnumfeld) lassen sich in drei Punkten zusammenfassen (vgl. Kessow 1997: 19ff, 82f):
a.Abwehr von Gefahren, die vom Betrieb der Eisenbahnen ausgehen (also Abwehr von Gefahren der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die den Benutzern, den Anlagen oder dem Betrieb der Bahn drohen oder beim Betrieb entstehen oder von den Bahnanlagen ausgehen; vgl. § 3 BGSG; Kessow 1997: 77),
b.Überwachung der öffentlichen Ordnung mittels Übertragung des Hausrechts. Die Übertragung des Hausrechts rechtfertigt sich jedoch nur aus Sondersituationen bis zum Eintreffen der zuständigen Stellen (vgl. § 1 Abs. 4 BGSG; Kessow 1997: 81f; Bueß (1997: 200) sieht demgegenüber keine Übertragung des privatrechtlichen Hausrechts an den Bundesgrenzschutz). Im Zusammenhang mit dem Einsatz privater Sicherheitsdienste ist zudem umstritten, ob das Hausrecht der Bahn AG auch privatrechtlicher oder rein öffentlich-rechtlicher Natur ist; das Bundesbahnvermögen war als nichtrechtliches Sondervermögen des Bundes hoheitsrechtlich verankert, wird aber jetzt privatrechtlich ausgeübt (vgl. Bueß 1997: 199f); jedenfalls spart die Bahn AG nach eigenen Angaben mit der Übertragung des Hausrechts an den BGS jährlich allein 240 Millionen Mark an Personalkosten ein,
c.Verfolgung von Zuwiderhandlungen auf dem gesamten Bahngelände und dessen Umfeld im Zuge des "ersten Angriffs" (Polizeidienstverordnung PDV 100, zit.n. Kessow 1997: 83).

Der Polizist und Polizeifachmann Kessow (1997: 77ff) spricht daher zusammenfassend von folgenden sachlichen Zuständigkeiten: Gefahrenabwehr, Erforschung von Straftaten, Erforschung und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten sowie Schutz privater Rechte, zu der die vorübergehende Wahrnehmung des Hausrechts zählt. Die bis 1992 von den bahnpolizeilichen Dienststellen geführte "Verbotsdatei", in der alle Personen gespeichert werden, die sich Anweisungen der damaligen Bahnpolizei nach dem Hausrecht widersetzt haben - und hier abgestuft nach Bahnhofsverweis, Bahnhofsverbot und Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gespeichert sind -, gilt bspw. jetzt als privatrechtliche Datei und muß - aus Datenschutzgründen (J!) - der Deutschen Bahn AG zur weiteren Verwendung übergeben werden (Kessow 1997: 81f).

Diese Aufgabenbeschreibung des BGS stellt somit zunächst eine Verknüpfung von staatlicher Strafverfolgung und Hausrecht dar, wird aber durch die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten erweitert. Die Übertragung des Hausrechts an den BGS schafft die Möglichkeit, bereits "niedrigschwellig", also vor Auftreten einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat, einzuschreiten. Mit dem Bundesgrenzschutzgesetz (BGSG) von 1992 wird dem BGS auch die Aufgabe übertragen, zur "Verhütung von Straftaten", also präventiv, einzugreifen. Dieser Präventionsauftrag stellt damit die Grundlage für den BGS dar, jenseits strafrechtlicher Relevanz zur Steigerung des "subjektiven Sicherheitsgefühls" tätig zu werden. Hier liegt auch die zentrale Verknüpfung mit den zahlreichen Gefahrenabwehrverordnungen, Präventionsratsmodellen und Sicherheitspartnerschaften, die sich auf Länder- und kommunaler Ebene etabliert haben.

Um noch einen eher nebensächlich wirkenden Aspekt zum Thema "Hausrecht" herauszugreifen: Die Übertragung des Hausrechts an den BGS und damit dessen Zuständigkeit für z.B. den noch immer als Straftatbestand gehandelten § 265a StGB (Beförderungserschleichung durch ein Verkehrsmittel, sog. "Schwarzfahren"). Im Kern stellt die Übertragung von Ordnungs- und betriebswirtschaftlich gewollten Aufgaben an den Bundesgrenzschutz einen klassischen Fall der Sozialisierung von Verlusten und Privatisierung von Gewinnen dar. Das gilt im übrigen analog für das Outsourcing der Fahrscheinkontrollen an (betriebsfremde) private Sicherheitsdienste im ÖPNV: In beiden Fällen haben die Verkehrsunternehmen ihre Kosten für die Durchsetzung ihrer Beförderungsentgelte durch die Drohung mit und die Inanspruchnahme von strafrechtlichen Sanktionen übertragen (Beförderungserschleichung). Es entstehen ihnen ja keine aus generellem strafrechtlichen Präventionsinteresse motivierten Kosten, sondern aus rein betriebswirtschaftlichem. In 1992 wurden etwa 70.000 Strafverfahren nach § 265a StGB eingeleitet; in Einzelfällen verbrachten dabei Menschen innerhalb der vergangenen zehn Jahre dreieinhalb Jahre nur wegen "Schwarzfahrens" im Gefängnis (vgl. Martin 1995: 341ff).

Ideologisch sind "Organisierte Kriminalität" und das "subjektive Sicherheitsgefühl" zu zentralen Schnittstellen für nationalstaatliche und kommunale Aktivitäten im Sicherheitsbereich geworden; unterfüttert durch den "Sauberkeitsdiskurs", der in Berlin inzwischen auch seinen institutionalisierten Niederschlag in der "Aktion Saubere Hauptstadt" gefunden hat (vgl. Eick 1998; Kaufmann 1973).

Auf der räumlichen Ebene bilden Innenstädte und Bahnhöfe die zentrale Schnittstelle für nationalstaatliche und kommunale Sicherheitsanstrengungen; sie sind damit zugleich auch die Schnittstelle zwischen privaten und staatlichen Anstrengungen in diesem Bereich.

Auf der Akteursebene ist der BGS zum zentralen Knotenpunkt zwischen Landespolizeien, Ordnungsbehörden, privaten Akteuren (wie Verkehrsbetrieben, Einzelhandelsverbänden und Großkonzernen), aber auch sozialen Organisationen geworden, die sich z.T. bereitwillig in dieses Ausgrenzungsregime integrieren lassen. Private Sicherheitsdienste haben sich mittlerweile von ihren staatlichen oder privaten Auftraggebern soweit weitgehend emanzipieren können, daß sie eigenständig Forderungen aufstellen oder Vorschläge unterbreiten.

In der BGS-Praxis in Zusammenhang mit und in Abgrenzung zu den Tätigkeitsbereichen der Landespolizeien und Sicherheitsdienste ist es, so einhellig die Polizeifachliteratur, "eher eine Frage der praktischen Handhabung und weniger der rechtlichen Zuständigkeitsabgrenzung, ob und inwieweit die Landespolizei sich in diesen Bereichen auf die Präsenz des Bundesgrenzschutzes einrichtet und ihm nach Maßgabe der bestehenden landesrechtlichen Regelungen in Fällen ihrer originären Zuständigkeiten den "ersten Angriff" überläßt. Hierfür bieten sich (...) örtliche Absprachen an" (Kessow 1997: 83, Hervorh. im Original).

"Soweit private Sicherheitsdienste vertraglich verpflichtet werden, in zumutbarem Rahmen auf der Basis der Notrechte [d.s. die sog. "Jedermannrechte", V.E.] bei akuten Ereignissen einzugreifen, bestehen auch dagegen keine Bedenken: Die Deutsche Bahn AG schützt als juristische Person des Privatrechts den Betriebsablauf im Zusammenhang mit ihren Beförderungsleistungen" (Bueß 1997: 200).

Mithin ist also auf juristischer wie alltagspraktischer Ebene den jeweiligen Akteuren sehr weitgehend freie Hand in der Umsetzung ihrer Interessen gelassen.

5 Deutsche Bahn AG & "3-S-Konzept"
Strategisches Marketingkonzept der Bahn AG als Immobilienunternehmen und Verkehrsdienstleister ist das 1994 installierte "3-S-System" ("Service, Sicherheit, Sauberkeit"), in das in den nächsten Jahren drei Milliarden Mark investiert werden sollen. Zu den Normalitäts- und Konformitätsvorstellungen, die darin verankert sind, wird später noch einiges gesagt werden; auch zur Service-Kultur und Hygiene in Bahnhöfen, die bei "durch den Kunden reklamierte[n] Verschmutzungen", je nach Bahnhofs-Kategorie, "innerhalb von 15 Minuten" oder "innerhalb von 24 Stunden beseitigt werden sollen" (Deutsche Bahn AG 1996: 15).

Daher will ich mich hier auf die dritte Säule, das "S" für "Sicherheit", konzentrieren, das seinerseits auf dem Ausbau der technischen Infrastruktur, also den Videoüberwachungszentralen und ihren mobilen Gegenstücken, sowie der "Bahn Schutz & Service GmbH" (BSG) fußt. Dabei wird der Geschäftsbereich bis Ende 1999 vierzig stationäre "3-S-Zentralen" mit einem Gesamtvolumen von 250 Millionen Mark errichten, die rund um die Uhr von Mitarbeitern der Deutschen Bahn AG und des Bundesgrenzschutzes besetzt sein werden. Seit Mai 1995 ist Mainz mit einer solchen Anlage ausgerüstet, auch in Nürnberg und weiteren Städten gibt es sie bereits. Weitere 1.000 Bahnhöfe werden in den folgenden Jahren an diese Sicherheitszentralen angeschlossen; z.T. als Verbundschaltungen über Videokameras und mobile "3-S-Zentralen" in größere Überwachungseinheiten integriert. Zur Refinanzierung der Kosten, so der "Geschäftsbereich Personenbahnhöfe" weiter, "soll eine teilweise Vermarktung der 3-S- Zentralen durch die Aufschaltung privater Haushalte und Gewerbeanlagen dienen" (Deutsche Bahn AG 1996: 17).

Die BSG verdankt ihre Existenz dem Bundeskartellamt. Das nämlich lehnte die Beauftragung eines privaten Sicherheitsunternehmens durch die Deutsche Bahn AG ab, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhüten. Angesichts der Tatsache, daß derzeit 1 Prozent aller privaten Sicherheitsdienste über 50 Prozent des Umsatzes realisieren, ist das ein wenig rührend. Mit anderen Worten: 14 Sicherheitsdienste (von etwa 1.500) kontrollieren 57 Prozent des Marktes (vgl. Eick 1998). Die "Bahn Schutz GmbH" ist 100prozentige Tochter der "dvm Deutsche Verkehrsdienstleistungs- und -management GmbH", die wiederum 100prozentige Tochter der Deutschen Bahn AG ist. Die BSG ist immanenter Bestandteil der seit 1994 gültigen Sicherheitsdoktrin der Deutschen Bahn AG, dem "3-S- Konzept". Zu Beginn des Jahres 1995 waren 84 Mitarbeiter, Ende 1995 bereits 800 Personen beschäftigt. Ende 1996 waren bundesweit bereits 2.000 Personen bei der "Bahn Schutz GmbH" in (Niedrig)Lohn und Brot (vgl. Wiedenroth 1995: 25; Deutsche Bahn AG 1996: 49; BSG 1997). Zeitgleich hat die Deutsche Bahn AG 30.000 MitarbeiterInnen entlassen.

In ihrem letzten Geschäftsbericht (Deutsche Bahn AG 1997a) weist die Bahn AG keine gesonderten Zahlen für die BSG mehr aus, sondern faßt sie in den Beschäftigtenzahlen der "dvm-gruppe" zusammen, die aus sieben Reinigungsfirmen und der "Bahn Schutz GmbH" besteht (1996: 13.271 MitarbeiterInnen). Mit ihrer Hausrechtsanwendung wirbt die "Bahn Schutz GmbH" auch in eigenen Broschüren. So heißt es unter der Überschrift "Beschützender Kundendienst mit den 3 S": "Etwa 65.000 Hausrechtsmaßnahmen, 800 Strafanzeigen und rund 500 vorläufige Festnahmen pro Monat auf deutschen Personenbahnhöfen sind ein Beleg dafür, daß wir im Zweifel Ernst machen" (BSG 1997: 4f). Die BSG arbeitet nach Hausrecht und Gewerbeordnung und übt "Jedermannrechte" aus. Darunter fällt das Notwehrrecht, was oft so ausgelegt wird, daß gegen jemanden, der einen Platzverweis erhält und sich dagegen wehrt, mit Gewalt vorgegangen werden darf. Anders als die Polizei unterliegen private Sicherheitsdienste hier nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Sie unterliegen auch keinen Einschränkungen beim Einsatz von z.B. Überwachungskameras. In der Praxis findet ein reger Datenaustausch zwischen Privaten und Polizei statt, nicht zuletzt durch personelle Verbindungen im Rahmen sog. "Old Boy Networks" zwischen ehemaligen Polizisten und ihren alten Kollegen.

In Städten wie Hamburg oder Berlin finden nach Zahlen von 1994/95 bis zu 70 bzw. 55 Prozent aller Platzverweise ausschließlich in Bahnhöfen bzw. deren Umfeld statt. Private Sicherheitsdienste, wie in Berlin beispielsweise der "B.O.S.S. Sicherheitsdienst", sind Teil dieser Strukturen. Zwei Immobilienspekulanten und Betreiber von Nobelhotels sowie "Läusepensionen" führen den "B.O.S.S. Sicherheitsdienst", der mittlerweile von der Vertreibung aus Bahnhöfen über die Bewachung von Obdachlosen und Obdachlosenheimen bis zum Management von Flüchtlingslagern und der Abschiebevorbereitung ein umfassendes "Deportationsmanagement" betreibt (vgl. Eick 1998).

Die "Bahn Schutz GmbH", der BGS, die Berliner bzw. Brandenburger Landespolizei sowie der "Stab Bahnsicherheit" der Berliner S-Bahn halten regelmäßige Koordinierungstreffen ab. Die Berliner "S-Bahn GmbH" ist ebenfalls eine 100%ige Tochter der Deutschen Bahn AG und spricht, ähnlich wie ihre Muttergesellschaft von Fernbahnhöfen, von den S-Bahnhöfen als "Visitenkarten" bzw. "Headquarters" (S-Bahn Berlin 1998: 12, 22).

6 Berlin, Bahn & "Umfeld"
In einem Hintergrundpapier der Senatsverwaltung für Inneres zur Teilnahme an der "Aktion Sicherheitsnetz" (1998) werden für Berlin die verschiedenen Initiativen der Senats- und Bezirksverwaltungen, der Polizei, des Bundesgrenzschutzes, der mobilisierten Bevölkerung (in Präventionsräten und Bürgerwehren) und der Privatwirtschaft dargestellt und aufeinander bezogen, wobei insbesondere die Einbindung der bezirklichen Ordnungsbehörden verstärkt werden soll. Hier werden sogenannte "Maßnahmestrategien" entwickelt, von denen das "Berliner Modell" - das heißt die verstärkte Einbindung der Schutzpolizei in die Kriminalitätsbekämpfung zur Entlastung der Kriminalpolizei - ein zentraler Baustein ist. Mit Einführung des "Berliner Modells" in den Bezirken Kreuzberg und Neukölln (Direktion 5) im Februar 1998 hat sich die Präsenz uniformierter Schutzpolizeikräfte auf den Straßen dieser Bezirke, unterstützt durch die "Freiwillige Polizeireserve" (FPR), ebenso spürbar erhöht wie das Anzeigeaufkommen. Zu den weiteren Maßnahmestrategien gehört auch die Anschaffung moderner Informations- und Kommunikationstechnik, eine durch Unternehmensberatungen gesteuerte Polizeistrukturreform und die "anlaß- und täterorientierte Bildung von Operativen Gruppen".

Zentraler Ansatzpunkt ist das "Herabsetzen der polizeilichen Einschreitschwelle für "die kleineren und unbedeutenden Verstöße" (Ordnungswidrigkeiten), "Hinsehen statt Wegschauen" bedeutet die Maxime, also ein Tätigwerden, wann immer es möglich erscheint, ohne die gesetzlichen Prioritäten auszuhebeln" (Senatsverwaltung für Inneres 1998: 2).

Teil dieser Strategie ist es auch, "Sicherheitsinitiativen privater Träger mit Know-how der Polizei zu unterstützen, z.B. [Unterstützung, V.E.] von Hausrechtsinhabern beim Einsatz von Videotechnik und privaten Sicherheitsdiensten" (ebenda: 3).

Ich möchte diese Strategien anhand von zwei Beispielen skizzieren: So gibt es in Berlin mittlerweile zwei sogenannte "Gemeinschaftsaktionen", die Gemeinschaftsaktion "Saubere Stadt Berlin" und die Gemeinschaftsaktion "Sicherheit und Sauberkeit auf Bahnhöfen". In beiden Fällen wird, und darauf fehlt in dem Papier der Senatsverwaltung jeder Hinweis, auf private Sicherheitsdienste und - im Zuge intensivierter "Workfare"-Programme - auf SozialhilfeempfängerInnen und Langzeitarbeitslose, aber auch auf Schulkinder zurückgegriffen. So sind an der Gemeinschaftsaktion "Saubere Stadt Berlin" auf Initiative der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie (SenStadtUmTech) die Senatsverwaltungen für Gesundheit und Soziales (SenGesSoz), für Inneres (SenInn), für Wirtschaft und Betriebe (SenWiB), für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen (SenArbFrau), die Senatskanzlei (Skzl), die S-Bahn GmbH, die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR), das Landeseinwohneramt (LEA), die Polizei, der Bundesgrenzschutz (BGS), das Landesschulamt und die Berliner Kraft- und Licht AG (BEWAG) beteiligt. SozialhilfeempfängerInnen müssen Straßen- und Parkreinigungen übernehmen, Schulkinder werden in den Wald zum Müll sammeln geschickt, Langzeitarbeitslose über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) bei privaten Sicherheitsdiensten für die Vertreibung von Obdachlosen und Junkies eingestellt. Das gilt analog auch für die Gemeinschaftsaktion "Sicherheit und Sauberkeit auf Bahnhöfen"; hier arbeiten neben den genannten Senatsstellen noch die Senatsverwaltung für Justiz (SenJust) für das sofortige Abstrafen von "Verunreinigern" und "Störern", das Bundesinnenministerium, das Innenministerium des Landes Brandenburg, die Deutsche Bahn AG, die "Landeskommission Berlin gegen Gewalt" und die Berliner Feuerwehr zusammen (Senatsverwaltung für Inneres 1998: 3). Der Innensenat betont in diesem Zusammenhang ausdrücklich, daß bei "Sauberkeit" wie auch bei "Sicherheit" das Land Berlin "von den guten Kontakten des BGS zur S-Bahn Berlin GmbH und des LKA zur BVG" profitiert, die jeweils als Bindeglieder fungieren (ebenda: 6).

Da Berlin seit November 1997 Modellstadt für die intensivierte Zusammenarbeit mit dem Bundesgrenzschutz ist, wurde eine gemeinsame Koordinierungsstelle der Polizei Berlin und des Grenzschutzpräsidiums Ost (GSP), die sogenannte "Koost BGS/Polizei", eingerichtet, die gemeinsame Fortbildungen, Schwerpunktmaßnahmen, intensivierten Datenaustausch, gemeinsame Streifentätigkeit und den Aufbau gemeinsamer Fahndungs- und Ermittlungsgruppen koordiniert (ebenda: 4f). Hierzu zählen u.a. zwei "Ermittlungsgruppen Schleuser" (seit Oktober 1994 bzw. August 1997), die "Ermittlungsgruppe Wertzeichenfälschung" (seit Dezember 1997) und die "Gemeinsame Ermittlungsgruppe Graffiti in Berlin" (EG GiB, seit 1995), die aus elf BGS-Beamten und 25 Schutzpolizisten besteht und durch eine eigene "Operative Gruppe Graffiti" mit sechs BGS- und acht Landespolizeibeamten unterstützt wird. "Operative Gruppen" nach ethnischen oder Delikt-Kategorien gibt es auch bei der Landespolizei, und die Zielvorstellungen des Berliner Senats gehen dahin, diese mit den BGS-Einheiten zu verschmelzen sowie die Zusammenarbeit von Schutz- und Kriminalpolizei, von Polizei und Ordnungsbehörden mit den privatwirtschaftlichen Aktivisten zu intensivieren.

Neben diesen Reorganisationsbemühungen des Sicherheitsapparates sind zwei Ordnungsgesetze die zentralen Hebel im Rahmen der praktizierten Ausgrenzung:

Dazu gehört die von den Bezirksämtern zu definierende "Ausführungsvorschrift über die Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes", die bisher z.B. der Polizei den Platzverweis nur dann ermöglichte, wenn mit "erheblichen Beeinträchtigungen öffentlicher Belange" zu rechnen ist (zit.n. Berliner Zeitung, 15.4.1998: 27). Bausenator Jürgen Klemann (CDU) plant derzeit, diese Passage aus der Ausführungsvorschrift zu streichen, um der Polizei damit Handhabe gegen "Penner, die zum Beispiel auf dem Breitscheidplatz lagern und sich die Hucke vollsaufen", zu geben. Ziel sei es, ein "ordentliches Stadtbild" zu bekommen. Als Anlaß für diesen Vorstoß kann der massive Protest des "Hotel Adlon" am Pariser Platz betrachtet werden, das seit Monaten ein Verbot der "fliegenden Händler" entlang der Straße "Unter den Linden" fordert. Mit der Streichung des Passus könnte dann auch gegen die Hütchenspieler nicht mehr in einer rechtlichen Grauzone - einer vermeintlichen "Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes" -, sondern rechtlich gedeckt vorgegangen werden. Der Vorstoß soll in 14 Tagen mit den Bezirksbürgermeistern diskutiert werden und findet die Zustimmung von Innensenator Schönbohm.

Parallel wird eine erneute Änderung des "Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes" (ASOG) durch den Innensenat vorbereitet. Diese erneute Novellierung soll damit erstmals die Verhängung von Aufenthaltsverboten für z.B. DrogenkonsumentInnen ermöglichen, die bisher schon mit Platzverweisen und "Verbringung" bzw. "Verbringungsgewahrsam" konfrontiert waren; das Aufenthaltsverbot wird in Berlin - anders als in Dortmund, Bremen, Karlsruhe oder Hamburg - bisher nicht angewandt. Bereits 1992 wurde das ASOG in Hinblick auf die Vertreibung von Jugendlichen und Armutsbevölkerung aus dem Innenstadtbereich novelliert: Mit der Einrichtung sogenannter "gefährlicher Orte" an mittlerweile 30 Orten der Stadt, die häufig in der Nähe zu Fern-, S- und U-Bahnhöfen liegen, hat sich die Polizei ein weiteres Instrumentarium zur Raumkontrolle geschaffen, daß nun das Unterlaufen von Grundrechten ohne Tatverdacht ermöglicht: Personen- und Taschenkontrollen, Identitätsfeststellungen und ED-Behandlungen sind durch das novellierte "Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz" gedeckt. Im vergangenen Jahr ist auch die U-Bahnlinie 7 (mit Schwerpunkt Neukölln) selbst quasi zum "gefährlichen Ort" ernannt worden und wird von einer weiteren Sondereinheit der Polizei, dem "Sondereinsatzzug SEZ 7", uniformiert und in Zivil begleitet (vgl. Eick 1998). Im Bezirk Schöneberg, wo entlang der Potsdamer Straße täglich etwa 15 Platzverweise ausgesprochen (1997: 4.244) und 40 Personalienüberprüfungen durchgeführt werden (1997: 11.580), plant der Direktionsleiter derzeit, "die Grenzen des gefährlichen Ortes zu verändern" und auf die U-Bahn auszuweiten (zit.n. Orde 1998: 23).

Zu den bestbewachtesten Plätzen Berlins zählt das Areal rund um den Breitscheidplatz und den Bahnhof Zoo. Auch hier gingen den Aktivitäten von staatlicher Polizei und privaten Sicherheitsdiensten Beschwerden und Kampagnen der Privatwirtschaft, vor allem durch den Einzelhandelszusammenschluß "AG City" und die Deutsche Bahn AG, voraus. Noch heute finden die ca. 14-tägig ablaufenden Razzien der "Operativen Gruppe City-West" auf Zuruf von Geschäftsleuten statt und richten sich vor allem gegen MigrantInnen, aber auch gegen Bettler, Obdachlose und Jugendliche. Zum Ende möchte ich dazu noch einige Zahlen nennen: Das Areal um den Bahnhof gehört zum kleinsten Polizeiabschnitt Berlins mit den wenigsten BewohnerInnen (Abschnitt 27). Allein die Polizei - und hier vor allem die "Operative Gruppe City-West" - fahren täglich 2.000 Einsätze und sprechen täglich zwischen 20 und 70 Platzverweise mit 48-stündiger Gültigkeit aus; unterstützt wird die Schutzpolizei durch 12 private Sicherheitsdienste, von denen einer auch direkt auf dem Kurfürstendamm patrouilliert, von Sondereinheiten des Landeskriminalamtes (LKA) in Zivil und dem Bundesgrenzschutz, dessen Arbeitsschwerpunkt im öffentlichen Straßenland derzeit allerdings auf der Straße "Unter den Linden" liegt. "Bahn Schutz GmbH", BGS und die privaten Sicherheitsdienste treiben die "Unerwünschten" zunächst aus den U-, S- und Fernbahnhöfen. So hat der Bundesgrenzschutz im Rahmen der Hausrechtswahrnehmung für die Deutsche Bahn AG bereits mehrfach Hausverbote mit einer Dauer von bis zu zwei Jahren ausgesprochen. Von dort werden Obdachlose und Junkies durch die Schutzpolizei und die privaten Sicherheitsdienste aus den Eingangsbereichen des Bahnhofs vertrieben, wie auch die sozialen Drogen- oder Obdachlosenhilfe-Projekte keine Aktivitäten in unmittelbarer Bahnhofsnähe entfalten dürfen. Diese Vertreibung reicht zunächst bis auf die andere Seite des Bahnhofsvorplatzes, wo wiederum private Sicherheitsdienste das Hausrecht wahrnehmen. Dort hat etwa der US-Konzern "MacDonald's" eine seiner Filialen; aber auch "Kentucky Fried Chicken" ist dort ansässig und besonders rabiat gegen MigrantInnen. Der Bezirksleiter von "MacDonald's" hält gar nichts von Obdachlosen am Bahnhof Zoo. Ohne klares Vorgehen "würde das Lokal nachts zur Obdachlosen-Wärmestube" (zit.n. Greiner/ Leschka/Neuhaus 1995: 25). Das sieht auch der Manager des Intercity- Restaurants so. Bei durchgehenden Öffnungszeiten des Restaurants ""haben wir genau das Publikum, das wir nicht wollen, das typische Bahnhof Zoo- Publikum". Also Stricher, Trinker, illegale Zigarettenverkäufer", so die Journalistin des Berliner "Tagesspiegel" (Binder 1994: 7). Belegt ist auch die Verfolgung von Junkies durch private Sicherheitsdienste bis an einen der Spritzenautomaten und die dann folgende Meldung eines "Straftäters" an die örtliche Polizei (persönliche Information durch Drogenberatungsstellen).

Ihre Fortsetzung findet das im Polizei-Jargon als Junkie- oder "Fixer- Jogging" bezeichnete Vertreiben entweder in deren Flucht in ein anderes Stadtquartier, wo ähnlich aufgebaute Einheiten tätig sind, oder mittlerweile zunehmend in die U-Bahnen. Hierin liegt eine gewisse Parallelität zu New York und dessen "Zero Tolerance"-Konzept, auf das ich hier nicht weiter eingehen will. Auch dort führte die Vertreibung von den Straßen zunächst noch unter Bürgermeister Dinkins zum Rückzug der Armutsbevölkerung in die U-Bahn (vgl. Behr 1997; Smith 1996).

Wie Untersuchungen der Drogenberatungsstellen "Strass" und "Fixpunkt" sowie der kirchlichen Organisation "Leben mit Obdachlosen" belegen, wird zunehmend der sogenannte "Verbringunsgewahrsam", also die Deportation an den Stadtrand, als Mittel eingesetzt. Etwa 40 Prozent der Befragten waren nach eigenen Angaben von dieser Maßnahme, zum Teil bereits mehrfach, betroffen. Landespolizei wie Bundesgrenzschutz führen diese Maßnahmen nach eigenen Angaben häufig durch.

In Berlin ist die Bahn zu einem der Hoffnungsträger für die Innenstadt aufgestiegen, und die von der Bahn AG auf dem Leipziger Bahnhofsvorplatz installierten Videokameras gelten dem Berliner Senat als besonders wünschenswert. Die Bahn AG soll Vorreiter werden, um der teilweise vorhandenen Widerständigkeit der Bezirke gegen die flächendeckende Videoüberwachung aller Plätze der Stadt privatwirtschaftlich die Spitze zu nehmen. So empfindet etwa der Berliner Innensenator, Jörg Schönbohm (CDU), das Leipziger Überwachungsmodell als vorbildlich für Berlin (QUELLE); aber auch das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen positioniert sich ähnlich zur Bahn AG:

"Neben der Aufwertung des Unternehmens Bahn wird die städtebauliche Einbindung der Bahnhöfe zur Innenstadtbelebung und Attraktivitätssteigerung zunehmend wichtiger. Diese Ziele unterstützt auch das Land Nordrhein-Westfalen: Die NRW-Initiative "Standorte mit Zukunft" und die Bestrebungen um die "Vitale Stadt" stellen dabei im wesentlichen auf die Entwicklung hochleistungsfähiger Dienstleistungsstandorte ab", so ein Mitarbeiter des Landesinstituts (Rodemers 1998: 5).

Keines der für Berlin skizzierten Projekte ist indes unumstritten. So tragen einige Bezirksverwaltungen diese Maßnahmen derzeit noch nicht mit, was sich auch angesichts der Hauptstadtwerdung und der kürzlich beschlossenen Bezirksreform, die sowohl PDS- wie auch bündnisgrüne Bezirke schwächen bzw. auflösen wird, ändern könnte. Ausdruck für die Umkämpftheit dieser Räume sind aber auch die Bemühungen der Obdachlosen-Selbsthilfe- Organisationen, sich gegen die Ausgrenzungspolitik zu wehren. Der Widerstand gegen die Räumung der innerstädtischen "Wagenburgen" hat interessanter Weise dazu geführt, daß - unter der Maßgabe, sich nicht mehr in der Innenstadt sehen zu lassen - oben erwähntes Immobiliengespann für Obdachlose an der Peripherie einzelne Bauwagen anbietet (vgl. Obdachlosenplan Reinickendorf 1998).

Zusammengefaßt entsteht der Tendenz nach aus dem fordistischen "großen Bruder" der "Subventionsmetropole Berlin" die rassistische "Sicherheitsfamilie", die mit Public Private Partnership kleinräumig "Quartiersmanagement" für die "Kerngesellschaft" im "Unternehmen Berlin" betreibt.

Der städtische Raum wird kleinteilig mit ausdifferenziertem Ordnungsrecht wahlweise ghettoisiert bzw. für eine "attraktive Öffentlichkeit" inszeniert und von Störungen freigehalten. In Berlin, wo sich von den sechs großen Bahnhöfen - Bahnhof Zoo, Lehrter Bahnhof, Charlottenburg, Hauptbahnhof, Alexanderplatz (S-Bahn) und Bahnhof Lichtenberg - derzeit drei im Um- bzw. Aufbau befinden, sind an den drei bereits voll funktionsfähigen Bahnhöfen Knotenpunkte einer panoptischen Stadt entstanden, um die herum weitere Sicherheits- und Konformitätsstandards durchgesetzt werden sollen. Insoweit stellen sie nicht nur eine Parallele zu den Shopping Centers auf der "grünen Wiese" und den Shopping Malls, Atrien und neuen Plätzen, wie dem Potsdamer oder Leipziger Platz, dar, sondern weisen über deren Enklaven-Charakter hinaus. Sie sollen vielmehr der Nukleus für die sichere Stadt im 21. Jahrhundert werden.

Damit stellen Bahnhöfe in Hinblick auf kommunale, innerstädtische Sicherheits- und Ordnungsinteressen privatwirtschaftlich geführte und staatlich wie privatwirtschaftlich bediente Filialen zur Etablierung neuer Sicherheits- und Ordnungsmodelle dar. Der "Geschäftsbereich Personenbahnhöfe" und der Bundesgrenzschutz können insoweit als auf Wachstumskurs befindliche Filialleiter des "Unternehmens Berlin" gelten.

7 Literaturauswahl

  • Behr, Rafael 1997: Zweifelhafte Vorbilder. Die Wirkung der "New York"- Metapher auf die deutsche Polizei(politik), in: Gunter Dreher/Thomas Feltes (Hrsg.): Das Modell New York: Kriminalprävention durch "Zero Tolerance"? Beiträge zur kriminalpolitischen Diskussion, Felix Verlag, Holzkirchen/Obb., S.148-160
  • Binder, Elisabeth 1994: "Was wollen Sie machen, bei dem Publikum...". Bahnhof Zoo bietet Berlin-Besuchern erschreckendes Bild, in: Der Tagesspiegel vom 20. Januar 1994, Berlin, S.7
  • Brunn, Burkhard/Dietrich Praeckel 1992: Der Hauptbahnhof wird Stadttor. Zum Ende des Automobilzeitalters, Anabas Verlag, Gießen
  • BSG. Bahn Schutz & Service GmbH 1997 (Hrsg.in): Starker Schutz & kompletter Service. Die Sicherheitsprofis für zufriedene Kunden (Informationsmappe), Selbstverlag, Frankfurt/M.
  • Bueß, Peter 1997: Private Sicherheitsdienste. Zur Tätigkeit freier Unternehmer auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart/u.a.
  • Bund Deutscher Architekten/Deutsche Bahn AG/Förderverein Deutsches Architekturzentrum (Hrsg.Innen) 1997: Renaissance der Bahnhöfe. Die Stadt im 21. Jahrhundert, Vieweg Verlag, Braunschweig/Wiesbaden
  • Bundesministerium des Innern (Hrsg.) 1997: Konzept der Neuorganisation des Bundesgrenzschutz (BGS), 11. September 1997, Bonn
  • Deutsche Bahn AG (Hrsg.in), o.J. [1996]: Die Marke Bahnhof. Geschäftsbereich Personenbahnhöfe, Selbstverlag, Frankfurt/M.
  • Deutsche Bahn AG (Hrsg.in) 1996a: Geschäftsbericht 1995, Selbstverlag, Frankfurt/M.
  • Deutsche Bahn AG (Hrsg.in) 1997: Renaissance der Bahnhöfe. Die Stadt im 21. Jahrhundert, (Ausstellungsbeiheft vom März 1997) Selbstverlag, Berlin
  • Deutsche Bahn AG (Hrsg.in) 1997a: Geschäftsbericht 1996, Selbstverlag, Frankfurt/M.
  • Eick, Volker 1997: "Schluß mit den Problembürgern!" Eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG schafft öffentliche Räume, in: MieterEcho. Zeitung der Berliner MieterGemeinschaft (Nr. 265), Nov./Dez. 1997, S.8-9
  • Eick, Volker 1998: Neue Sicherheitsstrukturen im "neuen" Berlin. "Warehousing" öffentlichen Raums und staatlicher Gewalt, in: ProKla. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Heft 110: "S(t)andOrt Berlin" (März 1998), Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S.95-118
  • Ermittlungsgruppe 1998: Bundesgrenzschutzinspektion Berlin, Bahnhof Zoo (Ermittlungsgruppe). Mitteilung über die Ermittlung gegen einen Tatverdächtigen, Berlin
  • Greiner, Benjamin/Leschka, Simon/Neuhaus, Stephan 1995: Fünf Tupfer Senf, fünf Tupfer Ketchup. Ökobirnen im Schnellrestaurant, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (Jugend schreibt), Frankfurt/M., S.25
  • IMK-Beschluß 1998: Beschlußniederschrift über die Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 2. Februar 1998, Bonn
  • Kant, Martina/Pütter, Norbert 1998: Sicherheit und Ordnung in den Städten. Zwischen "Sicherheitsnetz" und "Ordnungspartnerschaften", in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 59 (1/98), Cilip Verlag, Berlin, S.70-79
  • Kaufmann, Franz-Xaver 1973: Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Phänomen. Untersuchungen zu einer Wertidee hochdifferenzierter Gesellschaften (2. umgearbeitete Auflage), Enke Verlag, Stuttgart
  • Kessow, Peter-Michael 1997: Bahnpolizeiliche Aufgaben des Bundesgrenzschutzes. Organisation, Zuständigkeiten, Einsatz, Zusammenarbeit mit Behörden und anderen Institutionen, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart/u.a.
  • Leisting, Wolfgang 1997: Polizeirecht und offene Drogenszene, in: Josef Estermann (Hrsg.): Auswirkungen der Drogenrepression. Illegale Drogen: Konsum, Handel, Markt und Prohibition (Studien zur qualitativen Drogenforschung und akzeptierenden Drogenarbeit, Band 15), Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin
  • Martin, Joachim 1995: Entkriminalisierungsvorschläge. Beispiel: Beförderungserschleichung (§ 265a StGB), in: Rolf Gössner (Hrsg.): Mythos Sicherheit. Der hilflose Schrei nach dem starken Staat, Nomos Verlag, Baden-Baden
  • Maurer, Albrecht 1998: Schleierfahndung im Hinterland. Das ganze Land als "zweite Grenzlinie", in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 59 (1/98), Cilip Verlag, Berlin, S.51-56
  • Orde, Sabine am 1998: Verdrängung in die U-Bahnhöfe. Polizei zieht positive Bilanz im Kampf gegen Straßenkriminalität, in: die tageszeitung vom 23. April 1998, S.23, Berlin
  • PDS-Bundestagsgruppe (Hrsg.in) 1997: DB AG. Deutsche Bahn Abwicklungs- Gesellschaft. Ein alternativer Bericht über die Geschäfte der Deutschen Bahn AG (2. erweiterte Auflage), Selbstverlag, Bonn
  • Rodemers, Jakob 1998: Sicherheit in Bussen und Bahnen, an Haltestellen und an Bahnhöfen (Vortrag, gehalten an der Universität Kaiserslautern am 5. Februar 1998), unv. Manuskript (S. 1-21), Dortmund/Kaiserslautern
  • Smith, Neil 1996: The New Urban Frontier. Gentrification and the Revanchist City, Routledge, London/New York
  • Schivelbusch, Wolfgang 1989: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M.
  • S-Bahn Berlin (Hrsg.in) 1998: Mobilität, Innovation, Flexibilität, Fortschritt (Marketingbroschüre der S-Bahn Berlin GmbH), Selbstverlag, Berlin
  • Senatsverwaltung für Inneres (Hrsg.in) o.J. [1998]: Hintergrundinformationen zur "Aktion Sicherheitsnetz", Berlin Unterreiner, Frank Peter 1998: Ein Generationen-Projekt: Stuttgart 21. Die Innenstadt wächst um 100 Hektar, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. Februar 1998, S.45
  • Wiedenroth, Pascale 1995: Safety First! Sicherheit im Zug, in: ZUG. Für Menschen unterwegs (Ausgabe Januar 1995), S.24-27, Frankfurt/M.
  • Wolf, Winfried 1992: Eisenbahn und Autowahn. Personen- und Gütertransport auf Schiene, Straße, in der Luft und zu Wasser. Geschichte, Bilanz, Perspektiven (erweiterte Neuausgabe), Rasch und Röhring Verlag, Hamburg/ Zürich

Siehe Dokument: http://www.is-kassel.de/%7Esafercity/2000/der_deutsche_bahnhof.html [Link nicht mehr verfügbar]

Bettina Sokol
"[...] In einem ganz anderen Zusammenhang stehen wiederum Videoüberwachungssysteme, die auf öffentlichen Plätzen installiert sind und beispielsweise mit um 360° drehbaren Kameras und ferngesteuerter Zoom-Technik gestochen scharfe Portraits von Passantinnen und Passanten liefern und aufzeichnen können. Solche Beobachtungssysteme existieren bereits, wenn auch nicht von der Polizei installiert, der dies rechtlich verwehrt ist. Am Düsseldorfer Hauptbahnhof beispielsweise entsteht seit Mitte November 1998 - vorsichtig ausgedrückt - eine gewisse Gemengelage. Die Deutsche Bahn AG - ein Privatunternehmen und damit außerhalb der Zuständigkeitsbereiche der Landesdatenschutzbeauftragten - hat ein derartiges Überwachungssystem im Bahnhof und auf dem Bahnhofsvorplatz eingerichtet. Nach Presseberichten beobachten 72 Kameras rund um die Uhr das Geschehen, das auf 16 Monitoren in der "3-S-Zentrale" landet.

Der Bahnhofsvorplatz ist bahneigenes Gelände, die Kameras können ihr Sichtfeld allerdings auch auf den angrenzenden öffentlichen Straßenraum erstrecken. Die Bahn weist zwar generell durch Aufkleber an Türen und auf den Bahnsteigen auf die Videoüberwachung hin, stellt in der Überwachungszentrale jedoch ebenfalls einen Arbeitsplatz den Sicherheitsbehörden zur Verfügung. Nach einer ersten Auskunft des Polizeipräsidiums wird dieser Arbeitsplatz vornehmlich vom Bundesgrenzschutz genutzt, aber gelegentlich auch von der Polizei [...]"

Bettina Sokol, Landesdatenschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen

Zum BGSDer Bundesgrenzschutz (BGS) hat sich zum Leidwesen bürgerlicher Freiheiten von der militärischen Truppe zur Bundespolizei entwickelt. Ihm wurden von der Schleierfahndung über Ermittlungen, Observationen und Lauschangriffen eine Reihe bedenklicher Eingriffsbefugnisse zugestanden. Daraus ergibt sich zwangsläufig eine Aufweichung der Länderkompetenzen.

 

Behörden & Verwaltung (2000)

Deutsche Bahn

Die Auszeichnung geht an Hartmut Mehdorn, Deutsche Bahn, für die Videoüberwachung im Bereich der DB.
Laudator.in:
jockel
jockel
padeluun am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
padeluun, Digitalcourage

Der BigBrotherAward der Kategorie "Behörden und Verwaltungen" geht an Hartmut Mehdorn Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn AG.

Mit dieser Nennung soll auf die undurchschaubare Gemengelage der Videoüberwachung durch die Deutsche Bahn AG aufmerksam gemacht werden. Undurchschaubar für die Betroffenen ist, wer jeweils für die Überwachung zuständig ist: Die Bahn AG, der Bundesgrenzschutz (BGS) oder der Sicherheitsdienst der Deutschen Bahn AG (BSG).

Gründe

Stellen Sie sich vor, sie befinden sich an einem belebten Ort mitten in der Stadt. Um sich herum tun viele Menschen mehr oder weniger öffentliche Dinge. Sie tun, was Menschen in der Öffentlichkeit allein und miteinander tun: Gehen, kommen, sitzen, essen, trinken, miteinander sprechen. Sie reisen irgendwohin oder kommen sonstwo her, wollen in den Urlaub, kehren von der Arbeit zurück oder müssen schnell noch etwas einkaufen.

Fast alle Anwesenden befinden sich in der eigenen Wahrnehmung im öffentlichen Raum; bis auf die wenigen, die wissen, daß der gesamte Ort ununterbrochen mit Videokameras überwacht wird. Damit nicht genug, denn nicht einmal die wenigen Wissenden können sagen, wer ihnen denn nun bei ihrem Tun in diesen gemeinhin öffentlichen Raum zusieht.

Beklemmend? Ja.

Weit hergeholt? Nein.

Gehen Sie zum nächsten Bahnhof und Sie haben alle Chancen, dauernd beobachtet werden.

Die Deutsche Bahn AG mit Sitz in Berlin (Stammkapital: 4,3 Milliarden Mark) verfolgt zur Beseitigung von Service-, Sicherheits- und Sauberkeitsdefiziten das sinnreich sogenannte 3-S-Konzept (Eigenwerbung: "Unser Wohlfühl-Programm").

Es besteht - neben so innovativen Features wie einer Zugauskunft, Informations- und Notrufsäulen sowie "Multifunktionalen Wartepavillons" und den Anstrengungen der "extra hierfür gegründeten Tochterfirma BRG (Bahnreinigungs GmbH)" (Eigenwerbung der Bahn AG) - in der Hauptsache aus einer lückenlosen Videoüberwachung von zunächst 42 Bahnhöfen in ganz Deutschland, wo zwölf bis 24 Mitarbeiter des Privatunternehmens Bahn das Tun der Menschen in vermeintlich öffentlichem Raum beobachten.

Tatsächlich sind die Bahnhöfe längst Privatgrund. Der entstaatlichte Bahnbetrieb findet an Orten statt, wo die Bahn AG als Eigentümerin Hausrecht ausübt.

So haben nicht nur die Mitarbeiter der 3-S-Zentrale der Bahn, sondern auch die Angehörigen der betriebseigenen Bahn Schutz und Service GmbH (BSG) Zugang zu den gemachten Aufnahmen. Außerdem gibt es eine enge Zusammenarbeit mit der lokalen Polizei und dem Bundesgrenzschutz (BGS), die dauernd Zugriff zu den Videos haben.

Die Behörden können jederzeit auf die gesamte Technik der Beobachtungszentralen zugreifen, die nicht nur die Bahnhofsgebäude, sondern auch die Vorplätze und angrenzenden Flächen "bestreichen".

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz fand eine deutliche Abgrenzung der Tätigkeiten und Zielrichtungen zwischen Bahnpersonal und Polizei/BGS notwendig. Das widerspricht allerdings den praktischen Aufgaben, denn nur über direkte Kommunikation ist eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich zu gewährleisten. De facto ist die Erfüllung dieses Tennungsanspruchs weder kontrollierbar noch von den Beteiligten angestrebt.

Während Kameras an öffentlich zugänglichen Gebäuden auch für Privatunternehmen unter gewissen Bedingungen zwar zulässig sind, aber deutlich sichtbar sein müssen, gelten solche Einschränkungen für die Überwachung der Bahnhöfe nicht.

Nachdem die Aufgaben nach der Ersetzung der früheren Bahnpolizei durch den BGS deutlich neu definiert worden sind, bleibt vor allem hier ein schaler Geschmack: Der paramilitärische BGS ist dem Bund unterstellt und seit seiner Gründung 1951 von einer Truppe zur Grenzbewachung und 'Einnordung von abtrünnigen Bundesländern' zu einem multifunktionalen Werkzeug der innenpolitischen Auseinandersetzung geworden.

Verfassungsrechtler wie der Frankfurter Jurist Günter Frankenberg sehen in der derzeitigen Verwendung des BGS gar einen Verfassungsbruch: Die Bundestruppe kann in den Ländern nur auf Anforderung von dort tätig werden, was einen dauernden Einsatz auf Bahnhöfen oder Flugplätzen eigentlich ausschließt.

Abschließend: Die Bahnhöfe der Zukunft werden umgewandelt zu Einkaufszentren. Die Verwaltung der Bahn dagegen wird in unattraktive Stadtbereiche ausgelagert. Die Videoüberwachung aus vordergründigem kommerziellen Interesse über die Hintertreppe der Demokratie eingeführt, gefährdet die Privatsphäre. Probleme werden von ferne beobachtet, wenn etwas stört, wird ES entfernt. Soziale Kälte wird mit noch mehr Kälte beantwortet. An der Spirale der Kälte wird weiter gewerkelt, andere Modell nicht einmal gedacht. Pendlerinnen werden z.B. täglich, andere Reisende von Fall zu Fall erfaßt, ohne es selbst erfassen zu können. In den neuen Einkaufszentren der S-Klasse entsteht nun eine Gemengelage von privatem Hausrecht, lüstern von einem martialisch mit Phantasieuniform ausgestatteten Trüppchen bewacht und staatliche Zugriffskompetenz steht als "Bundespolizei" der BGS in Ruf- und Sichtweite mit seinen Sonderrechten bereit.

Weitere Informationen finden Sie hier.

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Jahr
 
 

Schreiben der Senatsverwaltung für Inneres an den Vorsitzenden des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin v. 06.10.2000 (Az. III A 2 He-0318/2213):
"...Die TÜ ist ein wichtiges, absolut unverzichtbares polizeitaktisches Mittel zur Infomationsgewinnung im Bereich der Schwerstkriminalität. Eine Reduzierung oder gar völlige Streichung der vorgesehenen Investitionsmaßnahme bedeutet, dass die Polizei nur in sehr begrenztem Maße zusätzliche TÜ durchführen kann.

Bereits jetzt können zahlreiche angeordnete TÜ-Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden. Dies ist kontraproduktiv zum eigentlichen politischen Ziel, die Schwerstkriminalität effektiver zu bekämpfen. Eine Erweiterung bei den Aufzeichnungs- und Auswerteeinheiten sowie der dazugehörigen zentralen Technik (TK-Anlagenerweiterung, Server) ist daher dringend erforderlich.

... Monetär bewertbare Effizienzsteigerungen sind nicht verifizierbar, wohl aber ist davon auszugehen, dass insbesondere der durch die organisierte Kriminalität entstehende immense volkswirtschaftliche Schaden eingedämmt werden kann und entsprechend rechtswidrig erlangte Gewinne abgeschöpft werden können.

... In qualitativer Hinsicht ist es mit der Erweiterung der TKÜ-Anlagen möglich, weitere angeordnete Telefonüberwachungen zur Bekämpfung der Schwerstkriminalität durchzuführen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, durch dieses Einsatzmittel die Ermittlungserfolge im Bereich der Schwerstkriminalität weiter zu verbessern.

... Straftäter setzen daher vermehrt Mobiltelefone als Kommunikationsmittel ein. Die Industrie bietet inzwischen Lösungen an, mit der notwendige Informationen ermittelt werden können. Durch den Einsatz einer Mobil-Überwachungsanlage ”IMSI-Catcher” kann die schnelle Identifizierung der Täter unterstützt werden und die Polizei erlangt so beschlussfähige Daten für eine dann richterlich angeordnete Telefonüberwachung. Nachdem TÜ-Maßnahmen auch bei Mobiltelefonen möglich wurden, hat sich diese Überwachungsart zu einem wirkungsvollen Instrument bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität entwickelt. ..."

Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz 1997-1998 (1999)
TKG-Begleitgesetz: (K)ein Meilenstein im Datenschutz?
Im Jahr 1996 wurden mit dem Telekommunikationsgesetz die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Herstellung von Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt geschaffen (s. 16. TB Nr. 10.1). Aus Zeitgründen konnte bei der Verabschiedung des Gesetzes das sonstige Bundesrecht nicht angepaßt werden, obwohl es notwendig gewesen wäre. Erst ein Jahr später, 1997, im Rahmen des Begleitgesetzes zum Telekommunikationsgesetz (TKG-Begleitgesetz) vom 17. Dezember 1997 wurden die erforderlichen Änderungen und Ergänzungen verabschiedet.

Mit Artikel 1 TKG-Begleitgesetz wurden die erforderlichen personalrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post geschaffen. Artikel 2 regelt die in verschiedenen Bereichen erforderlichen gesetzlichen Änderungen im Hinblick auf die mit der Postreform vollzogene Privatisierung und Liberalisierung im Bereich der Telekommunikation; diese Vorschriften sind für den Datenschutz im Bereich der Telekommunikation von wesentlicher Bedeutung. Die wichtigsten Anliegen des Gesetzgebers bei der Anpassung von Rechtsvorschriften galten
- einer weitgehenden Angleichung rechtlicher Rahmenbedingungen für die Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost und deren Wettbewerber,
- dem Schließen von Strafbarkeitslücken bei der Verletzung des Fernmeldegeheimnisses sowie
- der Sicherstellung der Überwachbarkeit von Telekommunikation durch die dazu berechtigten Behörden.

Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sind insbesondere die Regelungen zur Überwachung der Telekommunikation intensiv diskutiert worden. So habe ich große Bedenken gegen die in Artikel 2 Abs. 1 Nr. 1b TKG-Begleitgesetz vorgenommene Ausdehnung der staatlichen Eingriffsbefugnisse nach dem G 10-Gesetz auf sog. geschlossene Benutzergruppen. Im Gegensatz zu den Betreibern von öffentlichen, für jedermann zugänglichen Telekommunikationsdiensten versteht man darunter solche, die TK-Dienste ausschließlich für bestimmte Personen oder Organisationen anbieten. Typisch für solche "Corporate Networks" sind etwa die konzerneigenen TK-Netze großer, auch weltweit operierender Wirtschaftsunternehmen. Diesen hinzuzurechnen sind nach dem Willen des Gesetzgebers aber auch Nebenstellenanlagen wie beispielsweise in Hotels und Krankenhäusern, Clubtelefone sowie Nebenstellenanlagen in Betrieben und Behörden, soweit diese den Beschäftigten zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt werden.

Eine inhaltsgleiche Vorschrift war bereits für die Änderung des G 10-Gesetzes vom 28. April 1997 angedacht worden. Schon im damaligen Gesetzgebungsverfahren habe ich Bedenken gegen diese Bestimmung geltend gemacht und konnte erreichen, daß einvernehmlich auf die beabsichtigte Ausdehnung der Eingriffsbefugnisse auf geschlossene Benutzergruppen verzichtet wurde. Statt dessen ist in Artikel 1 § 1 Abs. 2 des G 10-Gesetzes die Formulierung "Unternehmen, die Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit erbringen" gewählt worden. Es wäre im Interesse eines effektiven Datenschutzes besser gewesen, diesen Rechtszustand im TKG-Begleitgesetz nicht aufzugeben. Dies gilt insbesondere für den sensiblen Bereich der Nebenstellenanlagen in Krankenhäusern, die in der Regel nicht nur dem Klinikpersonal, sondern auch ihren Patienten die Möglichkeit bieten, die TK-Anlage zu nutzen.

Leider wurden auch durch die entsprechenden Änderungen der Strafprozeßordnung und des Außenwirtschaftsgesetzes (Artikel 2 Abs. 9 bzw. 23 TKG-Begleitgesetz) die Befugnisse staatlicher Stellen, die Telekommunikation überwachen zu dürfen, auf die geschlossenen Benutzergruppen ausgedehnt.

Auch der von der Bundesregierung beabsichtigten Ergänzung der Strafprozeßordnung konnte ich nicht zustimmen. Die vorgesehene Vorschrift eines neuen § 99a StPO sollte den bisherigen § 12 FAG ersetzen, der die Auskunftspflicht von TK-Unternehmen gegenüber der Justiz regelt. So enthielt der Entwurf des § 99a StPO keine Schutzklausel für Telefonate von Personen, die zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet sind, wie z. B. von Ärzten und Rechtsanwälten. Auch fehlte eine Regelung über die Vernichtung der für die Strafverfolgung nicht erforderlichen Daten und über die Unterrichtung der von der Maßnahme nach § 99a StPO betroffenen Personen. (Weitere Einzelheiten s. o. Nr. 6.4 Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Telekommunikationsdaten - Neufassung des § 12 FAG?).

Meine im Gesetzgebungsverfahren vorgetragenen Bedenken konnten letztlich von der Bundesregierung nicht ausgeräumt werden. Der Bundestag hat daher von der Ergänzung der StPO um § 99a Abstand genommen. Gleichzeitig hat er der Bundesregierung aufgegeben, unter besonderer Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Aspekte bis zum 31. April 1998 einen neuen Entwurf eines § 99a StPO zu erarbeiten. Trotz entsprechender Anfragen liegt mir bis heute noch keine neue Fassung für § 99a StPO vor. Wegen der notwendigen gründlichen Beratungen mit den Ressorts und in den parlamentarischen Gremien ist dies jedoch schwer verständlich. § 12 FAG als Vorgängervorschrift des § 99a StPO ist bis zum 31. Dezember 1999 befristet.

Besondere Irritationen in der Öffentlichkeit hat die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geführte Diskussion zum sog. IMSI-Catcher ausgelöst. Obwohl der Einsatz des IMSI-Catchers letztlich nicht Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens geworden ist, möchte ich wegen der öffentlichen Diskussion und im Hinblick auf mögliche künftige Begehrlichkeiten hierzu folgendes anmerken:

Beim IMSI-Catcher handelt es sich um ein Gerät, mit dem die Telefonnummern in der Nähe befindlicher Mobiltelefone identifiziert werden können, die zu diesem Zeitpunkt empfangsbereit geschaltet sind, mit denen jedoch nicht telefoniert wird. IMSI bedeutet International Mobile Subscriber Identity. Es wird also eine Nummer "gefangen", die es ermöglicht, auch die unbekannte Telefonnummer des Handy zu ermitteln, die ein Verdächtiger benutzt.

Dies wurde in der Öffentlichkeit vielfach dahingehend mißverstanden, daß nicht nur die Rufnummern ermittelt, sondern auch die geführten Gespräche abgehört werden sollen. Auch wenn lediglich die Telefonnummern der Mobiltelefone - z. B. von der Polizei - ermittelt werden sollten, so wäre dies doch ein ganz erheblicher Eingriff in das Fernmeldegeheimnis der Betroffenen. Der IMSI-Catcher ermittelt aber - technisch unvermeidbar - neben der Rufnummer verdächtiger Personen auch die Rufnummern völlig Unbeteiligter. Um aber feststellen zu können, wer tatsächlich unbeteiligt ist, wären eben auch Ermittlungen im Umfeld all derer erforderlich, deren IMSI "mitgefangen" wurde. Das hätte aus meiner Sicht zu unverhältnismäßigen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht geführt.

Das vom Bundesrat sogar angedachte Mithören von Gesprächsinhalten mittels des IMSI-Catchers wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Recht auf unbeobachtete Kommunikation gewesen. Dank der heftigen öffentlichen Diskussion, aber auch der Mahnungen aus dem Bereich der TK-Unternehmen und der seinerzeit noch bestehenden Fernmeldeverwaltung wurden die Pläne der Bundesländer nicht weiterverfolgt.

Dem Bundesgesetzgeber ist mit dem TKG-Begleitgesetz zwar die dringend gebotene Harmonisierung von Rechtsvorschriften gelungen. Für den Bürger und für den Kunden von Telekommunikationsdienstleistungen ist damit ein Stück Rechtssicherheit geschaffen worden. Gleichwohl bedeuten die Bestimmungen zur Überwachung der Telekommunikation einen datenschutzrechtlichen Rückschritt. Ich werde mich bei der Umsetzung der EG-Telekommunikations-Datenschutzrichtlinie in deutsches Recht (vgl. Nr. 10.1.4) für entsprechende Korrekturen einsetzen.

Siehe Dokument: http://www.bfd.bund.de/information/tb9798/kap10/10_01_01.html

BT-Drs. 14/4055 Fragen 23-26, BaWü LT-Drs. 12/5494

2.2.4.4 Datenschutznachrichten 4/1998, 37

Kategorie
Politik (2000)

Eckart Werthebach

Diesen Preis erhält Berlins Innensenator Werthebach für die geplante Erweiterung der Telefonüberwachung.
Laudator.in:
Portraitaufnahme von Rolf Gössner.
Dr. Rolf Gössner, Internationale Liga für Menschenrechte (ILFM)
Rotes Rathaus von Berlin. Ein Gebäude mit Turm vor gelb-blauem Himmel.

Der BigBrotherAward der Kategorie "Politik" geht an den Innensenator von Berlin Dr. Eckart Werthebach für die geplante Erweiterung und Erneuerung der Telefonüberwachungsanlage in der Bundeshauptstadt verliehen. Damit soll in Berlin die Telekommunikation in zunehmendem Maße ohne jede Erfolgskontrolle abgehört werden.

Gründe

Die Verleihung des BigBrotherAward an den Berliner Innensenator erfolgt exemplarisch für die Bestrebungen in vielen Bundesländern, die Möglichkeiten der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung massiv auszubauen. Anfang September 2000 beantragte der Senator für Inneres beim Berliner Abgeordnetenhaus die Beschaffung von weiterer Gerätetechnik für die Telefonüberwachung. Bis 1999 waren hierfür Investitionen in Höhe von 3 Mio. Mark getätigt. Damit wurde die Erneuerung und Erweiterung auf 75 Aufzeichnungsgeräte und 55 Auswertungsgeräte erreicht. Bis 2003 sollen weitere 4,7 Mio. Mark hierfür ausgegeben werden. Außerdem wird die Genehmigung von 0,5 Mio. Mark für die Mobilfunküberwachung (IMSI-Catcher) gefordert. Dabei wird die Telefonüberwachung (TÜ) als ein ”absolut unverzichtbares polizeitaktisches Mittel zur Informationsgewinnung im Bereich der Schwerstkriminalität” bezeichnet.

Es soll von der Jury nicht bestritten werden, dass TÜ-Maßnahmen zur Aufklärung von Straftaten wirksam sein können. Die undifferenzierte Forderung nach immer mehr TÜ stellt aber eine massive Gefährdung für das Fernmeldegeheimnis dar. Vorhandene Überwachungstechnik wird dies ist eine praktische Erfahrung im Interesse optimaler Ausnutzung von Ressourcen, auch genutzt. Dadurch werden immer mehr unschuldige Menschen von - gesetzlich erlaubter - Telefonüberwachung erfasst und ausgehorcht. Seit Jahren ist Deutschland Weltmeister im Abhören. 1999 erreichte die Zahl der Überwachungen mit 3066 Strafverfahren und 6646 Anschlussinhabern und seit Jahren anhaltend zweistelligen Zuwachsraten einen neuen Höchststand.

Weit höher ist die offiziell nicht bekannte Zahl betroffener Einzelanschlüsse sowie der überwachten Beteiligten. Auch öffentliche Fernsprecher wie Telefonzellen werden abgehört. Rund 40 % der Abhörmaßnahmen, deren Dauer ebenfalls stieg, richteten sich 1999 gegen unverdächtige Anschlussinhaber. Undifferenziert betroffen sind auch Vertrauenspersonen wie ÄrztInnen oder RechtsanwältInnen. In einem einzigen großen Ermittlungsverfahren wurden mehr als 40.000 Telefongespräche abgehört.

Innensenator Dr. Werthebach fordert mehr Telekommunikationsüberwachung, ohne deren Effektivität nachweisen zu können und zu wollen. Eine von den Datenschutzbeauftragten seit Jahren geforderte Evaluation wurde bis heute weder in Berlin noch in anderen Ländern vorgenommen. Ebenso wenig ist eine nachträgliche richterliche Kontrolle vorgesehen. Dessen ungeachtet versuchen die Innenverwaltungen, den weltweiten Spitzenplatz bei der TÜ weiter auszubauen - auf Kosten des Fernmeldegeheimnisses. Aufgerüstet wird nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ.

Dies gilt z.B. für die Nutzung des Telefons als Wanze, für den Einsatz von Stimmerkennungssystemen oder - wie von Dr. Werthebach gefordert - durch die Beschaffung von sog. IMSI-Catchern. Die Beschaffung von IMSI-Catchern durch andere Länder ist bisher nicht bekannt. Damit werden nicht nur die Handynummern von eventuellen Verdächtigen ”gecatcht”, sondern auch die von völlig Unbeteiligten. Um festzustellen, dass diese tatsächlich unbeteiligt sind, muss gegen sie ermittelt werden. Der IMSI-Catcher-Einsatz, dessen Legalisierung 1997 vom Bundesgesetzgeber abgelehnt wurde, verursacht zugleich eine Störung des Mobilfunkverkehrs. Mit ihm kann grds. auch der Gesprächsinhalt abgehört werden. Dies wäre nach den Worten des Bundesbeauftragten für den Datenschutz ein ”eklatanter Verstoß gegen das Recht auf unbeobachtete Kommunikation”.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Laudator.in

Portraitaufnahme von Rolf Gössner.
Dr. Rolf Gössner, Internationale Liga für Menschenrechte (ILFM)
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Über die BigBrotherAwards

Spannend, unterhaltsam und gut verständlich wird dieser Datenschutz-Negativpreis an Firmen, Organisationen und Politiker.innen verliehen. Die BigBrotherAwards prämieren Datensünder in Wirtschaft und Politik und wurden deshalb von Le Monde „Oscars für Datenkraken“ genannt.

Ausgerichtet von (unter anderem):

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BigBrotherAwards International

Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden fragwürdige Praktiken mit diesen Preisen ausgezeichnet.